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Notfallplan: Unbezahlte Mehrarbeit an Schulen: Jetzt wehren sich die Lehrer

Notfallplan

Unbezahlte Mehrarbeit an Schulen: Jetzt wehren sich die Lehrer

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    Der Lehrermangel trifft die Schulen immer deutlicher.
    Der Lehrermangel trifft die Schulen immer deutlicher. Foto: Seidel, dpa

    Den Unterschied zwischen Tag und Nacht kennt in der Münchner Zentrale der größten bayerischen Lehrervertretung gerade kaum noch jemand. Rund um die Uhr müssen E-Mails beantwortet werden. Wütende, entsetzte, verzweifelte. Seit Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) am Dienstag seinen Notfallplan gegen den Lehrermangel angekündigt hat, gibt es beim Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) nur noch Großkampftage. Auf den Lehrerplattformen in den sozialen Netzwerken lesen sich die Reaktionen genauso fassungslos. Manche Lehrkräfte überlegen sogar, gleich alles ganz hinzuwerfen.

    Dabei soll der Krisenplan aus dem Ministerium doch dazu dienen, die Lücken in den Klassenzimmern zu füllen, statt sie weiter aufzureißen. Schon ab Herbst könnten an Grund-, Mittel- und Förderschulen 1400 Stellen offen sein, wenn man jetzt nichts unternehme, hatte der Minister am Dienstag gewarnt. Grundschullehrer sollen deshalb ab September pro Woche eine Unterrichtsstunde mehr halten. Teilzeitkräfte müssen an Grund- und Mittelschulen mindestens 24 Stunden arbeiten, an Förderschulen 23. Außerdem dürfen sie erst im Alter von 65 Jahren vorzeitig in den Ruhestand gehen, ein Jahr später als bisher. Ein Jahr Auszeit, ein sogenanntes Sabbatical? Geht auf unbestimmte Zeit auch nicht mehr.

    BLLV: Zu wenig Wertschätzung für die Arbeit der Lehrkräfte

    Schon werden die ersten Rufe nach Gegenwehr laut. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Unterfranken will noch im Januar demonstrieren, Mitglieder erwägen Dienst nach Vorschrift oder drohen damit, Klassenfahrten nicht mehr zu begleiten.

    Im BLLV sind 60.000 bayerische Lehrer organisiert. Wenn also die Vorsitzende Simone Fleischmann mit „drastischen Protesten“ droht, dürfte es dem Kultusminister doch ein wenig mulmig werden. Aber vorerst wolle man abwarten, sagt Fleischmann. Sie hofft, dass nach den „knallharten Notfallmaßnahmen“ ein „Signal der Entlastung und Wertschätzung“ für die Lehrer kommt – die Möglichkeit zum Beispiel, vereinfachte Zeugnisse zu schreiben oder externe Evaluationen des Unterrichts eine Zeit lang auszusetzen.

    An der Diskussion um die Sondermaßnahmen nervt Fleischmann eins noch ganz besonders: „Wenn jemand sagt, wir Lehrer wollen einfach nicht arbeiten. Das ist purer Unsinn.“ Ihrer Ansicht nach fehle aber „seit Jahren die Wertschätzung“ für Lehrer, ständig hätten sie in den vergangenen Jahren immer mehr Aufgaben „on top“ bekommen, also zusätzlich übernehmen müssen.

    Mittelschulleiterin wünscht sich Ausnahme für ältere Lehrer

    Die GEW Bayern hat noch eine weitere Idee, wie man den akuten Lehrermangel angehen könnte. Die Gewerkschafter fordern, den Stundenplan für Schüler vorübergehend zu reduzieren. Auch die Grünen im Landtag setzen sich dafür ein, die „Stofffülle“ zu reduzieren, solange nicht genug Lehrer da sind.

    Sigrid Puschner verwaltet seit Jahren den Mangel. Sie leitet die Mittelschule Gersthofen (Kreis Augsburg) und hält nichts davon, bei den Schulstunden zu kürzen. „Das fände ich nicht gut. Unsere Kinder brauchen die Lern- und Übungszeit.“ Außerdem sei zuletzt „schon genug gekürzt“ worden. Doch auch Puschner befürchtet, dass Piazolos Notfallplan mehr Ausfälle bringt, statt etwas gegen den Lehrermangel zu tun. „Wenn man älteren Kollegen ihre Teilzeitwünsche verwehrt und sie zwingt, 24 Stunden pro Woche zu arbeiten, dann werden manche das gesundheitlich nicht lange schaffen.“ Es wäre wichtig, zumindest die Ü-60-Jährigen von der Regelung auszunehmen. Denn: „Das geht alles auf Kosten meiner Lehrer.“

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