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Impfpflicht in Deutschland: Rechtlich möglich? Rechtliche Grundlagen

Corona-Pandemie

Kann die Politik eine Impfpflicht überhaupt anordnen?

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    Das Impfzentrum in Bad Wörishofen. Die Zahl der Erstimpfungen geht zurück.
    Das Impfzentrum in Bad Wörishofen. Die Zahl der Erstimpfungen geht zurück. Foto: Bernd Feil

    US-Präsident Joe Biden versucht es mit Zuckerbrot für die einen und der Peitsche für die anderen: Jeder, der sich jetzt gegen das Corona-Virus impfen lässt, soll 100 Dollar Belohnung bekommen. Für Millionen Mitarbeiter der Regierung, die noch nicht geimpft sind, wird es hingegen ungemütlich: Angestellte, die keinen Impfnachweis vorlegen können, sollen künftig stets eine Maske tragen müssen und ein bis zwei Mal pro Woche auf eine mögliche Infektion getestet werden. Sie werden in Bezug auf Dienstreisen zudem starken Beschränkungen unterliegen. Das Weiße Haus will mit den strengen Regeln Impfungen zur einzig bequemen Lösung machen - allerdings ohne dabei explizit auf eine politisch umstrittene Impfpflicht zu setzen.

    Deutlich weiter gehen da die Regierungen vieler europäischer Länder. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron setzte eine Impfpflicht für Mitarbeiter des Gesundheitswesens und der Pflege durch. In Griechenland muss bis zum 16. August das gesamte Personal in Pflegeheimen geimpft sein. In Großbritannien gibt es eine solche Auflage bereits. In Russland müssen Arbeitgeber in vielen Branchen nachweisen, dass mindestens 60 Prozent des Personals geimpft sind. In Italien wird freigestellt, wer im Gesundheitsbereich arbeitet und sich in diesem Jahr nicht impfen lässt.

    In Deutschland bleibt es bislang bei der politischen Debatte – früh hatte sich die Regierung festgelegt, dass es keine Impfpflicht geben sollte. Skeptikern sollte damit die Angst genommen werden, eine Impfpflicht schien der Bevölkerung kaum vermittelbar. Inzwischen aber scheint sich die Stimmung zu drehen. In einer Umfrage fand das Meinungsforschungsinstitut Civey für den Spiegel heraus: Eine knappe Mehrheit der Deutschen sieht eine verpflichtende Impfung gegen Corona positiv. 52 Prozent der Deutschen sind dafür; 43 Prozent sprechen sich dagegen aus. Besonders bei den Anhängern der Union ist der Wille zur Pflichtimpfung groß – 62 Prozent sprechen sich dafür aus, bei den SPD-Anhängern sind es sogar 65 Prozent, bei den Grünen-Anhängern immerhin noch 55 Prozent. Wähler von AfD und FDP sehen hingegen den politischen Zwang kritisch.

    Auch gegen Masern gibt es eine indirekte Impfpflicht

    Ganz neu ist das Thema Impfpflicht in Deutschland indes nicht. Zum Schutz vor den hoch ansteckenden Masern ist nach langer Diskussion seit dem 1. März 2020 eine Impfung unter anderem für Kinder in Kitas und Schulen verpflichtend. Eltern müssen nun vor der Aufnahme nachweisen, dass ihre Kinder geimpft sind. Auch die Betreuerinnen und Betreuer fallen unter diese Regelung. Allerdings liegen Verfassungsbeschwerden gegen diese Vorgabe vor, in diesem Jahr will das Bundesverfassungsgericht ein Urteil fällen, ob die indirekte Pflicht rechtmäßig ist oder nicht. Eilanträge wurden bereits abgewiesen. Die Begründung ist, dass „Impfungen gegen Masern (...) nicht nur das Individuum gegen die Erkrankung schützen, sondern gleichzeitig die Weiterverbreitung der Krankheit in der Bevölkerung verhindern (...). Auf diese Weise können auch Personen geschützt werden, die aus medizinischen Gründen selbst nicht geimpft werden können, bei denen aber schwere klinische Verläufe bei einer Infektion drohen“. Eine ähnliche Entscheidung hatte das Gericht bereits 1959 zu fällen. Damals gab es in Deutschland eine Impfpflicht gegen Pocken – die Richter bejahten auch damals die Rechtmäßigkeit. Erst im Jahr 1976 wurde die Pflicht zur Pocken-Impfung in Deutschland aufgehoben, 1979 erklärte die Weltgesundheitsorganisation die Pocken für ausgerottet. In der DDR gab es eine Impfpflicht gegen Pocken, Tuberkulose, Kinderlähmung und viele andere Krankheiten.

    Das sagt das Infektionsschutzgesetz

    Heute setzt das Infektionsschutzgesetz einer verpflichtenden Impfung enge rechtliche Grenzen - schließt sie aber auch nicht aus: Eine solche Pflicht kann von der Bundesregierung demzufolge nicht ohne weiteres angeordnet, sondern nur mit Zustimmung des Bundesrates, also von Bund und Ländern gemeinsam beschlossen werden – „für bedrohte Teile der Bevölkerung“, wie es in Paragraph 20, Absatz 6 heißt. Der Passus gilt bereits seit 2001 und ist kein Resultat der aktuellen Debatte um das Coronavirus. Verpflichtende Impfungen sind allerdings in besonderen Fällen zu rechtfertigen. Zwar heißt es in Artikel 2 des Grundgesetzes verstoßen: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“. Aber auch: „Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“ Die Hürden für eine allgemeine Impfpflicht sind allerdings damit auch sehr hoch. Das Stichwort lautet: Verhältnismäßigkeit.

    Die würde auch eingehalten werden müssen, wenn sich die Politik nicht zu einer allgemeinen Impfpflicht, wohl aber zu einer Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen entscheiden würde. Schon im Frühjahr hatten Betreiber von Altenheimen und auch andere Arbeitgeber gedroht, nur noch Geimpfte zu beschäftigen. Die Mitarbeiter der Internetriesen Google und Facebook in den USA müssen sich vor einer Rückkehr in die Büros gegen das Coronavirus impfen lassen. Das ist in Deutschland so einfach nicht – ohne gesetzliche Vorlage dürften Mitarbeiter allenfalls in andere Bereiche versetzt werden. Hinzu kommt: Der Arbeitgeber darf wohl seine Mitarbeiter gar nicht danach fragen, ob die geimpft sind, beziehungsweise diese hätten aktuell keine Pflicht das wahrheitsgemäß zu beantworten. Auskunftspflicht besteht laut Gewerkschaftsbund nur dann, wenn eine Impfung die zwingende Voraussetzung sei, eine Tätigkeit auszuführen. Unter andern könnte das für Beschäftigte in Kliniken und Pflegeheimen gelten. Viele juristische Details dürften aber noch zu klären sein.

    Ein Hotelier will nur noch für Geimpfte öffnen

    Ganz wesentlich für eine juristische Beurteilung der Impfpflicht ist zudem, ob eine Impfung nur dem Eigennutz dient oder der Gesellschaft. Dabei fällt der Blick auf die Impfstoffe: Können Geimpfte andere anstecken? Selbst das ist noch nicht abschließend geklärt. Ein Papier der US-Seuchenschutzbehörde deutet an, dass die Delta-Variante dazu geführt hat, dass sich die Wahrscheinlichkeit erhöht hat, dass Geimpfte andere anstecken. Auch deshalb drängt Präsident Biden seine Landsleute zum Griff zur Maske.

    Einen ganz anderen Tipp hatte kürzlich Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) parat. Sie erinnert Restaurants an die Möglichkeit, nur für Geimpfte zu öffnen. „Die Vertragsfreiheit ermöglicht privaten Anbietern wie Gastronomen eine weitgehend freie Gestaltung ihrer Angebote“, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Wer seinen Gästen einen besonderen Schutz anbieten will, kann deshalb auch Angebote machen, die sich nur an Geimpfte richten.“ Erste Betriebe machen von diesem Recht gebrauch. Christian Wolf, Geschäftsführer des Hotels „Obermühle“ in Garmisch-Partenkirchen, will ab Herbst nur noch Geimpfte empfangen. „Wir werden ab dem 1. Oktober nur noch geimpfte Gäste beherbergen – zum Schutz meiner Mitarbeiter, meiner Gäste und letztlich auch meines Unternehmens“, sagt Wolf der Bild am Sonntag.

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