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Paralympics: Wenn „Äpfel gegen Birnen“ fahren

Paralympics

Wenn „Äpfel gegen Birnen“ fahren

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    Michael Teuber (rechts) schied in seinem Verfolgungsrennen gegen den späteren Silbermedaillengewinner Ross Wilson aus.
    Michael Teuber (rechts) schied in seinem Verfolgungsrennen gegen den späteren Silbermedaillengewinner Ross Wilson aus. Foto: Kay Nietfeld/dpa

    Für Handicap-Radfahrer Michael Teuber aus Odelzhausen (Kreis Dachau) sind die Paralympischen Spiele in Rio de Janeiro in Brasilien nach seinem fünften Platz in der Einzelverfolgung (3000 Meter) beendet – aber nur auf der Bahn. Beim Straßen-Zeitfahren rechnet er sich als Weltmeister und Titelverteidiger gute Medaillenchancen aus. Es findet am Donnerstag statt. Das Bahnrennen sorgte dagegen für Diskussionen und Teuber meldete sich in einer anderen Sache in Rio zu Wort.

    Er selbst sprach nach dem Rennen von einem der spektakulärsten und kuriosesten Bahnrennen. Mittendrin der zweite Bahnradfahrer aus Bayern: Erich Winkler. Der nahm am Ende auf der Holzbahn die Ovationen des Publikums entgegen. Trotz Platz vier war der Radsportler nicht nur für seinen neunköpfigen Fanklub auf den Rängen ein „Hero de Janeiro“: „Das krönende Ende ist mir leider versagt geblieben“. Als Amputierter hatte der 48-Jährige Kontrahenten Paroli geboten, gegen die er aufgrund seiner Behinderung eigentlich keine Chance hatte. Er hatte das Publikum begeistert, als er in der Qualifikation einem technischen Malheur zum Trotz im zweiten Anlauf mit persönlicher Bestzeit von 4:02,658 Minuten ins kleine Finale gerast war. Im Medaillenrennen kam dann, was Winkler befürchtet hatte: Sein Gegner Arnoud Nijhuis aus den Niederlanden holte ihn nach nur 45 Sekunden ein. Schluss, vorbei, Medaille futsch. Mit dem feinen Gespür für Fairness hatten die Zuschauer mitbekommen: Da stimmt doch etwas nicht. „Klassifizierung ist immer ein Thema“, sagte Winkler. Er war unter den Top Vier der einzige Amputierte. Ihm fehlen seit einem Motorradunfall 2001 der rechte Arm und der linke Unterschenkel. Sieger Zhangyu Li aus China, Ross Wilson aus Kanada auf Platz zwei und Nijhuis haben neurologische Behinderungen oder Bewegungsstörungen. In der Hinsicht ist er sich mit seinem Freund Teuber einig: Die Zusammenlegung verschiedener Behinderungsgruppen in eine Startklasse sorge für Benachteiligungen. „Es fahren Äpfel gegen Birnen“, sagt Teuber. Er hat eine inkomplette Lähmung beider Beine. Winkler war besser denn je und dennoch chancenlos.

    Für Teuber, 2004 in Athen noch Paralympics-Sieger in der Einzelverfolgung, ist es kein sportlicher Wettkampf mehr, wenn Menschen mit nicht vergleichbaren Handicaps gegeneinander antreten. Er gilt seit Jahren als Klassifizierungskritiker. Die Tatsache, dass zum Beispiel der Amerikaner William Lister in diesem Jahr von der Klasse der leichter Behinderten in die der schwerer Gehandicapten umklassifiziert wurde und nun im Straßenrennen gegen Winkler und Teuber antritt, wirft für Teuber Fragen auf. Auch wenn er dem Kontrahenten nichts Böses unterstellen will: „Es kann Manipulationen geben, das kann in Richtung Klassifizierungsbetrug gehen, ähnlich wie Doping, ist aber schwer zu erkennen und kaum zu beweisen.“ Teuber bezog auch in einer anderen sportpolitischen Diskussion Stellung. Er kritisierte via Facebook die Entscheidung, den Leichathleten Markus Rehm in Rio zum deutschen Fahnenträger zu machen. Der 28-Jährige Weitspringer und Sprinter ist der Star des Deutschen Teams und eigentlich viel zu gut ist für den Behindertensport. Er will deshalb unbedingt auch bei Olympischen Spielen oder einer WM starten, darf aber nicht. Nichtbehinderten Sportler sehen Rehm mit seinen Unterschenkel-Prothesen beim Weitsprung bevorteilt. Bei den eigenen Teamkollegen gibt es einige, die Rehms Verhalten eher als Abkehr vom paralympischen Sport werten und nicht als Engagement für ihre Sache. (dpa, AN)

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