
40 Jahre: Was das "Madhouse" in Lechhausen so besonders macht

Plus Seit mehr als 40 Jahren ist die Kneipe in der Bülowstraße eine Institution. Doch was ist das Erfolgsgeheimnis des Lokals von Wolfi Honrath und seinem Team?
In der Bülowstraße 1 in Lechhausen steht eine Zeitmaschine. Wer das als Eingang zu einer Kneipe getarnte Portal durchschreitet, findet sich unvermittelt in den Siebzigerjahren wieder. An den Wänden hängen E-Gitarren und Bilder von Jimi Hendrix, Janis Joplin und anderen historischen Musikgrößen, in der Ecke thront ein Rolling-Stones-Flipperautomat. Die Rede ist vom Madhouse.
"Die letzte echte Musikkneipe in Lechhausen, vielleicht sogar in ganz Augsburg", sagt Stammgast Manuel Dembelein, 37. Einer, der sich vermutlich als einen der letzten echten Rock-’n’-Roll-Journalisten bezeichnen würde, las am Samstag, 30. November, auf der Bühne aus seinem Buch "Er hatte sie alle". Die autobiografischen Anekdoten erzählen von den Interview-Begegnungen, die der Autor Michael Fuchs-Gamböck in der Glanzzeit der Hochglanzzeitschriften mit den Ikonen der Rock- und Pop-Musik hatte.
Die Zuhörer im gut besuchten Madhouse lauschten geradezu andächtig den Storys über die Übernachtung im Privatdomizil von Ron Wood von den Rolling Stones, der Todesangst bei der Autofahrt mit dem zugedröhnten Punk-Geiger Nigel Kennedy oder den bemerkenswerten Momenten mit den schon verstorbenen Legenden Lemmy Kilmister (Motörhead) und Lou Reed (Velvet Underground).
Die Nebelschwaden sind verzogen
Auch wenn sein Beruf ihn rund um die Welt brachte, fand Michael Fuchs-Gamböck in Augsburg, wo er das Internat besuchte, immer wieder seine Heimat. Und seine zweite Heimat im Madhouse. "Als ich mit meinen Kumpels mit 15, 16 Jahren da ausgegangen bin, war der Ort für uns etwas ganz Verwegenes", erinnert er sich. "Nach ein paar Stunden hat man niemanden mehr gesehen, weil damals noch alle geraucht haben in den Kneipen."

Heute, da die Nebelschwaden der Vergangenheit verzogen sind, gibt es viel zu sehen im Madhouse: skurrile Exponate wie ein antikes Röhrenradio, die Motorhaube eines Autos, die aus der Wand zu ragen scheint, oder diverse Musiker-Devotionalien.
Auch Karl Huber kennt das Madhouse noch als "Hippie-Kneipe" aus Studienzeiten. Die Musikauswahl sei exquisit, findet er. "Ich bin promovierter Musikwissenschaftler – und einen Teil meiner Ausbildung habe ich hier absolviert", berichtet er augenzwinkernd. Am Samstag- abend war er mit seinen Kollegen Werner und Fabian Schwarz vom Huber & Schwarz-Trio auf der Bühne, um die Texte des Rock-Autors mit zwei Akustikgitarren und Bass musikalisch zu begleiten – jeweils mit Songs der porträtierten Stars. Etwa zweimal im Monat geben Livebands im Madhouse Konzerte. Musik spielt aber auch an allen anderen Tagen die Hauptrolle in dem Etablissement, das 1977 eröffnet wurde.
Früher bediente der Wirt Wolfgang Honrath die Plattenspieler. Mittlerweile kommt die Musik als digitale Playlist aus dem Computer, doch eins ist gleich geblieben: Die Auswahl der Stücke eines jeden Abends ist von Honrath liebevoll handverlesen. Der 61-Jährige ist sieben Tage die Woche DJ, Koch, Kellner und Chef des Hauses zugleich. In Sachen exzessivem Lebensstil kann er also mit Rockstars mithalten, wenn auch mit Bratpfanne statt Gitarre in der Hand. Anfang der 80er waren es noch vier Betreiber. Irgendwann war Honrath – von seinen Gästen "Wolfi" genannt – der einzige, der noch übrig blieb. "Die anderen haben früh erkannt, was für eine harte Arbeit die Gastronomie ist", sagt der gelernte Koch. Mit 19 Jahren zog er nach Augsburg. Wo das Szene-Urgestein geboren wurde, verrät ein Detail an der Decke: Denn neben mehreren FC Augsburg-Fanschals hängt da ein Schal des FC Köln.
Der zeitlose Charme eines Lokals
Dass es das Madhouse nach über 40 Jahren in einer derart schnelllebigen Branche noch gibt, ist ein Phänomen. Zum Geheimnis des Erfolgs zählt, dass der zeitlose Charme des Lokals nicht nur Kneipen-Veteranen anspricht, sondern auch die Jugend von heute. Zumindest diejenigen mit einem Faible für exzentrische Feier-Locations. Auch Biker schauen gern bei Wolfi vorbei. Insbesondere in der warmen Jahreszeit, wenn der Biergarten zum Zwischenstopp einlädt. Nicht zu vergessen die Kicker-Gruppe, die sich an jedem ersten Freitag eines Monats zum Stangen-Sport trifft.
Nach diversen Gaststättenwechseln hat der bereits 1972 gegründete Kicker-Kreis seit bald zehn Jahren im Madhouse sein "Stadion" gefunden. "Mittlerweile kommen die erwachsenen Kinder unserer älteren Spieler zu den Events", freut sich Gründungsmitglied Charlie Wilfer. Zu gewinnen gibt es hier nichts als gute Laune, dennoch wird mit Herzblut um den Sieg gekämpft.
Manchmal wird das Turnier sogar zum internationalen Event: Gäste aus der Türkei, den USA, England, Spanien, Holland, Österreich und der Schweiz haben sich hier schon duelliert. Der Autor Michael Fuchs-Gamböck zog zwar 2010 von Augsburg nach Dießen am Ammersee, doch bei den Kicker-Treffen im Madhouse ist er noch jedes Mal dabei. Manchmal begleitet von seiner 23-jährigen Tochter. Nur in einem Punkt ist das wilde Rock-’n’-Roll-Leben im Madhouse genauso pedantisch reguliert wie die Welt draußen: Wer nicht pünktlich um 20:15 da ist, darf nicht mehr beim Kicker-Turnier mitmachen.
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