
Rettungsgassen werden in Aichach-Friedberg immer häufiger gebildet

Plus Rettungsgassen sind seit Jahren in Aichach-Friedberg und überregional Thema. BRK und Feuerwehren sind sich einig: Die Aufklärung zeigt Wirkung.
Oft passiert es fast unmerklich. Der Verkehr wird immer langsamer, irgendwann stockt er. Vielleicht ist irgendwo ja eine Baustelle? Oder eine fiese Ampelschaltung? Dann steht alles. Unfall. Weiter hinten im Stau ertönt das Martinshorn, es geht kaum vor oder zurück und erst recht nicht zur Seite. Keine Rettungsgasse. Der Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr in Aichach, Christoph Fischer, kennt solche Situationen gut. "Es passiert öfter, dass man aus seinem Einsatzwagen aussteigen und anfangen muss, die Autos hin- und herzuschicken wie auf dem Parkplatz", erzählt er. Aber er hat auch eine gute Nachricht: "Es ist weniger geworden."
Fischer sagt, die Verkehrswacht Aichach mache präventiv einen guten Job. Vielen Autofahrern sei inzwischen klar, wie wichtig eine Rettungsgasse für die Einsatzkräfte sei. Fast alle wissen auch, wie die Rettungsgasse funktioniert: Autos auf dem linken Fahrstreifen müssen nach links ausweichen, die Fahrer auf den übrigen Spuren nach rechts. "Aber man muss da am Ball bleiben und versuchen, alles zu erreichen", sagt Fischer. "Wenn sich 90 Prozent dranhalten, ein paar aber nicht, ist das schon ein Riesenproblem." Ein weiteres Problem seien Lastwagen. Trotz Rettungsgasse werde es für die großen Feuerwehrautos eng, wenn zwei Lastwagen nebeneinander- stünden. "Ab und an kostet es mal einen Spiegel", erzählt Fischer.
Feuerwehr Adelzhausen zu Rettungsgassen: "Es ist noch lange nicht gut"
Fischer verweist aber darauf, dass die Aichacher Feuerwehr seltener mit Rettungsgassen zu tun habe, als beispielsweise die Adelzhauser Kollegen, die regelmäßig auf die Autobahn fahren. Christoph Schmaus, Zweiter Kommandant in Adelzhausen, teilt allerdings Fischers Ansicht: "Es ist besser geworden", sagt er. "Aber es ist noch lange nicht gut." Der Feuerwehrler erinnert daran, dass ab einer Geschwindigkeit von 60 Kilometern pro Stunde auf der Autobahn eine Rettungsgasse gebildet werden sollte. "Meistens warten die Autos, bis sie stehen, und können dann nicht wegfahren", so Schmaus. Ein weiteres Problem sei, dass bei langsamem Verkehr die Rettungsgasse häufig hinter den ersten Einsatzkräften wieder geschlossen werde. Nachrückende Rettungskräfte kämen dadurch nur langsam durch.
Auch der Leiter der BRK-Rettungswache Friedberg, Christian Eisebraun, betont, dass sich immer mehr Leute an die Rettungsgasse hielten. Oft sei es nicht zwangsweise die Schuld der Autofahrer, wenn es nicht gleich klappt. "Zum Beispiel an einer Ampel mit mehreren Spuren müssen sich die Leute kurz orientieren. Da ist nicht immer ganz klar, wo sie hinfahren sollen", sagt er. Auch komme es durch die gut isolierten Wagen und laute Musik aus dem Radio vor, dass Autofahrer erst spät das Martinshorn hören. Eisebraun ist sich sicher: "Die Leute haben Verständnis und versuchen meist, Rettungsgassen zu bilden."
Hannes Stiegler, Polizeihauptkommissar im Sachgebiet Verkehr der Inspektion Aichach, erzählt, dass die Leute häufig gerade deswegen falsch reagierten, weil sie es gut meinten. Wenn sie das Martinshorn hörten, seien viele überfordert und wollten ja nichts falsch machen. "Einige bremsen, bleiben stehen und das ist für uns kontraproduktiv", sagt Stiegler. Die Autofahrer müssten freie Bahn für die Einsatzkräfte schaffen. Da sei es manchmal besser, etwas schneller zu fahren - bis zu einer Stelle, bei der der Fahrer rechts ranfahren kann. "Wenn Rettungskräfte kommen, ist es auch mal zulässig, dass ich über eine rote Ampel fahre, solange dadurch niemand gefährdet wird", erklärt Stiegler. Für Fahrer, die sich informieren wollen, habe die Inspektion Flyer und Aufkleber zur Rettungsgasse. Er erinnert daran, dass nicht nur auf der Autobahn, sondern auch in der Stadt bereits bei stockendem Verkehr eine Rettungsgasse gebildet werden sollte. "Man weiß ja nicht, was da vorne los ist", sagt er.
Rettungsgassen in Aichach-Friedberg: Dunkelziffer ist wohl hoch
Wie oft Rettungsgassen blockiert werden, ist schwer herauszufinden. Weder Feuerwehren noch Rettungssanitäter führen Statistiken. Ein Sprecher des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) erklärt auf Nachfrage, dass im Moment des Einsatzes keine Zeit sei, noch Statistiken zu führen. Wer keine Rettungsgasse bildet, dem drohen allerdings ein Bußgeld von mindestens 200 Euro, zwei Punkte in Flensburg und ein Fahrverbot von einem Monat. Das Bayerische Polizeiverwaltungsamt (PVA) ist grundsätzlich für die Verfolgung und Ahndung solcher Verkehrsordnungswidrigkeiten zuständig. 2019 wurden bayernweit 344 Autofahrer und 2020 (Stand 23. November) 195 Autofahrer belangt, weil sie keine Rettungsgasse bildeten.
Allerdings ist laut PVA die Dunkelziffer hoch. Ein Sprecher erklärt, die Priorität der Rettungsdienste sei es, schnell zum Unfall zu gelangen. Die eintreffende Polizei müsse die Unfallstelle absichern, weitere Unfälle wegen Staubildung verhindern und die schnellstmögliche Bergung der verletzten oder getöteten Personen unterstützen. "Personalien festzustellen, ist zweitrangig", sagt der Sprecher. Die zusätzlich niedrigen Zahlen im Jahr 2020 könnten durch die Corona-Pandemie beeinflusst sein, vermutet der Sprecher. Schließlich sind durch Lockdown und Homeoffice weniger Autos auf den Straßen und es kam heuer daher seltener zu Unfällen.
Mit einer Rettungsgasse ist der Stau schneller vorbei
Aichachs Feuerwehrkommandant Christoph Fischer hat einen Tipp für Autofahrer: "Mehr denken beim Autofahren würde nicht schaden." Wenn andere Verkehrsteilnehmer auf die Seite führen, solle man das vielleicht auch machen, sagt Fischer. Alle wüssten eigentlich über die Rettungsgasse Bescheid, würden nur nicht immer daran denken. Dabei sei das im Interesse aller Beteiligten. Eine Rettungsgasse helfe nicht nur den Verletzten: "Prinzipiell ist dann der Stau schneller vorbei."
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