
Still und stumm


Zehn Künstlerinnen und Künstler blicken im Höhmannhaus auf Bäume und Wald
Wald? Ist still, unheimlich, verlockend. Ist öde, romantisch, undurchdringlich. Ist gefährlich, fremd, dunkel. Ist hell, vertraut, rätselhaft. Unter Bäumen gedeihen viele Gefühle und Stimmungen. In der aktuellen Ausstellung der Neuen Galerie im Höhmannhaus könnten sich beim Besucher all diese Assoziationen einstellen, wenn er 25 Fotografien von zehn Künstlerinnen und Künstlern auf sich wirken lässt.
„Wald. Fotografische Annäherungen in der Gegenwartskunst“ hat Kurator Thomas Elsen seine Auswahl betitelt. Es ist eine Mischung unterschiedlichster technischer wie künstlerischer Zugänge zum Thema. Während beispielsweise Christof Rehm auf seinen beiden gewaltig vergrößerten Handyfotos dunkle, schwere, wie von Winter, Nebel und Kälte vollgesogene Waldstücke voller Unbestimmtheit zeigt, wirkt Florian Fieners sommerlicher grüner Waldsaum gleich daneben wie eine grelle Fototapete, aus der Licht und Farbe triefen wie Sirup. Rehms in pixeliger Unschärfe verschwimmende Bilder offenbaren bei näherem Hinsehen vom Computerdruck erzeugte seifenblasenartige grüne und violette Farbschlieren. Fieners Tableau dagegen bleibt in Eindeutigkeit versiegelte Oberfläche.
Träumerisches Miteinander von Mensch und Baum
Wo Victor van der Saar Fußballtore zeigt, die als Relikte der Zivilisation vom Wald gleichsam umstellt, ja fast schon verschlungen sind und in ihrer Funktion ausgespielt haben, inszeniert Dara Scully in Schwarz-Weiß ein träumerisches Miteinander von Mensch und Baum.
Da hängt eine Frau in einer Astgabel, als sei dies der Arm eines Wesens, dem man sich anvertraut. Scullys märchenhafte Waldposen sind die einzige Form sichtbarer Anwesenheit von Menschen in dieser Ausstellung. Auf den Fotografien dominiert die Stille, das „Für-Sich-Sein“ des Waldes. Ausdruck einer Haltung des Betrachtens und des forschenden Blicks sind im Höhmannhaus beispielsweise die Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Dominika Jackuliakova, einer von drei Fotografinnen aus Tschechien, deren Bilder Thomas Elsen in Augsburg zeigt. Wir sehen mächtige Stämme von Bäumen, die wie Pfeiler der Ewigkeit wirken. Bäume als Individuen, die Dauer und Beständigkeit verbildlichen, stehen unverrückbar da.
Weder hier noch auf allen anderen Exponaten lässt sich der Ort bestimmen. Das gilt umso mehr für Michael Baumgartens Serie, wo man vor lauter Unschärfe der Bäume den Wald nicht mehr sieht. Stattdessen ein Rhythmus aus blauen Säulen mit Lichtflecken.
Der Wald, so scheint es, wird auf Fotografien stets zur Allgemeingültigkeit. Er kann dschungelartig und unheilschwanger sein wie bei Nina Pettinato, deren Fotos von einer Spannung zwischen romantisierend und dramatisierend bestimmt sind – oder hyperrealistisch nüchtern wie in den farbigen Großformaten von Michaela Dutkova. Ihr „Porträt“ einer kümmerlichen Krüppeltanne auf einer Lichtung illustriert stellvertretend, dass diese Schau mit dem Abziehbild vom Waldidyll nichts zu schaffen hat. Als störe jede Information das freie Assoziieren im Fotowald, haben die Ausstellungsmacher konsequent auf jegliche Bildinformationen, Titel und andere Angaben verzichtet. Nur die Namen der Fotografen sind genannt.
Unterholz und Abschottungskante
Mag der Wald für den Menschen eine Art Unterholz unterschiedlichster Gefühlslagen sein – vor der Haustüre mag er’s berechenbar. Das zeigt auf beklemmende Weise ein einziges Foto von Deana Kolencikova in dieser Ausstellung: Eine eng gepflanzte Hecke aus Nadelhölzern, Büschen und Sträuchern wird zur Abschottungskante. Kein Geheimnis nirgends.
Laufzeit bis 29. September. Geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 – 17 Uhr
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