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Finanzen: Parteien greifen tief in die Steuerkasse

Finanzen

Parteien greifen tief in die Steuerkasse

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    Die SPD um Partei-Chefin Andrea Nahles will zusammen mit der Union die staatlichen Zuschüsse für Parteien um 25 Millionen Euro anheben.
    Die SPD um Partei-Chefin Andrea Nahles will zusammen mit der Union die staatlichen Zuschüsse für Parteien um 25 Millionen Euro anheben. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Sonderparteitage, Mitgliederbefragung, verlorene Wahlen – der finanzielle Druck in der SPD wächst. Die Lösung für die klammen Kassen der Sozialdemokraten? Rasch das Parteiengesetz ändern, um damit an mehr Geld zu kommen – so lautet der Vorwurf der Opposition. Der Vorstoß der Großen Koalition im Eilverfahren hat bei ihr heftige Kritik provoziert. Der Tenor: Das Vorhaben sei, auf diese Weise ausgeführt, schädlich für das Ansehen der Parteien.

    Gesetzesentwurf soll kommende Woche beschlossen werden

    Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass alle Parteien zusammen ab 2019 bis zu 190 Millionen Euro bekommen dürfen statt wie bisher 165 Millionen Euro. Die Finanzen der Parteien stehen auf mehreren Säulen: Mitgliedsbeiträge, Spenden, selbst erwirtschaftetes Geld – und staatliche Zuschüsse. Deren Höhe bemisst sich eben auch an Wahlergebnissen. Zum Vergleich: Im Vorjahr wurde die Obergrenze der staatlichen Teilfinanzierung um 2,5 Prozent erhöht, jetzt sollen es 15 Prozent sein. Die Koalitionsfraktionen begründen ihr Vorhaben für die nötigen Zusatzmillionen mit gestiegenen Anforderungen an die Parteien in Zeiten der Digitalisierung. Insbesondere was die Sicherheit im Netz sowie die Kommunikation in sozialen Netzwerken angehe.

    Am Freitag überwies der Bundestag den Entwurf zunächst zur Beratung in den zuständigen Innenausschuss. Bereits in der kommenden Woche soll der Bundestag das Gesetz beschließen. Das schmeckt der Opposition nicht. Sie fühlt sich übergangen und kritisiert den Zeitplan. Nicht nur stehen die Sommerferien bevor, auch der Ball rollt nächste Woche durch die russischen Stadien bei der Weltmeisterschaft. Und ein Rückblick zeigt: Während des „Sommermärchens“ 2006 wurde die Mehrwertsteuer erhöht, zur WM 2010 der Krankenkassenbeitrag und zur EM 2012 das Meldegesetz durchgewunken.

    Experte kritisiert die Anhebung der Parteifinanzierung

    Offiziell sagt keiner, dass unpopuläre Entscheidungen gerne mal in Zeiten gelegt werden, in denen die Wähler anderes im Kopf haben. Für Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim ist es aber „kein Zufall, dass der Vorschlag vor der WM kommt, die publizistisch alles in ihren Bann zieht“. Der 79-Jährige kritisiert den Vorgang scharf: „Es handelt sich um ein Blitzgesetz, das aus meiner Sicht hochproblematisch ist. Das Verfahren wird die Politiker-Verdrossenheit gegenüber der Großen Koalition verstärken.“ Die Parteien entschieden hier in eigener Sache. Für diesen Fall habe das Bundesverfassungsgericht gesagt, dass die Öffentlichkeit die einzig wirksame Kontrolle darstelle. „Diese Kontrolle soll offensichtlich gemindert oder ausgehebelt werden“, sagt von Arnim und fügt hinzu: „Es ist ein Schnellverfahren, das durchgeboxt wird.“

    Für strukturelle Erhöhungen mit willkürlicher Begründung zeigt er kein Verständnis. „Das ist sogar verfassungsrechtlich anfechtbar“, sagt der Experte. Die für Montag angesetzte Anhörung der Sachverständigen nennt er eine Farce. „Für die Opposition wird es sehr schwer, fundiert zu handeln. Schließlich haben sie erst vor drei Tagen von den Plänen erfahren“, kritisiert er. Aus seiner Sicht ist es sinnvoll, zunächst die vom Korruptionsbekämpfungsorgan des Europarates aufgezeigten Probleme zu beseitigen. Dazu zählt die Transparenz bei Spenden und dem Sponsoring.

    Opposition nennt mehrere Angriffspunkte

    Für die SPD steht nach Aussagen von Bundestagsmitglied Mahmut Özdemir vor allem die Verpflichtung an erster Stelle, sich auf die Medien-Gewohnheiten der Bürger einzustellen und einen vorbildlichen Datenschutz zu leisten. Jeder Cent für die Parteien sei ein Cent für die Förderung der Demokratie. Sein CDU-Kollege Stephan Harbarth ergänzt: „Die innerparteiliche Willensbildung und die Kommunikation stehen heute auf einer sehr viel breiteren Grundlage als noch vor einem Jahrzehnt.“

    Inhaltliche Kritik und Protest gegen die Vorgehensweise der Koalition kommen aus allen vier Oppositionsfraktionen. Hermann Otto Solms (FDP) führte der Union und SPD die Kosten schlechter Wahlergebnisse vor: „Machen Sie bessere Politik, dann kriegen Sie auch wieder mehr Zustimmung, und dann werden Sie ihre Finanzprobleme auch lösen.“ Die Argumente seien nicht ausreichend. Er plädiert für eine Modernisierung des Gesetzes.

    Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, nannte den Zeitplan der GroKo „einfach nur dreist“. Der AfD-Abgeordnete Thomas Seitz sprach von einem „Griff in den Geldbeutel des Steuerzahlers“. Linken-Politiker Friedrich Straetmanns wirft der GroKo vor, bei der Anhebung etwa von Renten oder Sozialleistungen deutlich zurückhaltender zu sein.

    Ebenfalls Kritik äußert der Bund der Steuerzahler. Die geplante Anhebung um rund 25 Millionen sei „abzulehnen“, sagt Steuerzahlerbund-Präsident Reiner Holznagel. Das Parteiengesetz sehe bereits jährlich steigende Staatszuschüsse vor. „Es ist indiskutabel, jetzt die Zuschüsse um 15 Prozent anzuheben, damit die Parteien Extra-Subventionen in Form eines Social-Media-Bonus erhalten – dies kommt den Steuerzahler teuer zu stehen.“

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