
AN-Jahresglosse: Was 2021 im Wittelsbacher Land garantiert nicht passiert - oder doch?

Plus Wir sagen wieder augenzwinkernd voraus, welche Entwicklungen in den nächsten zwölf Monaten im Landkreis Aichach-Friedberg garantiert (nicht) eintreffen. Die Realität war oft schon absurder.
Das Wittelsbacher Land ist und bleibt eine Wundertüte. Dass diese fast schon traditionelle Standardfloskel zutrifft, beweist der obligatorische Rückblick am Neujahrstag in unsere AN-Jahresglossen der Vorjahre. Danach lässt sich unbewiesen verbreiten, dass die absurdesten Voraussagen von der Realität rechts und links überholt werden und die unglaublichsten Geschichten sowieso das Leben schreibt. Wer auf 2020 blickt, muss da einfach zustimmen. Seit der Jahrtausendwende sagen wir mit einem Augenzwinkern voraus, was in den nächsten zwölf Monaten garantiert nicht eintrifft und worüber wir heuer mit großer Sicherheit nicht berichten müssen. Glauben wir zumindest. Aber glauben heißt halt nicht wissen, und es gilt, was unser Journalisten-Kollege Marc Twain einst in bester Valentin-Manier prognostizierte: „Voraussagen sind immer dann besonders schwierig, wenn sie die Zukunft betreffen.“ Unsere Jahresglosse ist übrigens einigen der Hauptakteure so lieb geworden, dass sie enttäuscht nachfragen, wenn sie nicht erwähnt werden…
Januar
Das Jahr beginnt mit einem Eklat: Patrick Kügle kommt mit Maske zunächst unerkannt zur Stadtratssitzung und setzt sich dann, als sein Nachfolger Axel Kern zur Vereidigung aufstehen will, flugs auf seinen Sitz: „Weggegangen – Platz gefangen.“ Seine Begründung für die Aktion: Er sei nach langer Überlegung der festen Überzeugung, dass er nach wie vor Stadtrat sei. Er habe ja damals seiner eigenen Mandatsniederlegung gar nicht zustimmen können: „Das ist demokratisch fragwürdig.“ Und er sei „sehr, sehr, sehr skeptisch“, ob er im Dezember seinem eigenen Rücktrittswunsch entsprochen hätte. Deshalb könne er die Maßnahmen des Stadtrates, also seinen Austritt anzunehmen, nicht mittragen. Im Sitzungssaal kommt es zu tumultartigen Szenen. Die AHA-Regeln verhindern aber zum Glück eine Rudelbildung.
Februar
Der Gemeinderat Todtenweis beantragt, dass das Naturschutzgebiet „Lechauwald“ in „Lechsauwald“ umbenannt wird. Bürgermeister Konrad Carl erhofft sich dadurch eine weitere touristische Aufwertung seiner Gemeinde und eine zweite Attraktion neben dem Ungarnschlacht-Erlebnisland auf der Fläche zwischen den Ortsteilen Sand und Bach sowie dem Lechsauwald. Widerspruch gegen das Projekt kommt übrigens von der bekannten Ungarnschlacht-Verschwörungsmärchengruppe aus Königsbrunn.
März
Zwölf Monate nach der Kommunalwahl ist auch die Affinger Kommunalwahl sauber ausgezählt, und alle 25 Anfechtungen eines örtlichen Wahlfieslers sind abgearbeitet. Der bislang vorläufig eingesetzte Gemeinderat muss jetzt die Entscheidungen des vergangenen Jahres neu beschließen, um sie auch rechtskräftig zu machen. Bürgermeister Markus Winklhofer setzt Sitzungen an allen Werktagen von 18 bis mindestens 24 Uhr bis voraussichtlich Ende August an. An den Wochenenden soll in der Grundschule biwakiert werden.
April
Ausgerechnet im Sonnendorf Sielenbach macht sich die Energiewende-Leugnergruppe „Strom kommt immer und nur aus der Steckdose“ breit. Der Gemeinderat lässt sich aber nicht beirren: Bis zum Jahresende will die Kommune den Rest-Landkreis ganz allein versorgen.
Mai
Die internationale Verkehrsskeptikerszene lässt sich in Anwalting mit einem Institut für Pseudowissenschaft nieder. In einem auf die nächsten 20 Jahre angelegten Feldversuch soll erforscht werden, mit welcher Subtiltaktik geplante Verkehrsprojekte in eine dauerhafte Warteschleife gebracht werden können, beziehungsweise ob es Verkehr überhaupt gibt.
Juni
Landrat Klaus Metzger beruft eilig eine Kreistagssitzung ein: Dort werden per Notverordnung 25 Hilfslandräte vereidigt, weitere 25 Kreisräte werden als Hilfslandrat-Chauffeur zwangsverpflichtet. Metzger ist nicht wählerisch: „Ich nehme fast jede oder jeden, den ich kriegen kann.“ Ausgenommen seien allerdings Kreisräte und Kreisrätinnen mit generell langen und monothematischen Redebeiträgen. Die sind laut Metzger in der aktuellen Notlage des Wittelsbacher Landes nicht einsetzbar: Die Hilfs-Landräte sind zwei Monate im Dauereinsatz mit bis zu 50 Einsätzen am Tag. Metzger: „Wir müssen alles mobilisieren, was wir haben, um überall präsent zu sein und Grußworte sprechen zu können.“ Von Juni bis Juli ist nämlich alles auf den Beinen was Beine hat. Es finden an jedem Wochenende im Schnitt jeweils 15 Feuerwehrjubiläen, 25 Kriegervereinsjahrtage, knapp 50 Schul-, Kindergarten-, Schrebergarten-, Vereins- und Pfarrfeste, in etwa 100 Straßenfeste und dazu geschätzt 1500 Geburtstags-, Tauf-, und Irgendwas-Nachhol-Feiern statt. Der Rest der Bevölkerung ist auf einer Hochzeit eingeladen oder heiratet selber.
Juli
Das seit Jahren schrumpfende Baar hat endlich eine zündende Idee, wie wieder mehr Menschen in das Dorf in Randlage ziehen. Die wachsende Zahl der Verschwörungsmärchenerzähler im Wittelsbacher Land soll dort eine neue Heimat unter Gleichen finden. In Rekordzeit werden zwei neue Splittersiedlungen im Außenbereich ausgewiesen: „Die Erde ist eine Scheibe“ – dort wird auch eine Beobachtungskanzel auf einem Windrad angeboten – und „Armstrong und Aldrin waren nie auf dem Mond“. Extra für einen einzelnen US-Amerikaner wird der Einödhof "Donald Trump ist und bleibt US-Präsident" genehmigt.
August
Diese Verschwörungstheoretiker findet Bürgermeister Klaus Habermann gar nicht schlecht. Die lokale Gruppe „Sisi lebt bis heute im Unterwittelsbacher Wasserschloss“ organisiert die polarisierende Ausstellung „Was Sie ganz bestimmt nie über Sisi wissen wollten“. Die wird wieder einmal zu einem Mega-Erfolg. Gezeigt werden unter anderem aktuelle Kuchenkrümel, die in Spalten des Dielenbodens gefunden werden können, und angeblich frisch geschnittene Zehennägel der Kaiserin. Habermann verhindert aber höchstpersönlich weitere geplante Ausstellungsorte wie zum Beispiel „Wo selbst Kaiserin Sisi zu Fuß hingeht“.
September
Petersdorf, ebenfalls Schrumpfkommune, ist von der Baarer Idee begeistert, will aber nur unpolitische Leugner ansiedeln und zieht nach mit den musikalischen Baugebieten „Elvis lebt“ und „Paul McCartney ist durch einen Doppelgänger ersetzt worden“.
Oktober
Landrat Klaus Metzger hat ein Problem mit seinen vielen Hilfslandräten. Einige haben in der Grußwort-Saison regelrecht Blut geleckt. Problem: Im Herbst ist fast alles abgefeiert. Es fehlt an Einsätzen. Um die Truppe bei Laune zu halten und zu beschäftigen, sollen sie jetzt an allen verbliebenen Wertstoffhöfen an jedem Öffnungstag Begrüßungsworte zur Toröffnung sprechen und bei Winterdienstfahrten zum Jahreswechsel allen Bürgern ein gutes neues Jahr per Lautsprecher wünschen.
November
Patrick Kügle ist nach monatelangem, hart geführten Kampf und Gerichtsentscheidungen endlich wieder Stadtrat. Er entscheidet sich aber in der Sitzung spontan dafür, das Mandat doch nicht anzunehmen. Er sei inzwischen skeptisch, ob er das im Januar eigentlich so gewollt habe. Darum sei es „demokratisch fragwürdig“, wenn er dem jetzt nachkomme. Er wolle aber gerne darüber mit abstimmen. Im Sitzungssaal kommt es zu tumultartigen Szenen. Einige Ratsmitglieder erleiden einen Schwächeanfall. Die AHA-Regeln gelten übrigens nicht mehr…
Dezember
Die Wolf-, Bär-, Fuchs- und Hase-Leugner aus Igenhausen behaupten, dass Schafe grundsätzlich von Außerirdischen gerissen werden. Rupert Reitberger gräbt zu Weihnachten eine Wolfsgrube wie einst Michel aus Löneberga. Kaum zu glauben: Der Silvesterabend verläuft im Wittelsbacher Land noch ruhiger als im Jahr zuvor. Ein Teil der Bevölkerung ist nämlich felsenfest überzeugt, dass der Jahreswechsel eine reine Erfindung von Regierung, Wissenschaftlern und den Medien ist.
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