„Und jeder, den die Sehnsucht quält, ganz einfach Rosis Nummer wählt.“ Kaum jemand hat das schmerzliche Verlangen nach etwas so plakativ beschrieben wie die Spider Murphy Gang. Ja, jeder kennt das Gefühl. Es schmeckt bittersüß, romantisch und schmerzhaft zugleich. Manchmal warten wir wehmütig auf eine Person, manchmal ist es ein Ort, auf den wir sehnsüchtig blicken.
Für viele Bayern ist die Destination der schmerzhaften Begierde, das steht nach dem bisherigen Andrang in der Volksfestsaison fest, das Bierzelt. Mekka des Prosits der Gemütlichkeit ist die Wiesn.
Corona oder Kater? Hauptsache Festzelt
Wegen der weltweiten Seuche wurden die Bierzelte und explizit das Münchner Oktoberfest in den vergangenen Jahren zu so einem Sehnsuchtsort stilisiert. Tatsächlich war es in der Corona-Kernzeit unerreichbar. Die Wiesngänger haben sich innerlich verzehrt. Das Verlangen nach überfüllten Bierzelten und überteuerten Maßen, nach Rausch und Umkehrung der Peristaltik nagte am Feierfan so gierig wie derselbe normalerweise am Hendlhaxn. Ein Gefühl der inneren Leere und Sinnlosigkeit des Lebens hatte sich breitgemacht in Bayern und der Welt drumherum.
Man kann das verstehen. Wenn es nämlich wirklich stimmt, dass es nach dem Ableben in dieser Welt weder im Himmel noch in der Hölle Bier, Hendl und Wiesnhits gibt, sondern nur fades Manna und geträllertes Hosianna, dann ist es durchaus verständlich, dass die Bayern quasi alle Nebenwirkungen eines Wiesnabends gelassen in Kauf nehmen, egal ob Kater oder Corona. Denn so einen unvergesslichen Bierzeltbesuch kann einem niemand mehr nehmen. Nur das Verlangen am nächsten Morgen ist ein anderes. Es ist die Sehnsucht nach einem Rollmops zum Katerfrühstück.