Unwetter vor zehn Jahren verwüstete Teile von Neusäß
Ein Stadtfest unter Wasser, hunderte entwurzelte Bäume, ein abgedecktes Dach: Das Unwetter Ende Juni vor zehn Jahren hat im Landkreis schwere Schäden hinterlassen. Vor allem in Neusäß.
Es war eines der heftigsten Unwetter im westlichen Landkreis Augsburg, das große Sommergewitter vor zehn Jahren. Besonders Neusäß wurde damals getroffen, unter anderem mit schlimmen Schäden im Kobelwald. Doch auch in Diedorf und Stadtbergen waren die Schäden groß. Besonders traf das Gewitter jedoch die Stadt Neusäß, wo an diesem Donnerstag zudem das Stadtfest stattfand. Unsere Redaktion berichtete damals über die zeitliche Abfolge der Ereignisse.
17.35 Uhr Das Unwetter zieht auf. Für den gesamten Landkreis gilt zu diesem Zeitpunkt bereits die Warnstufe Rot. Zuerst kommt Regen, dann folgen Wind und Hagel. In Gersthofen sind die Hagelkörner so groß wie 50-Cent-Stücke.
17.48 Uhr In Neusäß endet das Stadtfest abrupt: Bäume stürzen um oder werden entwurzelt. Redakteur Christoph Frey und Redakteurin Angela David sind für "Sag’s der AZ" dort am Augsburger-Allgemeine-Stand, als sich die Remboldstraße infolge des Gewitters in einen Bach verwandelt. Knietief stehen die Menschen dort im Wasser. Keller laufen binnen Minuten voll, entwurzelte Bäume begraben Autos unter sich.
17.55 Uhr In Diedorf sind Bäume entwurzelt, im Ortsteil Lettenbach ist das Telefonnetz ausgefallen.
18.05 Uhr In Neusäß herrscht Ausnahmezustand: Unterführungen sind gesperrt, Bäume liegen am Straßenrand und überall Äste. Redakteurin Angela David erzählt: "Die Leute kommen kaum aus der Stadt heraus, überall ist Stau." Verkehrsschilder fliegen durch die Luft oder knicken um, ein Dixiklo fällt um. Der Kobelwald wird verwüstet. Ein Westheimer steht auf seiner Terrasse und versucht dort die Möbel zu retten, als urplötzlich das Glasdach des Swimmingpools der Nachbarn an ihm vorbeisegelt. "Das war wie in den Bildern von einem Tornado in den USA", erzählt der sichtlich mitgenommene Mann später einem unserer Reporter.
18.15 Uhr Aufgrund von Unwetterschäden ist der Streckenabschnitt zwischen Augsburg-Oberhausen und Westheim gesperrt. Die Züge wenden in Augsburg-Oberhausen und Westheim, teilt die Bahn mit.
18.18 Uhr In Thierhaupten entwurzelt der Sturm eine über hundert Jahre alte Weide. Diese fällt quer über die Straße. Durch Glück wird niemand verletzt.
18.20 Uhr Erwin Gumpinger, der damalige Kreisbrandmeister aus Dinkelscherben, gibt einen Zwischenstand: "Im ganzen Landkreis ist Chaos, nahezu alle Feuerwehren sind im Dauereinsatz." Schwerpunkte sind im Westen Neusäß und Diedorf, im Süden Schwabmünchen und Königsbrunn. Verletzte gibt es keine. "Jetzt vermuten wir, dass das Gewitter nach Langweid zieht", sagt Gumpinger.
18.37 Uhr Neusäß entwickelt sich immer mehr zum Unwetterschwerpunkt: In den Intercity 2094 von München nach Ulm schlägt der Blitz ein. Westlich des Bahnhofs Neusäß fährt der Blitz in die Lok. Verletzt wird dabei niemand, doch die Bahn erwog, die Fahrgäste zu evakuieren. Auf der gegenüberliegenden Seite hängt ein Baum in der Oberleitung. Kurz darauf wird die Bahnstrecke bis Gessertshausen gesperrt.
18.57 Uhr In Gersthofen gewittert es erneut, kaum dass die Wasserbäche, die die Bahnhofsstraße herunterschossen, verschwunden sind.
19.06 Uhr Mitarbeiter des Kreisbauhofs sind unterwegs nach Schwabmünchen, um die umgestürzten Bäume wegzuräumen. Wegen des heftigen Verkehrs kommen die Fahrzeuge aber kaum voran.
19.15 Uhr Auch in Stadtbergen sind Bäume entwurzelt, manche hängen sogar in Stromleitungen. Die B 300 in Richtung Diedorf ist überflutet.
19.16 Uhr Der Intercity in Neusäß soll abgeschleppt werden. Der Zug soll nun laut Durchsage in etwa 20 bis 30 Minuten mit einer Diesellok nach Augsburg zurückgeschleppt werden. Mangels Strom ging die Klimaanlage nicht, das Bahnpersonal hat Mineralwasser an die Fahrgäste verteilt.
19.40 Uhr Günther Geiger, damals im BRK-Kreisverband, sagt "es sieht ganz schlimm aus, es ist alles draußen, was Räder hat". Größtes Problem der Rettungskräfte: Aus unbekannten Gründen sei die Funkverbindung so schlecht, dass eine Kommunikation untereinander kaum möglich sei. "Manche Hilfskräfte müssen sich treffen, um das weitere Vorgehen zu besprechen." Einsatzschwerpunkte des BRK waren erst Diedorf und Westheim dann ging es weiter Richtung Bobingen. "In Schwabmünchen beruhigt sich die Situation jetzt wohl wieder." Zahlen über Verletzte liegen bis jetzt nicht vor. "Aufgrund der schlecht zugänglichen Straßen durch umgestürzte Bäume wird jetzt auch der Regelbetrieb zum Problem", sagt Geiger. Die Kollegen wüssten zum Teil einfach nicht, wie sie zu ihrer Einsatzstelle kommen.
19.50 Uhr Für Stadt und Landkreis Augsburg gilt die höchste Warnstufe. Die Führungsgruppe Katastrophenschutz trifft sich im Landratsamt und berät darüber, ob Katastrophenalarm ausgelöst wird.
19.50 Uhr In Steppach fällt der Strom aus. Um 20.20 Uhr ist das Problem behoben.
20.15 Uhr Großeinsatz in Diedorf: Ein Zug bleibt aus unbekannten Gründen liegen, die Fahrgäste werden evakuiert und in einem Firmengelände von der Feuerwehr betreut.
20.25 Uhr In Steppach ist ein Blechdach gegen ein Haus geflogen und hat das Gebäude beschädigt. Das Technische Hilfswerk ist unterwegs.
20.35 Uhr Die Deutsche Bahn gibt bekannt, dass die Strecke von Augsburg nach Ulm bis Betriebsschluss gesperrt bleiben wird.
20.45 Uhr In Leitershofen, Neusäß-Schlipsheim, Teilen von Steppach, Unterschöneberg-Altenmünster, Teilen von Schwabmünchen und in einer Straße in Königsbrunn ist der Strom immer noch weg.
Erst in den kommenden Tagen wird freilich das ganze Ausmaß der Verwüstung sichtbar. Nirgendwo ist es so schlimm wie auf dem Kobel. Im Anschluss an das Unwetter, bei dem der Wind mit einer Geschwindigkeit von 130 Kilometern in der Stunde in Orkanstärke getobt hat, müssen hunderte beschädigte und entwurzelte Bäume gefällt werden. An ein Wunder grenzt, dass niemand im Landkreis verletzt worden ist. Das Unwetter blieb jedoch nicht das einzige im Landkreis. Nur zwei Jahre später deckte ein Tornado im nördlichen Landkreis, vor allem in Stettenhofen, etliche Häuser ab und beschädigte sie schwer. (corh/eisl/cf/bra)
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