Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Debatte: SPD-Spitze kann Hoffnung der Enttäuschten nicht erfüllen

Debatte

SPD-Spitze kann Hoffnung der Enttäuschten nicht erfüllen

    • |
    Das SPD-Spitzenduo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans hatte die SPD-Wahl nicht zuletzt mit Anti-GroKo-Parolen gewonnen.
    Das SPD-Spitzenduo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans hatte die SPD-Wahl nicht zuletzt mit Anti-GroKo-Parolen gewonnen. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Es blieb bei einer Drohung. Mal wieder. Die neuen SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans hatten die Union wegen des Tabubruchs von Erfurt mit dem großen Knall unter Druck gesetzt – im Raume stand das Platzen der Regierung. Doch die Große Koalition werkelt weiter, nachdem sich der politische Sturm der letzten Tage gelegt hat. Esken und Walter-Borjans konnten die Möglichkeit nicht nutzen, die sich ihnen so plötzlich bot. Das lag vor allem am Agieren der Kanzlerin, die ihr Regierungsbündnis retten wollte.

    Angela Merkel riss das Krisenmanagement an sich als wäre sie noch Regierungschefin und Parteivorsitzende der CDU zugleich. Sie gab der SPD beim Nottreffen der GroKo-Führungsriege alles, was diese verlangte. Sie wollte verhindern, anderthalb Jahre vor ihrem Abschied vorzeitig aus dem Kanzleramt zu fliegen oder sich als Chefin einer Minderheitsregierung durchschlagen zu müssen. Bei der Aktion Schadensbegrenzung stellte Merkel ihre Wunschnachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer auf das Abstellgleis, weil ihr zuvor die Situation in Erfurt entglitten war.

    Kemmerich erklärte seinen sofortigen Rücktritt

    Das SPD-Führungsduo bekam von der CDU den Kopf von Thüringens Kurzzeit-Ministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP) und den Kopf des Ostbeauftragten der Bundesregierung, Christian Hirte. Kemmerich erklärte unmittelbar nach dem Krisengespräch von Schwarz-Rot seinen sofortigen Rücktritt, nachdem er am Vorabend noch das Gegenteil verlautbart hatte. Union und SPD hatten über Bande gespielt und FDP-Chef Christian Lindner deutlich gemacht, dass Kemmerich sofort entfernt gehört. Der angeschlagene Lindner tat, wie ihm geheißen.

    Der Ostbeauftragte hatte dem mit Stimmen der AfD gewählten FDP-Politiker gratuliert, was ihm zum Verhängnis wurde. Merkel setzte den aus Thüringen stammenden Hirte vor die Tür. Er kam einer Demütigung zuvor, indem er selbst seinen Rücktritt einreichte.

    Für die zwei SPD-Vorsitzenden ist es ein Erfolg, die CDU auf ihre Linie gebracht zu haben. Der Flurschaden bei den Christdemokraten ist groß, denn vor Ort in Thüringen fragen sich viele CDU-Mitglieder, ob wie früher zu DDR-Zeiten alles dem Kommando der Berliner Zentrale zu folgen habe. Weil die Staatsaffäre in Thüringen noch lange nicht ausgestanden ist, kann die SPD die CDU bei kommenden Gelegenheiten weiter vor sich her treiben. Wegen ihrer langen Geschichte des Widerstands gegen Nationalisten und Nationalsozialisten sehen die Genossen eine klare moralische Überlegenheit auf ihrer Seite. Esken und Walter-Borjans können das weiter zu ihrem Vorteil nutzen. Bis zu den jüngsten Turbulenzen hatten sie wenig auf der Habenseite vorzuweisen. In einem Interview mit derBild am Sonntag räumten sie ein, dass in den vergangenen zwei Monaten seit ihrer Wahl durch den SPD-Parteitag zu vieles holterdiepolter ging.

    Minister und Mandatsträger sitzen am längeren Hebel

    Beide mischten sich in viele Themen ein und agierten teilweise unglücklich, wie zum Beispiel nach den Krawallen in Leipzig während der Silvesternacht. Allerdings entfernen sich Walter-Borjans und Esken immer mehr von dem überragenden Ziel, warum sie die knappe Mehrheit der Genossen im Mitgliederentscheid eigentlich gewählt hat. Die Außenseiter sollten die Partei aus der Koalition mit CSU und CDU führen. Doch sie scheiterten an Ministern, Mandatsträgern und Funktionären, die um ihre Posten fürchten – das Duo wurde recht schnell eingenordet. Die klare Haltung im Eklat um die Kemmerich-Wahl hat der SPD noch nichts an Zustimmung gebracht, wie die neuesten Umfragen zeigen.

    Würde am Sonntag gewählt, bekämen die Sozialdemokraten katastrophale 14 bis 15 Prozent. Die Hoffnung, dass die Wähler eine fleißige Regierungsarbeit schätzen würden, hat sich nicht erfüllt. Weil die Zeit bis zum regulären Wahltermin im Herbst nächsten Jahres schwindet, gewinnt das Argument der GroKo-Befürworter an Gewicht, dass der Bruch ein zu hohes Risiko sei und die SPD noch mehr Stimmen kosten würde.

    Lars Klingbeil arbeitet an einer „professionellen“ Wahlkampagne 

    Die Doppelspitze hat sich damit abgefunden, dass sie die Hoffnung der Enttäuschten nicht erfüllen können. Am Sonntag und Montag berät die Parteispitze bei einer Klausur schon einmal den Wahlkampf für die nächste Bundestagswahl. Generalsekretär Lars Klingbeil erklärte, dass die Partei nicht wie bei den vergangenen zwei Wahlen in die Kampagne „hineinstolpern“ soll und deshalb „professionell“ geplant werden müsse. Das ist genau das Gegenteil davon, aus der Großen Koalition auszusteigen und binnen Wochen einen Wahlkampf aus dem Boden zu stampfen. Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans waren als wandelnde GroKo-Bedrohung angetreten. Doch Drohungen stumpfen ab, werden sie als Mittel zu oft eingesetzt.

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden