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Kommentar: Es geht nicht um die Höhe des Rundfunkbeitrags!

Kommentar

Es geht nicht um die Höhe des Rundfunkbeitrags!

Daniel Wirsching
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    Der Rundfunkbeitrag könnte von 2021 an um 86 Cent steigen.
    Der Rundfunkbeitrag könnte von 2021 an um 86 Cent steigen. Foto: Arno Burgi, dpa (Symbol)

    Die Debatte über die Höhe des Rundfunkbeitrags ist einigermaßen bizarr. Er soll von 2021 an von 17,50 Euro pro Monat und Haushalt auf 18,36 Euro erhöht werden – es ist die erste Erhöhung seit 2009. 2015 war er sogar von 17,98 Euro auf eben 17,50 Euro gesenkt worden. In all den Jahren seit – ich wiederhole: 2009 – gab es in anderen Bereichen völlig andere Preissteigerungen.

    Nein, es geht Kritikern nicht in erster Linie um die Höhe des Beitrags für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, den Haushalte seit 2013 zu zahlen haben. Und wer wider besseres Wissen im Jahr 2020 noch immer von „Rundfunkgebühren“ und „Gebühreneinzugszentrale“ (GEZ) spricht, entlarvt und disqualifiziert sich ohnehin selbst.

    Es geht um viel mehr: die Akzeptanz und Existenzberechtigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

    Die Unzufriedenheit über Programm und Programmauftragserfüllung ist groß und umfasst einen breiteren Teil der Bevölkerung als den der erklärten Feinde von ARD, ZDF und Deutschlandradio. Das macht die „Kritik“ rechter Ideologen, Populisten, Verschwörungstheoretiker und Hetzer auch so erfolgreich: Sie können an etwas andocken.

    Zu beobachten ist: Ihre Attacken haben eine Wirkung, ihr Gift wirkt. Und das kann schnell zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem werden. Spätestens wenn die Unabhängigkeit öffentlich-rechtlicher Sender – und die der freien Presse – beschnitten wird, gerät unweigerlich die Demokratie in Gefahr. Die Beispiele dafür häufen sich in aller Welt.

    Populisten haben den „Staatsfunk“ zum Feindbild erklärt

    Das „Feindbild-Karussell“, wie es die Publizistin Liane Bednarz nennt, läuft während der aktuellen Debatte über die Höhe des Rundfunkbeitrags gerade wieder auf Hochtouren. Es erfährt neuen Schwung bei jeder noch so kleinen „Verfehlung“ von Moderatoren oder Intendanten. Umgehend folgt die Skandalisierung via Twitter, Facebook oder neurechter Medien. Sie begleitete zuletzt die Berichterstattung zur Wahl in Hamburg. „Trotz massiver #GEZ-Propaganda gegen unsere konservative Bürgerpartei bleiben wir DRIN in der Hamburgischen Bürgerschaft“, twitterte etwa AfD-Chef Jörg Meuthen. Das ist Propaganda. Die zugrunde liegende Fundamentalkritik lautet dabei stets:ARD, ZDF und Deutschlandradio seien „links-grün versiffter“ „Staatsfunk“ mit „Erziehungsprogramm“; viele Bürger fühlten sich nicht objektiv informiert.

    Täglich dreht sich das Feindbild-Karussell: „Montags ,Islamisierung‘, dienstags ,Genderwahn‘, mittwochs ,Lügenpresse‘, donnerstags ,Kanzlerdiktatorin Merkel‘, freitags ,Staatsfunk‘ aka ,GEZ-Medien‘, samstags ,Bevölkerungsaustausch‘, sonntags ,Dekadenz‘. Und dann fängt die neue Woche an und es geht von vorne los“, so Bednarz.

    Kritik an ARD und ZDF kommt nicht nur aus der völkisch-nationalistischen Ecke

    Nun ist Kritik nichts Verwerfliches. Zu Recht müssen sich öffentlich-rechtliche Sender einiges vorwerfen lassen. Doch insbesondere im Fall der permanent wiederkehrenden Kritikpunkte, die eben nicht allein aus der völkisch-nationalistischen Ecke kommen, könnten und müssten sie und die hierfür zuständige Landespolitik endlich aktiv werden. Dabei würde es sich nicht um ein Einknicken vor den „Rechten“ handeln, sondern um überfällige Reformen, die Programm und Glaubwürdigkeit der Öffentlich-Rechtlichen zugutekämen:

    Abschaffung der Werbefinanzierung (ähnlich wie bei der BBC in Großbritannien), Reduzierung der Anzahl von Radio- und TV-Kanälen, grundlegende Überarbeitung der Polit-Talkshows mit ihrer oft fragwürdigen Gästeauswahl und Themensetzung, Betonung der Nachrichten- und Recherchekompetenz durch Doku-Sendeplätze in der Hauptsendezeit, verstärkte Produktion von international vermarktbaren hochwertigen Dokumentationen, Serien, Filmen sowie eine größere Meinungsvielfalt bei den „Tagesthemen“-Kommentaren.

    ARD, ZDF und Deutschlandradio haben es durchaus selbst in der Hand zu zeigen, dass sie ihre Beitragsmilliarden wert sind.

    Lesen Sie dazu auch: Bye-bye BBC? Welche Pläne Johnsons Chefstratege mit dem Rundfunk hat

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