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Ein türkischer Deutscher

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Ein türkischer Deutscher

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    Selcuk Urun respektiert Özils "deutsche" Entscheidung. Foto: Graf
    Selcuk Urun respektiert Özils "deutsche" Entscheidung. Foto: Graf Foto: Graf

    Vor Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass ein Türke für Deutschland spielt, jetzt wird es zur Normalität - und das ist gut so, wie Urun erklärt: "Das ist eine Integrationsmannschaft, das finde ich gut. Der Sport spielt hier eine wichtige Rolle." Etliche Spieler in der deutschen Nationalmannschaft haben ihre Wurzeln in der Türkei, Polen, Brasilien, Ghana, Nigeria oder Russland (siehe Info). Urun hat in den vergangenen Jahren in seinem Freundeskreis, der aus vielen Ausländern besteht, eine eindeutige Tendenz ausgemacht: Man identifiziert sich stärker mit der deutschen Nationalmannschaft. "Das wird mit jedem großen Turnier, mit jeder Generation stärker", sagt Urun. Und: "Wenn ein gebürtiger Türke für Deutschland ein Tor schießt und alle jubeln, ist das der beste Beweis."

    Der 37-Jährige selbst lebt seit 16 Jahren hier, fühlt sich seinem Heimatland aber immer noch sehr verbunden. Der Gastronom respektiert die Entscheidung Özils oder Tascis, für Deutschland zu spielen, macht aber keinen Hehl daraus, dass er sie auch gerne im roten, türkischen Trikot gesehen hätte. "Der frühere Trainer Fatih Terim war zu arrogant. Er hat nur Spieler geholt, die er wollte", sagt Urun. "Özil hätte der Türkei sehr gut getan."

    Im Uruns Laden in Aichachs Innenstadt isst gerade Sergej Lorenz zu Mittag, ein gebürtiger Russe. Nationalspieler Andreas Beck wurde kurz vor der WM ausgemustert, bestätigt aber dank seiner russischen Wurzeln den Trend: Die Nationalmanschaft ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Lorenz sieht die Entwicklung ebenfalls positiv. "Jetzt kaufen sich Leute deutsche Trikots und malen sich schwarz-rot-gold an, bei denen das vor ein paar Jahren undenkbar gewesen wäre", sagt er und denkt dabei an eigene Kumpels mit Migrationshintergrund. Mit jeder Generation, mit jedem Turnier wachsen die deutsche Bevölkerung und Mitmenschen anderer Nationen stärker zusammen.

    Andere europäische Länder wie Frankreich, Niederlande oder Belgien waren den Deutschen bei der fußballerischen Eingliederung weit voraus, nun hat der Deutsche Fußballbund (DFB) durch gezielte Aktionen im Nachwuchsbereich nachhaltig aufgeholt. Körperlich stark waren sie immer, nun fließt verwaiste Kreativität ins Spiel der Weiß-Schwarzen mit ein. Bei Erol Duman in der Bahnhofstraße treffen sich bei jeden WM-Spiel etliche Menschen zum Public-Viewing. Egal welcher Abstammung sie sind, auf Bierbänken fiebern sie mit und wünschen vorwiegend den Deutschen den Sieg. "Wir feiern hier alle zusammen", sagt Duman. Der 44-Jährige ist ein wenig traurig, dass die Türkei diesmal nicht dabei ist. "Selber schuld", lautet sein kurzes Fazit zur verpassten WM-Qualifikation.

    Özils Entscheidung, für Deutschland zu spielen, stellt für ihn kein Problem dar. "Jeder soll dort spielen, wo er will - unabhängig von Grenzen. Durch den Sport kann man Menschen besser integrieren", sagt er staatstragend und fügt ein türkisches Sprichwort hinzu: "Einen Baum kann man biegen, solange er nass ist." Heißt: Bei Kindern und Jugendlichen muss Integration beginnen.

    Cüneyt Eker hat dies beim BC Aichach erfahren. Wie ihm geht es wohl vielen Türken: Wenn Deutschland spielt, hält er zu Deutschland, wenn die Türkei spielt, zur Türkei und wenn beide gegeneinander spielen, inzwischen irgendwie zu beiden.

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