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Kommentar: 80 Jahre nach Ausbruch des 2. Weltkriegs: Wir müssen uns erinnern – immer wieder!

Kommentar

80 Jahre nach Ausbruch des 2. Weltkriegs: Wir müssen uns erinnern – immer wieder!

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    Hausruinen in der polnischen Hauptstadt Warschau im Jahre 1945.
    Hausruinen in der polnischen Hauptstadt Warschau im Jahre 1945. Foto: Pras (dpa)

    Dieser Leitartikel muss mit einem Geständnis beginnen. Wir hätten den Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges um ein Haar vergessen. Gerade noch rechtzeitig erinnerte ein Mitglied unserer Chefredaktion daran, dass das 80. Gedenken unmittelbar bevorstand. Man kann dieses Versäumnis peinlich finden (und das ist es uns auch). Man kann es aber auch ziemlich beruhigend finden – zeigt sich doch daran, dass Gedanken an Krieg, gar an Weltkriege gerade ziemlich weit weg sind.

    Die Grausamkeit des Zweiten Weltkriegs führte zu Einsicht und Frieden

    Und es stimmt ja: Wir leben in Deutschland, in Europa in herrlich friedlichen Zeiten (für andere Teile der Welt, daran sei erinnert, gilt dies freilich nur sehr eingeschränkt). Jener Weltenkrieg, der buchstäblich alles änderte, der rund 60 Millionen Menschen das Leben kostete, war so ungeheuerlich, so brutal, so total auch in der Niederlage für uns Deutsche, dass er ausgelöst hat, was geschichtliche Fehler zuvor selten auslösten: Einsicht. Für uns Deutsche natürlich, die wir froh genug sein durften, nach unseren ungeheuerlichen Verbrechen überhaupt – und dann noch so schnell – wieder in die Gemeinschaft zivilisierter Völker aufgenommen zu werden. Aber auch für die Europäer, die ein Friedensprojekt starteten, das es so in der Weltgeschichte noch nie gegeben hatte: das Zusammenwachsen eines ganzen Kontinents.

    So erfolgreich verlief die deutsche Resozialisierung, dass deutsche Soldaten heute keine Angst und keinen Schrecken mehr auslösen. Im Gegenteil: Man will mehr von ihnen. Kurz vor dem Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen – denn damit begann ja dieses Verhängnis namens Zweiter Weltkrieg – hat der polnische Ministerpräsident höhere deutsche Verteidigungsausgaben gefordert. Das hat vor einigen Jahren der polnische Außenminister ähnlich formuliert, als er sagte, er fürchte nicht deutsche Macht, sondern deutsche Untätigkeit. Er wollte, dass Deutschland in Europa mehr führt.

    Wir erleben in vielen Ländern einen Krieg gegen die Demokratie

    Aber kann deshalb auch die Erinnerung an deutsche (Kriegs-)Verbrechen und zugleich an stete Kriegsgefahr aufhören? Ganz gewiss nicht. Denn es gibt ja Gründe, warum etwa das Buch „Sleepwalkers“ über jene Politiker, die wie Schlafwandler in den Ersten Weltkrieg torkelten, zuletzt häufig als Vergleich für die aktuelle politische Situation herangezogen wurde. Auch derzeit haben viele Menschen das Gefühl, dass Politik keine Lösungen schafft, sondern eher Probleme heraufbeschwört. Die Leichtfertigkeit ist beängstigend, mit der etwa ganze „Handelskriege“ per Tweet angezettelt werden oder potenzielle politische Katastrophen wie ein harter Brexit für Machtspiele in Kauf genommen werden.

    Zugleich ist besorgniserregend, wie sehr gerade in Deutschland ernsthafte Debatten über Außen-und Sicherheitspolitik an Bedeutung verloren haben. Wie peinlich ist es, dass ausgerechnet ein „Vordenker“ wie Donald Trump Versäumnisse der deutschen Sicherheitspolitik ansprechen muss? Sind wir uns unseres Friedens einfach zu sicher, weil wir diese Debatten eben nicht führen?

    Es stimmt ja: Demokratien erklären sich höchst selten den Krieg. Aber wir erleben zumindest in Teilen der Welt einen Krieg gegen die Demokratie – ein Krieg von innen, gegen demokratische Institutionen und Prozesse. Das kann, gepaart mit autokratischen und nationalistischen Tendenzen, in vielen Hauptstädten durchaus zu einer neuen Unberechenbarkeit, zu einer neuen Kriegslust führen. Wir müssen wachsam bleiben – und wir müssen wehrhaft bleiben, wenn es um die Verteidigung eben dieser Demokratie geht. Wie lautet das Sprichwort? „Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“

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