
Die elfjährige Augsburgerin Anna sammelt in ihrem Stadtteil Müll ein

Plus Sie ärgert sich über den Müll, der achtlos weggeworfen wird und die Natur verschandelt. Eine elfjährige Schülerin aus Augsburg ist deshalb jede Woche unterwegs und sammelt Abfall.

Manches ist achtlos weggeworfen, manches bewusst illegal entsorgt worden. Die verstreuten Müllablagerungen aber stören nicht nur das Straßenbild. Auch die elfjährige Anna aus dem Augsburger Stadtteil Hochzoll empfindet es als extrem ungehörig, dass manche ihren Müll einfach in die Umgebung werfen. Jüngst überraschte die Elfjährige ihre Mutter Ulrike Einsiedler mit der Bitte, ob sie - obwohl schon Abend - noch rausgehen und Müll sammeln dürfe. Seither ist sie einmal pro Woche in Sachen Sauberkeit unterwegs. Wie sie auf diese ungewöhnliche Idee gekommen ist, erzählt sie zu Corona-Zeiten in einem Telefoninterview.
Anna sah demnach ein Video im Internet und war nach Auskunft ihrer Mutter Ulrike Einsiedler regelrecht "erschrocken", wie die Welt im Jahr 2040 aussehen wird, wenn kein Umdenken stattfindet. Das gab den Anstoß, die Jacken anzuziehen, die Einweghandschuhe überzustreifen und blaue Müllsäcke einzupacken. Am Friedberger Baggersee begann die Müllsuche, wobei die vielen To-go-Becher und Fastfood-Tüten kaum zu übersehen waren. Aber auch am Kuhsee sei das Müllaufkommen kaum geringer gewesen. "Allein bei uns in der Straße", erinnert sich die Mutter, "war sehr viel herumgelegen."

Erst ermutigen musste Ulrike Einsiedler ihre Tochter zum Müllsammeln nicht. Das Engagement ihrer Tochter nennt sie einfach nur "cool". Sie weiß, dass Anna alles berührt, was Tieren schaden könnte. Selbst Spinnen dürfe sie nicht mit dem Staubsauger aus der Wohnung entfernen, sondern müsse sie einfangen und raustragen. Das Ekligste, was Mutter und Tochter auf ihrem Weg durch ihren Augsburger Stadtteil bei der Abfallbeseitigung begegnete, seien "volle Windeln" gewesen, sagt Anna. Für ihre Mutter ist es ähnlich unverständlich, dass Hundehalter den Kot ihres Vierbeiners zwar in ein Beutelchen stecken, es dann aber an Ort und Stelle einfach liegen lassen.
Müll in Augsburg: Auch eine Freundin hilft jetzt beim Sammeln mit
Wie wahrscheinlich viele Mädchen ihres Alters liebt Anna Pferde. Bei ihren Ausritten beobachtet sie, wie gefährlich herumliegender Müll für die Tiere - egal, ob Hunde, Katzen oder auch Schafe - sein kann, wenn sie Plastik oder Schokoladenpapier neugierig beschnuppern und vielleicht sogar fressen. Mittlerweile konnte die Elfjährige auch ihre zwei Jahre ältere, beste Freundin dafür gewinnen, es ihr gleichzutun und sie der Natur zuliebe zu unterstützen. Der Vorteil: Die Mädchen wohnen nur zwei Häuser voneinander entfernt.
Eigeninitiative ist eine Eigenschaft, die Anna Einsiedler ohnehin zu eigen ist. So sind selbst genähte Steckenpferde auch ein persönliches "Steckenpferd" der Gymnasiastin aus der sechsten Klasse des Augsburger Stetten-Instituts. Dass die Einsiedlers im Haushalt keine Nähmaschine haben, teilte sie den Eltern mit, mache nichts aus: "Das kann ich doch auch selbst nähen." Jetzt bedient sich die junge Hochzollerin ihrer eigenen Fingerfertigkeit und näht für ihre "Happy Horses" nach dem Vorbild des Markenspielzeugs sogar Satteldecken und Zaumzeug.
Lob für Anna kommt auch von einem Kommunalpolitiker. "Das elfjährige Mädchen ist klasse", sagt etwa der Hochzoller CSU-Stadtrat Max Weinkamm, der seit dem Jahr 2015 jedes Frühjahr eine Gruppe Freiwilliger um sich schart, um Müll - etwa aus dem Umfeld des Hochzoller Bahnhofs - zusammenzutragen und zu entfernen. Denn gerade dem Rand des sensiblen Naherhohungsgebietes Stadtwald mit Kuhsee steht die Verschmutzung schlecht zu Gesicht.
Mahnmal aus Plastikmüll zog vom Hochablass zum Gaskessel
Dies veranschaulichte auch die "REHcycling"-Skulptur aus Plastikmüll, welche die Stadtwerke (swa) im Sommer vergangenen Jahres am Hochablass aufstellen ließen. Die Botschaft: Die in ihr verpressten 20 Kilogramm Plastikmüll entsprechen dem Durchschnitt, den ein Mensch in einem Monat produziere. Und das sei zu viel. Mittlerweile ist das Tier weitergezogen. Das Mahnmal steht jetzt am Gaskessel in Oberhausen.

Weinkamms Aktion mit Vorstandsmitgliedern der Hochzoller CSU ist, wie er sagt, Bestandteil der Augsburger Initiative "Sauber ist in". Diese wurde 2020 jedoch durch Corona verhindert. Wird er nach ihrer Nachhaltigkeit im Sinne von Erfolg gefragt, ist er kaum zufrieden. Noch immer werde "unglaublicher Mist" aus den Büschen gezogen, lautet sein Fazit. Deshalb seien auch Initiativen wie das Müllsammeln der Werner-von-Siemens-Schüler in den Grünanlagen am Lech weiter äußerst wichtig.
In Augsburg werden kuriose Dinge wild entsorgt
Eine sicht- und spürbare Verbesserung verbuchte Weinkamm nur zum Jahreswechsel. Dank des Böllerverbots habe nach Silvester so wenig Müll auf den Straßen gelegen wie seit Langem nicht mehr. Nicht müde wird er jedoch, die Kuriositäten aufzuzählen, derer sich die Müllsünder entledigen. Dazu zählen Matratzen ebenso wie Fensterrahmen und Bekleidung jeglicher Art sowie Haushaltsgeräte und sogar Glätteisen für Haare. Hinzu kommt das Übliche: Flaschen, Zigarettenschachteln, Fahrkarten, Styroporteile, Textilfetzen, Plastiktüten und Verpackungen, Stuhl- und Schrankteile. Ein gebastelter bunter Stern und ein aufhängbarer Vogel aus Metall lieferten laut Weinkamm die "künstlerische Note".
Reiner Erben (Grüne), Umweltreferent und Werkleiter des Abfallwirtschafts- und Stadtreinigungsbetriebs (AWS), sagt: Grundsätzlich stehe es allen Bürgerinnen und Bürgern frei, ehrenamtlich Abfall zu sammeln, der zum Beispiel in Grünanlagen nicht in Abfallkörben entsorgt wurde. Aufgrund der bestehenden Kontaktbeschränkungen könne der AWS derzeit aber keine Gruppenangebote organisieren.
Corona in Augsburg: Mehr Müll liegt in der Natur
Stark verändert durch Corona hat sich laut Erben das generelle Abfallaufkommen in der Stadt. Seit dem ersten Corona-Lockdown im März 2020 hat es sich seiner Beobachtung nach wegen der damals in Kraft getretenen Einschränkungen in Einzelhandel und in Gastronomie "massiv in die privaten Haushalte verlagert". Zahlen zum Gesamtaufkommen im Jahr 2020 liegen, wie Erben sagt, noch nicht vor. Sie würden aber erfasst und ausgewertet.
Sagen kann Reiner Erben schon so viel: Während der Müll in öffentlichen Abfallkörben in der Innenstadt weniger wurde, habe er in den Naherholungsgebieten zugenommen. Ein großes Problem seien vor allem die Einwegmasken, die oftmals nicht in Abfallkörben entsorgt werden. Im Hausmüll nehmen vor allem Verpackungen zum Mitnehmen von Speisen aufgrund der geschlossenen Gastronomie sowie Altpapier, wegen vermehrter Versandverpackungen aus dem Online-Handel, zu. Dass ein größerer Teil der Menschen versuche, das Abfallaufkommen zu reduzieren oder Plastikabfälle zu vermeiden, kann die Stadt Augsburg laut Umweltreferent Reiner Erben nicht beobachten.
Lesen Sie dazu auch:
Die Diskussion ist geschlossen.