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Thilo Sarrazin: "Feindliche Übernahme": Das steht in Sarrazins neuem Buch

Thilo Sarrazin

"Feindliche Übernahme": Das steht in Sarrazins neuem Buch

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    Das Buch sorgte Anfang Juli für Wirbel: Thilo Sarrazin, 73, vor dem Münchner Landgericht gegen Random House, weil der Verlag die Veröffentlichung von „Feindliche Übernahme“ ablehnte.
    Das Buch sorgte Anfang Juli für Wirbel: Thilo Sarrazin, 73, vor dem Münchner Landgericht gegen Random House, weil der Verlag die Veröffentlichung von „Feindliche Übernahme“ ablehnte. Foto: Imago

    Einen Brandbeschleuniger der Migrationsdebatte wie die Vorfälle von Chemnitz hatte er gar nicht nötig. Denn bereits durch Vorbestellungen rangierte Thilo Sarrazins an diesem Donnerstag erscheinendes Werk „Feindliche Übernahme“ zuvor längst auf Platz eins der deutschen Amazon-Charts – nicht nur im Bereich Sachbücher, sondern von allen Büchern. Und das nicht nur, weil Sarrazin nun die in „Deutschland schafft sich ab“ 2010 skizzierte Bedrohung durch muslimische Zuwanderung noch dringlicher erscheinen lässt. Wie bei seinen fünf bisherigen Bestsellern haben ihm gerade seine Kritiker wieder besondere Aufmerksamkeit beschert.

    Neues Buch von Thilo Sarrazin: Veröffentlichung von "Feindliche Übernahme" verschoben

    Diesmal war es bereits Anfang Juli, sein eigentlich angestammter und bislang immer gut mit Sarrazin verdienender Verlag DVA, Teil des Branchenriesen Random House. Nun lehnte der die Veröffentlichung des neuen Manuskripts ab, trotz Autorenvertrags. Mit der Begründung, es werde darin ein Bild entworfen, nach dem der Islam „einer Geißel der Menschheit gleichkommt“, so Thomas Rathnow, DVA-Verleger und Mitglied der Geschäftsführung bei Random-House. Auch werde „jemandem mit einer korangeprägten Mentalität (…) kaum eine individuelle Entfaltung zugestanden“. Er habe deshalb die Gefahr gesehen, dass „antimuslimische Ressentiments verstärkt werden“ und eine „umfassende Überarbeitung“ gefordert. Die Veröffentlichung hätte sich auf Ende Oktober verschoben und damit die größte Bühne der Branche verpasst, die Frankfurter Buchmesse. Das nahm Thilo Sarrazin freilich nicht hin und klagte schließlich – auf Schadensersatz von 800.000 Euro wegen Ruf- und Geschäftsschädigung. Man traf sich vor Gericht, das Verfahren läuft noch, der Richter hat einen Vergleich nahegelegt.

    Erschienen ist „Feindliche Übernahme“ nun trotzdem. Der Autor hat einfach einen anderen Verlag gefunden, den Münchner Finanzbuch Verlag, bei dem auch Bücher wie „Die Diesel-Lüge“, „Dunkelflaute – Warum sich Energie nicht wenden lässt“ und „Der Selbstmord Europas“ erschienen sind. Dort sieht man Sarrazins Werk auch anders: „Er zeigt, dass sich der Entwicklungsrückstand und die ungelösten Probleme der islamischen Länder zum großen Teil von Kultur und Gesellschaft durch den Islam ergeben.“ Wer „Feindliche Übernahme“ liest, stellt fest, dass das doch ziemlich defensiv formuliert ist.

    Das zeigt sich in den Schlussfolgerungen nach 425 Seiten (plus Anhang). Sarrazin schreibt: „Bei unveränderter Dynamik und unveränderter Einwanderung ist der Islam in Deutschland und Europa langfristig auf dem Weg zur Mehrheitsreligion.“ Und: „Mehrheitsislam und eine freiheitliche Gesellschaft schließen sich offenbar aus.“ Darum Forderung eins: „Man muss verhindern, dass sich das demografische Gewicht der Muslime in Deutschland und Europa weiterhin durch Einwanderung und Geburtenreichtum kontinuierlich verstärkt. Deshalb muss man die Einwanderung von Muslimen grundsätzlich unterbinden und falsche Anreize im Sozialsystem beseitigen.“

    „Offenbar“ wird die Unvereinbarkeit von „Mehrheitsislam und freiheitlicher Gesellschaft für Sarrazin durch seine vorhergegangenen Analysen von statistischen Erhebungen, Studien, Experten – und eigene Lektüren. Denn sein Weg in „Feindliche Übernahme“ beginnt mit einer Lektüre des Korans. Dem entnimmt er die Charakteristika des Hasses gegenüber Ungläubigen, der Bildungs- und Fortschrittsfeindlichkeit, der Vorrang der Religion vor Politik, der Frauenunterjochung und des Ziels der Unterwerfung anderer Länder. Wie diese die muslimisch geprägten Länder formten und sich zudem auch durch Einwanderung in den Westen, Europa und vor allem Deutschland fortsetzten, ist sein weiteres Programm – samt Gewaltbereitschaft, Unwillen zur Integration, Entstehung von Parallelgesellschaft und Kinderreichtum gerade der ungebildeten Schichten.

    Thilo Sarrazin über Frauen mit Kopftuch: "Opfer einer Gehirnwäsche"

    Zwar weist Sarrazin daraufhin, dass sein bevorzugtes Mittel der statistischen Analyse keine Schlüsse auf das Individuum zulässt und Einzelfälle zeigten, dass auch für einen Muslim Aufklärung möglich ist. Aber Frauen mit Kopftüchern hält er immer für „Opfer einer Gehirnwäsche“. Und der fortschritts- und freiheitsfeindliche Kern des ja immer fundamentalistischer auftretenden Islam dürfe durch den Blick auf Nebenerscheinungen nicht verloren gehen, siehe: „Den Umfragen zufolge glaubte ein großer Teil der Deutschen noch viele Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, dass der Nationalsozialismus im Prinzip eine gute Sache war, nur die Ausführung sei schlecht gewesen.“

    Polemisch? Ist Sarrazin vor allem, wenn es um seine Debatten-Gegner geht: „Für viele Linke und Liberale in den Gesellschaften des Westens, aber auch für viele Vertreter des Christentums besteht die Faszination der Einwanderung von Muslimen offenbar darin, dass Sitten, Traditionen und die Machtverhältnisse der als glaubenslos und materialistisch empfundenen westlichen Gesellschaften infrage gestellt werden und die Legitimität des abendländischen Projekts mitsamt Marktwirtschaft und Leistungsorientierung untergraben wird.“

    Sarrazin fordert "kein Kopftuch an der Schule"

    Für die Debatte indes liefert er reichlich Stoff. Er sieht durchaus: „Die vernünftigste Lösung wäre eine Aufhebung der Unterschiede durch Vermischung der Ethnien.“ Bloß sei diese von einwandernden Muslimen in aller Regel gar nicht gewollt. Darum plädiert der Autor angesichts der drohenden „Feindlichen Übernahme“ auch für feste Prinzipien. Etwa: Der Islam dürfe nicht unter den Schutz der Religionsfreiheit fallen, wenn er doch wesentlich politische Ideologie sei. Oder: „Selbstvergewisserung der deutschen und europäischen Identität“; „Befreiung der Einwanderungspolitik von Ideologie und Wunschdenken“; „Reform der Flüchtlings- und Asylpolitik“; „die Integrationspolitik muss entmystifiziert werden, dazu gehört auch die Einsicht in ihr Scheitern“; „die Bildungspolitik muss kulturelle Assimilation unterstützen und auf Integration durch Leistung setzen“; „kein Kopftuch an der Schule“; „über den Islam und die Muslime in Deutschland und Europa muss transparent, offen und vollständig geredet werden“…

    Und Thilo Sarazin zitiert den Journalisten Marco Stahlhut: „Wer aber vom Islamismus nicht reden mag, sollte auch vom Rechtspopulismus schweigen.“ Er selbst aber redet sehr viel vom Islamismus (von dem Linke und Liberale nicht einsehen wollten, dass es ihn ohne den Islam nicht gebe) – Sarrazin schweigt jedoch zum Rechtspopulismus.

    Thilo Sarrazin: Feindliche Übernahme – Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht. FinanzBuch Verlag, 450 S., 24,99 Euro.

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