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Kommentar: Europa in der Corona-Krise: Jeder für sich - aber auch alle miteinander

Kommentar

Europa in der Corona-Krise: Jeder für sich - aber auch alle miteinander

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    Die Corona-Krise bedroht den europäischen Kontinent gesundheitlich, politisch, gesellschaftlich – und vor allem ökonomisch.
    Die Corona-Krise bedroht den europäischen Kontinent gesundheitlich, politisch, gesellschaftlich – und vor allem ökonomisch. Foto: Luciana Guerra/PA Wire/dpa

    Europa hat in Zeiten von Corona einen schweren Stand. Die Krise ist die Stunde der Nationalstaaten, meist sogar der Regionen. Deren Macher regieren, sie schützen ihre Bevölkerung, was ihre Aufgabe ist, sie verabschieden gigantische Hilfsprogramme, was richtig ist. Geht es überhaupt um Europa, dann oft in vorwurfsvollem Tonfall: dass "Brüssel" ja viel zu wenig helfe.

    Diese Neigung zur Krisen-Nabelschau ist verständlich, aber gefährlich. Wenn sich jeder selbst der Nächste ist, gerät das große Ganze aus dem Blick. Der gesamte europäische Kontinent ist so bedroht wie vielleicht nie seit dem Zweiten Weltkrieg, gesundheitlich, politisch, gesellschaftlich – und vor allem ökonomisch.

    Coronavirus schert sich nicht um Landesgrenzen oder Sprachbarrieren

    Schuld daran ist ein Virus, für das keiner etwas kann und das sich um Landesgrenzen oder Sprachbarrieren nicht schert. Es schlägt zufällig zu: Italien oder Spanien sind etwa stark betroffen, der Dauerkrisenstaat Griechenland bislang weit weniger.

    Deswegen ist richtig, dass jeder Staat nun selbst regelt, was lokal und national besser zu regeln ist, etwa die Ausgestaltung von Quarantäneregeln. Aber bleibt uns der Rest des Kontinents egal, handeln wir nicht viel weitsichtiger als die Brexit-Briten oder der "America First"-Präsident Donald Trump. Auch nicht viel klüger, denn Zahlen lügen ja nicht: Das Exportland Deutschland ist mit Abstand größter Gewinner eines intakten europäischen Binnenmarktes.

    Nicht nur Deutschland braucht ein gigantisches Wiederaufbauprogramm

    Nicht nur Deutschland braucht aber gerade ein gigantisches Wiederaufbauprogramm, wozu wir zum Glück die Mittel haben. Das brauchen auch Italien oder Spanien. Sie können sich das jedoch kaum leisten. Selber schuld, könnte man einwenden, hätten sie halt weniger Schulden machen und mehr Steuern zahlen müssen.

    Das stimmt im Prinzip. Die durch Niedrigzinsen gekaufte Atempause wurde zu halbherzig für Strukturreformen in der Eurozone genutzt. Nur helfen Prinzipien in außergewöhnlichen Krisen selten weiter. Auch in der Weltfinanzkrise 2008 war es nicht richtig, ausgerechnet Casino-Banker (darunter viele deutsche!) zu retten. Nötig war es trotzdem. Nun geht es nicht einmal um Pleitebanken oder Pleite-Politiker, sondern um Völker und Volkswirtschaften.

    Es muss nun um europäische Solidarität gehen

    Unsere Regierung sperrt sich gegen diese Debatte, weil sie so unpopulär ist. Aber zur Führung in Krisenzeiten gehört Ehrlichkeit. Bestehende Instrumente wie der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) werden nicht reichen, sollte eine große Volkswirtschaft wie Italien in Schieflage geraten. Die Strukturfehler der Europäischen Währungsunion sind zwar bekannt, doch nicht behoben. Niemand würde gegen US-Bundesstaaten wetten, weil die amerikanische Notenbank alles zusammenhält und es Ausgleichsmechanismen gibt. Regen sich aber Zweifel, ob ein Land aus der Eurozone herausbricht, lädt dies Spekulanten ein wie Blut im Wasser Haifische.

    Daher muss es nun um europäische Solidarität gehen: wenn nicht in so einer (unverschuldeten) Krise, wann dann? Dazu können kreative Lösungen gehören, etwa beim künftigen EU-Haushalt. Aber es muss auch um die Frage gehen, ob Coronabonds ausgegeben werden – mit denen sich besonders betroffene Staaten ohne Spekulationsaufschlag Kapital leihen können. Zeitlich begrenzt und krisenbezogen sind diese ein Notprogramm, nicht der Einstieg in europäische Umverteilung (auch wenn mancher Politiker im Süden davon träumt).

    Niemand mag diese Debatte gerade führen. Doch es mag auch niemand Corona. Wir Deutsche profitieren ganz besonders, wenn ganz Europa sich erholt. Das dürfen wir über unseren eigenen (großen) Probleme nicht vergessen.

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