
Das Publikum soll denken – und der Fatzer sterben


Das Theater Augsburg reanimiert ein Fragment Bertolt Brechts und eröffnet das Brechtfestival. Aber der „Untergang des Egoisten Johann Fatzer“ ist mehr Abhandlung als Handlung.
Die Bühne, die Bert Brechts „Fatzer“-Materialien um vier desertierende Soldaten des Ersten Weltkriegs auf den Spielplan und in Szene setzt, diese Bühne zeigt Mut, Anstrengungs- und Diskursbereitschaft. Weitgehend unbekannt, fordert das liegen gelassene Fragment vom Ende der 1920er Jahre vor allem Dramaturgie, Regisseur und Publikum, die gemeinsam dem Umstand beizukommen haben, dass hier in Rohform mehr Abhandlung als Handlung, mehr Kopf-Text als Theaterpraxis vorliegen. Dazu fordern die Materialien diverse Lesarten geradezu heraus – selbst der Dramatiker Heiner Müller, der 1978 eine Bühnen-Fassung vorlegte, hatte eigenem Bekunden nach „willkürlich Zusammenhänge hergestellt“. Das Fragment, das immer wieder für nicht praktikabel gehalten wurde, bleibt Fragment – und das Theater kann daraus schwerlich einen Guss formen.
Aber das Theater kann die Materialien von Zeit zu Zeit neu auf den Prüfstand zu beleuchtender Debatte stellen – und eben dies tat jetzt das Theater der Brechtstadt Augsburg zur Eröffnung des Brechtfestivals 2018 und zum Hundertjahr-Gedenken der Endphase des Ersten Weltkriegs, da die Szenensammlung eben spielt. Und noch ein Drittes kommt hinzu als guter Grund der Reanimation: Das Thema vom „Untergang des Egoisten Johann Fatzer“, nämlich die Frage, wie viel Ich-Bewusstsein und wie viel Solidaritätsverantwortung der Mensch braucht, dieses Thema ist auch ein Thema unserer beschleunigt kapitalisierten Zeit. Wobei für „Ich“ und „Wir“ wahlweise auch eingesetzt werden können: Fleisch (=Futtertrog) versus Revolution, Unvernunft versus Vernunft – jedenfalls laut „Fatzer“. Wie auch immer: Brechtfestival und Theater Augsburg halten – mittels eigener Bearbeitung sogar – den Daumen drauf, sie bringen und versuchen das Gebotene. Das ist gut.
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