
Corona-Impfpflicht in der Pflege? Betroffene in Aichach-Friedberg sehen das kritisch

Plus Weil die Bereitschaft unerwartet niedrig ist, wird über eine Corona-Impfpflicht für Pflegekräfte diskutiert. Wie Betroffene in Aichach-Friedberg darüber denken.
Einen leichten Druckschmerz an der Einstichstelle habe sie gespürt, mehr nicht, sagt Claudia Kobarschik. Nach drei Tagen sei er weg gewesen, keine Nebenwirkungen. Die 49-Jährige ist medizinische Fachangestellte im Friedberger Krankenhaus und wurde als eine der Ersten gegen das Coronavirus geimpft. Freiwillig. Die Bereitschaft ist nicht bei allen so groß. Ministerpräsident Markus Söder fordert deshalb: Es muss über eine Impfpflicht für Pflegekräfte diskutiert werden. Wie wird das im Landkreis aufgenommen?
Claudia Kobarschik sagt: "Klar habe ich auch abgewogen.“ Aber für sie sei die Impfung eher ein Geschenk gewesen, "das ich sehr gerne angenommen habe.“ Auch die 49-Jährige hat Bekannte, die sich selbst im Moment lieber noch nicht impfen lassen. „Und das traust du dich?“, sei die häufigste Frage gewesen. Darauf antwortete sie immer und überzeugt mit "Ja“.
Ja gesagt zur Corona-Impfung haben bis Dienstag auch schon rund 360 Kollegen der Kliniken an der Paar in Aichach und Friedberg - das entspricht fast exakt der Hälfte des gesamten Personals in beiden Häusern. "Das Impfprogramm läuft in vollen Zügen", konstatiert Heiko Methe, medizinischer Leiter der Impfzentren im Landkreis Aichach-Friedberg und Chefarzt am Krankenhaus Aichach, im Gespräch mit unserer Redaktion. "Generell – und im Vergleich zu Meldungen aus Pflegeheimen – stellen wir eine hohe Impfbereitschaft in beiden Häusern der Kliniken an der Paar fest“, sagt Methe. „Und das durch sämtliche Mitarbeitergruppen.“
Chefarzt am Krankenhaus Aichach: Mitarbeiter haben Impfung gut vertragen
Dass die Impfbereitschaft insgesamt noch hinter den Erwartungen zurückbleibt, erklärt sich Methe zum einen durch eine "abwartende Haltung. Man schaut sich an, wie die Impfung bisher vertragen wird“. Andererseits gehe er davon aus, dass oft noch Bedenken vor Langzeit-Nebenwirkungen im Raum stünden. "Diese können durch die vorliegenden kurzfristigen Studienergebnisse auch nicht ausgeräumt werden.“ Alle Mitarbeiter der Kliniken haben ihre Corona-Impfung nach Methes Auskunft "ohne wesentliche Nebenwirkungen vertragen“. Der zweite Impftermin stehe jeweils noch aus.

Wie aber sieht es in den Pflegeheimen im Landkreis aus? Über 1100 Impfungen wurden dort, Stand Dienstag, schon verabreicht. Laut Pressesprecher Wolfgang Müller sind es vor allem Bewohner, die geimpft werden möchten. Bislang haben noch nicht alle Pflegeheime im Landkreis Besuch von Impfteams bekommen. Wo diese schon waren, haben sich 85 Prozent der Bewohner impfen lassen. Die Bereitschaft unter den Mitarbeitern ist niedriger. Sie liege je nach Einrichtung zwischen 50 und 85 Prozent, berichtet Müller. Doch das Landratsamt erwartet, dass sich sukzessive mehr impfen lassen werden. So manche Pflegekraft will erst Erfahrungen in Bezug auf mögliche Nebenwirkungen abwarten. "Dies scheint sich positiv zu entwickeln", so Müller.
Ist eine Impfpflicht nötig? Die Leiterin des Aichach-Friedberger Gesundheitsamtes Dr. Kirsten Höper findet: "Aus meiner Sicht muss eine Impfpflicht nicht sein, ich würde bevorzugen, mit Informationen die Menschen von den Vorteilen der Impfung zu überzeugen." Sie betont aber zugleich, sie halte es zum Schutze aller für wünschenswert, "wenn sich möglichst viele, die dort wohnen oder arbeiten, impfen lassen".
Pöttmeser Pflegeheimleiterin erteilt Impfpflicht klare Absage
Ein Beispiel: 110 Impfdosen sind am Sonntag im Caritas-Pflegezentrum St. Hildegard in Pöttmes verimpft worden - 60 davon an Bewohner, die weiteren an Mitarbeiter und Gäste der Tagespflege, wie Einrichtungsleiterin Andrea Neukäufer mitteilt. Am 31. Januar soll die zweite Impfung verabreicht werden. Die Impfbereitschaft unter den Bewohnern sei sehr hoch, berichtet Neukäufer. 90 Prozent von ihnen hätten eingewilligt.
Bei den Mitarbeitern dagegen sähen die Zahlen anders aus. Gut ein Drittel von ihnen habe sich bislang impfen lassen. Andere überlegten noch. Allerdings habe sich seit der ersten Impfung einiges getan. "Viele, die vorher gezweifelt haben, entschließen sich doch noch zur Impfung.“ Das Pflegezentrum will alle Mitarbeiter noch einmal anschreiben und ihnen die Impfung empfehlen. "Wir werden niemanden dazu zwingen“, betont Neukäufer. Sie erteilt einer Impfpflicht eine klare Absage: "Das geht nicht. Jeder Mensch soll selber entscheiden.“ Die Heimleiterin weiter: "Ich würde an die Vernunft und an die Freiwilligkeit appellieren.“
Krankenhausmitarbeiterin hält verständliche Kommunikation für unerlässlich
Eine Bewohnerin des Pöttmeser Caritas-Pflegezentrums war im Dezember nach einer Behandlung außerhalb des Heims positiv auf Covid-19 getestet worden und daraufhin im Krankenhaus gestorben. Mitarbeiter oder weitere Bewohner steckten sich Neukäufer zufolge nicht bei der betroffenen Bewohnerin an. An den aufwendigen Hygieneschutzmaßnahmen im Heim ändern jedoch auch die Impfungen in nächster Zeit nichts. Der größte Schutz seien weiterhin vor allem die FFP2-Masken, die ausreichend vorhanden seien, Kontaktminimierung und regelmäßiges Lüften, so Neukäufer.
Claudia Kobarschik hält eine verständliche Kommunikation für unerlässlich, um die Impfbereitschaft zu steigern. Die staatlichen Mitteilungen seien oft in schwieriger Sprache verfasst. Manchmal habe selbst sie als Fachkraft Schwierigkeiten damit. "Ich denke, dass es weniger Demonstranten gegen das Impfen gäbe, wenn sie verstehen würden, woraus der Impfstoff besteht und was er bewirkt“, sagt Kobarschik. Sie verfasste kurz nach ihrer Impfung einen Beitrag auf Facebook, erklärte den Vorgang und schrieb, dass sie sich nicht schlecht fühle. "Ich hatte mit negativen Kommentaren gerechnet“, sagt sie. Zu ihrem Erstaunen blieben sie aus. Stattdessen habe sie über 80 Daumen nach oben erhalten und sich über diese Resonanz sehr gefreut.
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