Forscher machen Jagd auf Fledermäuse
In Augsburg werden die nächtlichen Jäger mit Mini-Sendern ausgestattet und verfolgt. So will man neue Quartiere von geschützten Arten in der Stadt aufspüren
Wie fängt man eine Fledermaus? „Am besten gar nicht“, sagen Augsburger Fledermausforscher, denn Fledermäuse sind streng geschützt. Wenn man aber doch auf die Jagd nach den nächtlichen Fliegern geht? „Dann nimmt man am besten ein Puppenhaar-Netz aus DDR-Produktion“, verrät Experte Bernd-Ulrich Rudolph, „wir haben uns einen größeren Vorrat davon gesichert.“
Wittelsbacher Park, abends 21.15 Uhr: Zwei der großen, hauchdünnen Spezialnetze sind in der Dämmerung aufgespannt. Ähnlich wie riesige Spinnweben wabern sie zwischen Büschen und Bäumen. Davor stehen Fledermausforscher vom Landesbund für Vogelschutz (LBV). Im Dienst der Wissenschaft warten sie auf Beute.
In diesem Sommer haben sie eine recht ungewöhnliche Mission: Zum ersten Mal in einer bayerischen Stadt werden Fledermäuse gefangen und mit Sendern ausgestattet, um so systematisch nach Wohnquartieren dieser selten gewordenen Tiere zu suchen. Rudolph ist einer der Fledermausfänger – und in diesen Nächten fast ständig unterwegs. Viel Schlaf bekommen er und seine Helfer nicht. Denn die winzigen Jäger zu erwischen, ist schwieriger als man meinen möchte.
Trocken, windstill und dämmrig sollte es sein. Dann sind besonders viele Fledermäuse unterwegs. An diesem Abend nieselt es immer wieder. Trotzdem herrscht vereinzelt nächtlicher Flugverkehr im Park. Eine Zwergfledermaus flattert in einiger Entfernung lautlos vorbei. Sehen kann man sie kaum, allenfalls erahnen. Doch ein kräftiges Knattern aus dem mitgebrachten „Bat-Detektor“ verrät sie. Das Gerät setzt die Ultraschall-Laute der Tiere in Töne um, die für Menschen hörbar sind. Geortet ist der Flattermann also. Aber ins Netz fliegen will er nicht. Und das, obwohl die Falle in einer der Einflugschneisen für Fledermäuse aufgespannt ist. „Auf dem Weg vom Quartier zum Jagdgebiet sind sie noch nicht so aufmerksam“, erklärt Experte Martin Trapp den Trick. Da lassen sie sich am ehesten fangen.
Gerade fliegt ein Abendsegler vorbei, aber in eine andere Richtung. Wieder nichts. Biologin Anika Lustig hat ihre Position neben dem Netz bezogen. Falls doch noch eine Fledermaus hängen bleibt, muss es schnell gehen: Der Fang wird vorsichtig aus den feinen Maschen befreit, untersucht, gewogen, dann mit einem Telemetrie-Sender ausgestattet und wieder freigelassen.
Das winzige Gerät wiegt nur 0,3 Gramm. Rudolph wird es mit einem medizinischen Hautkleber an der Fledermaus befestigen, so dass es nach ein paar Tagen wieder abfällt. „Wir wollen den Fledermäusen nicht mehr als fünf Prozent ihres Körpergewichts aufhalsen“, erklärt er. Denn sonst, befürchten die Forscher, könnte der Sender das natürliche Verhalten der Tiere verändern.
Die Telemetrie-Sender arbeiten mit Radiowellen. Ihr Vorteil ist, dass sie extrem klein und leicht sind – viel leichter als ein GPS-Gerät, sagen die Experten. Der Nachteil: Die Reichweite beträgt nur etwa einen Kilometer. Die Fledermausforscher müssen also dicht dran bleiben, wenn sie den flinken Fliegern durch die Dunkelheit zu ihren Quartieren folgen wollen.
Manchmal führt die nächtliche Jagd durch die halbe Stadt. So wie neulich, als Anika Lustig an der Wertachmündung eine weibliche Weißrandfledermaus fing und mit einem Sender ausstattete. Zunächst verfolgte die Biologin das Tier auf dem Fahrrad durch Oberhausen. Das ging gut, solange die Fledermaus am Fluss entlang flog. Doch dann entwischte das Tier übers Wasser. „Und wir standen am falschen Ufer“, so Lustig.
Die Biologin gab trotzdem nicht auf. Sie stieg aufs Auto um, hielt während der Fahrt ihre Antenne aus dem Schiebedach und suchte auf gut Glück am anderen Ufer weiter. Gegen zwei Uhr nachts dann der Treffer: Sie empfing plötzlich wieder Signale. Die Weißrandfledermaus war in ein noch unbekanntes Quartier in einem Haus an der Brückenstraße geflogen. Dort fand Lustig dann gleich eine ganze Kolonie mit rund 50 Tieren in einem Rollladenkasten.
Weniger Glück hat der Trupp, der in dieser Nacht im Wittelsbacher Park auf der Lauer liegt. Immer wieder nieselt es leicht. Der nächtliche Feldermausverkehr nimmt immer mehr ab. Nach zwei Stunden Hoffen und Warten ist noch immer kein Tier ins Netz gegangen. Bernd-Ulrich Rudolph macht Schluss für heute.
Er hofft auf kommende laue und trockene Nächte, um neue Kolonien in Augsburg aufzuspüren. Ein Traum wäre für ihn, eine der seltenen Arten mit einem Quartier nachzuweisen, zum Beispiel die Zweifarb-Fledermaus.
Bis zum Herbst haben die Forscher noch Zeit. So lange dauert das Projekt.
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