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Bundespolitik: Hat Horst Seehofer sein Ministerium noch im Griff?

Bundespolitik

Hat Horst Seehofer sein Ministerium noch im Griff?

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    Horst Seehofer am Mittwoch vor der Sitzung des Bundeskabinetts: Der 71-Jährige macht mit viel Ruhe seine Arbeit, was ihm in den eigenen Reihen immer wieder Kritik einbringt.
    Horst Seehofer am Mittwoch vor der Sitzung des Bundeskabinetts: Der 71-Jährige macht mit viel Ruhe seine Arbeit, was ihm in den eigenen Reihen immer wieder Kritik einbringt. Foto: Michael Sohn, dpa

    Wenn Bundesinnenminister Horst Seehofer Gäste in seinem Büro empfängt, wird Neulingen zunächst die tolle Aussicht präsentiert. Von seinem Ministerium im Moabiter Werder genießt Seehofer einen schönen Blick auf Berlin, auch das Kanzleramt habe er fest im Visier, pflegt der CSU-Politiker gerne mal mit einem leisen Lachen anzumerken. Sobald der Bayer am Reden ist, tut er das gerne und mit Ausdauer. Es mutet fast ein wenig bizarr an, wenn es sich der Minister bei einer Tasse Tee in seinem Sessel gemütlich macht und stundenlang über die allgemeine Lage referiert, während um ihn herum auf rund 40.000 Quadratmetern Bürofläche das politische Leben tobt. Der 71-Jährige nimmt sich Zeit, gerne auch viel Zeit. Zeit, die ihm bei seinen Kernaufgaben fehlt, wie Kritiker meinen.

    Ein ranghoher CSU-Politiker rollt auf die Frage nach Seehofer vielsagend mit den Augen. Nicht wenige in der CSU-Landesgruppe, dem Zusammenschluss der christsozialen Bundestagsabgeordneten, sind enttäuscht von ihrem ehemaligen Parteivorsitzenden. Bei der letzten Landesgruppenklausur Anfang September hielten sie Ausschau nach Seehofer. Der ist zwar nicht Mitglied der Landesgruppe, sein Besuch war gleichwohl erwartet worden. Seehofers Nachfolger im Amt des bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden, Markus Söder, kam. Seehofer nicht.

    In der CSU wird bemängelt, dass Seehofer sich in der Fraktion rar macht

    Es komme nicht oft vor, dass sich Seehofer bei einer Sitzung der Unionsfraktion blicken lasse, beklagt ein anderer CSU-Abgeordneter. Auch hier gilt: Der Bayer ist kein Bundestagsabgeordneter und muss nicht dabei sein. Er könnte aber und seine Einschätzung zu Themen wäre vielfach erwünscht.

    Seehofer herrscht über eines der großen Ministerien in der Regierung Merkel. Allein am Dienstsitz Berlin kann er auf etwa 1300 Bedienstete zurückgreifen. Er hat zu seiner Unterstützung fünf beamtete und drei parlamentarische Staatssekretäre unter sich. „Das gab es noch nie“, sagt er stolz. Der dienstälteste Minister der Bundesregierung wollte und bekam ein Superministerium, das neben dem Innenressort – inklusive Sport – auch noch die Bereiche Heimat und Bau abdeckt. Oder zumindest abdecken sollte, denn vor allem bei den beiden letztgenannten geschieht nach Einschätzung vieler Beobachter zu wenig.

    Groß ist fraktionsübergreifend die Unzufriedenheit mit dem Bauminister Seehofer. Als Chef dieses Ressorts müsste er mit dem neuen Baugesetzbuch eines der wichtigsten politischen Vorhaben dieser Legislaturperiode vorantreiben. Die Novelle hat enorme Auswirkungen auf viele Lebensbereiche der Bürger. Es geht um Wohnungen, um Mietpreise, um die Innenstädte. Bis Weihnachten muss das neue Baugesetzbuch fertig sein, doch Union und SPD streiten noch heftig um Details. „Aus dem Bauministerium kommen einfach keine klaren Vorgaben“, stöhnt ein beteiligter CDU-Abgeordneter.

    Mitunter wurde er als „Heimathorst“ durch den Kakao gezogen

    Als „Heimathorst“ stand Seehofer schon zu Beginn seiner Amtsübernahme in der Kritik. Wie sollte jemand, der zuvor den Islam als nicht zu Deutschland gehörend abqualifiziert hatte, erfolgreich als Förderer des gesellschaftlichen Zusammenhalts auftreten können? Eine politische Definition des Heimatbegriffs ist Seehofer bis heute schuldig geblieben. Überliefert ist seine persönliche Ansicht: „Heimat ist ein sehr vielfältiger Begriff. Und ich finde, das ist gut so.“

    Es war Seehofers ausdrücklicher Wunsch, ein eigenes Heimat-Ressort zu schaffen. Jetzt muss er sich nach dem Sinn fragen lassen. Eine Trennschärfe zum Bereich Inneres und Migration gibt es nicht, alles geht irgendwie ineinander über.

    Beim Streit über die Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland zeigte Seehofer gleichwohl, was trotz fortgeschrittenen Alters und angeschlagener Gesundheit in ihm steckt. Gelassen ließ er die Kritiker tagelang reden und schaute aus seinem Büro amüsiert zu, wie sich Politiker aller Parteien mit Sendungsbewusstsein zur Schau stellten. Der Bayer bereitete derweil in aller Ruhe die Aufnahme von gut 1500 Flüchtlingen vor.

    Weil ihm diese Sache wichtig war, kam es dann auch zu einem seiner seltenen Auftritte vor der Bundestagsfraktion der Union. Seehofer habe sachlich und klar vorgetragen, berichten Teilnehmer. Seine präzisen Ausführungen hätten selbst letzte Zweifler überzeugt. Als CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus nach Seehofers Vortrag in die Runde blickte und wissen wollte, ob es noch Nachfragen gebe, hob sich nicht eine Hand. Die zuvor heftig umstrittene Aufnahme der Flüchtlinge war beschlossene Sache.

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