
Maulkorb für Friedens-Studenten?


An der Universität fetzen sich eine Studentengruppe und ein Dekan. Anlass ist die Debatte über Rüstungsforschung. Die Unipräsidentin taucht beim Thema „Zivilklausel“ ab
Es geht um militärische Drohnen, Sprengstoffe, Kampfanzüge für Soldaten und vieles mehr. Wie im November bekannt wurde, bekommen zahlreiche deutsche und bayerische Hochschulen Forschungsmittel in Millionenhöhe aus der Rüstungsindustrie. Seither ist die Debatte neu entbrannt, ob sich Universitäten über eine „Zivilklausel“ selbst zu friedlicher Forschung verpflichten sollen. An der Uni Augsburg sorgt sie aktuell für mächtigen Ärger.
Einer der Kontrahenten ist eine kleine studentische Gruppe. Die „Initiative Friedliche Uni Augsburg“ will die Diskussion über eine Zivilklausel in der Grundordnung der Universität voranbringen. Doch nun fühlt sie sich ausgebremst. In einem offenen Brief an die Unipräsidentin beklagen die Studenten massive Angriffe an der Philologisch-Historischen Fakultät. Präsidentin Sabine Doering-Manteuffel halten sie vor, sie sei trotz mehrerer Anfragen seit über einem Jahr nicht zu sprechen.
„Für uns ist eine Grenze erreicht, sodass wir nicht länger schweigend alles hinnehmen“, sagt Miriam Schoeller von der Initiative. In dem offenen Brief wird Doering-Manteuffel zum Handeln aufgefordert. Sie solle sich für ein universitäres Klima einsetzen, „das den Rahmen für sachliche Diskussion und respektvolle Zusammenarbeit garantiert“.
Ein Streitfall dreht sich um einen entscheidenden Satz. Studenten der Initiative kritisierten öffentlich den Dekan der Philologisch-Historischen Fakultät Martin Middeke. Der Professor soll im Dezember zugesichert haben, dass er in der Einleitung für den Entwicklungsplan der Fakultät einen Passus befürwortet, wonach „Forschung, Lehre und Studium ausschließlich zivilen und friedlichen Zwecken dienen“. Nach einer internen Sitzung aller Unidekane habe Middeke dann seine Meinung plötzlich geändert. Der Punkt sei auf seinen Vorschlag auf unbestimmte Zeit vertagt worden.
Anders schildert der Dekan den Vorgang: „Ich habe nicht gesagt, dass meine Fakultät einen solchen Passus verabschieden solle“, so Middeke auf AZ-Anfrage. Er habe seine Meinung auch nicht geändert. Vielmehr seien sich alle Dekane einig. Man wolle eine gesamtuniversitäre Position zur Zivilklausel abwarten, bevor eine Fakultät allein die Initiative ergreift.
Richtig hoch schlugen die Wellen an der Uni aber noch aus einem anderen Grund. Dass die Initiative die Medien informiert hatte, kam intern offenbar nicht gut an. Doch auch darüber, wie dieser Streit eskalierte, gibt es zwei Versionen: Die Initiative schreibt, einzelne Studenten seien in der Fakultät „aufs Schärfste angegriffen“ worden, weil sie an die Öffentlichkeit gingen. Der Dekan habe ihnen nicht nur rechtliche Schritte angedroht, sondern auch die Einschränkung der studentischen Mitbestimmung.
Für Middeke entspricht auch diese Darstellung nicht der Wahrheit. Er sieht seinerseits einen „schweren Vertrauensbruch“. Auf diesen habe sich seine Kritik bezogen. Die Studenten hätten ohne Rücksprache Sitzungsinterna an die Presse weitergegeben.
Dazu sei er „falsch und unerlaubt“ zitiert worden. Tatsächlich aber sieht Middeke die künftige Arbeit in Kommissionen erschwert. Mit Blick auf die Initiative sagt er: „Wer die Regeln einer vertrauensvollen Zusammenarbeit so eklatant verletzt, dass er Vertrauliches eben nicht vertraulich behandelt, wird auch mit der Folge leben müssen, dass man ihm im Folgenden eben nur eingeschränkt vertraut.“
So wird an der Uni gestritten, wer was gesagt hat – oder nicht. Offen ist die Frage, wie es mit dem Diskussionsprozess über Rüstungsforschung weitergeht. Im vergangenen Jahr hatten noch einige Fakultäten klar ihre Meinung geäußert. Bei den Mathematikern und Naturwissenschaftlern gab es ein „Nein“ zur Zivilklausel. In der Katholisch-Theologischen Fakultät sprach sich der damalige Dekan als Kompromiss für die mildere Form einer „Friedensklausel“ aus. Inzwischen mag sich aber kaum einer mehr öffentlich äußern, welche Meinung er zum Thema hat. Auch bei den Theologen winkte man auf AZ-Anfrage diese Woche ab. „Kein Interesse“, ließ der Dekan mitteilen.
Wissenschaftsminister weist auf Freiheit der Forschung hin
Insider fragen sich inzwischen, ob die Unispitze die Debatte systematisch ins Leere laufen lässt. Denn gerade in Augsburg gilt die Zivilklausel als heißes Eisen.
Zwar ist an der Uni bislang kein Fall von Rüstungsforschung bekannt. Offen ist aber, ob sich im neuen Innovationspark gleich neben dem Campus Firmen ansiedeln werden, die begehrte Forschungsgelder für Projekte vergeben, die auch militärisch genutzt werden können. Politisch ist die Rüstungsforschung in Bayern aktuell ein umstrittenes Thema. Viele äußern sich dazu. Die Grünen haben im Landtag beantragt, dass es Transparenz über die laufenden Aktivitäten geben soll – und an Hochschulen im Freistaat möglichst keine Militärforschung mehr. Wissenschaftsminister Ludwig Spaenle weist dagegen auf die im Grundgesetz garantierte Freiheit der Forschung hin. Wissenschaftler seien auch an das Kriegswaffen-Kontrollgesetz gebunden. Der Minister willl es den Universitäten überlassen, ob sie sich eine Selbstverpflichtung über Beschränkungen in der Forschung auferlegen. Wie weit eine Zivilklausel aber für einzelne Wissenschaftler bindend sei, sei rechtlich schwierig zu beantworten.
Und was sagt nun Augsburgs Unipräsidentin zu den Forderungen nach einer Zivilklausel? Gegenüber Wissenschaftsstaatssekretär Bernd Sibler versicherte sie diese Woche, wenn es Gesprächsbedarf gebe, werde sie das Gespräch mit Studenten führen. Die Initiative Friedliche Uni Augsburg wartet allerdings weiter auf ein Treffen.
Und auch öffentlich hüllt sich Doering-Manteuffel in Schweigen. Weder zum offenen Brief noch zur Zivilklausel gab es eine Stellungnahme. Auf mehrfache schriftliche AZ-Anfragen kam nicht einmal eine Antwort. Pressesprecher Klaus Prem sagte nur lapidar: „Das Thema interessiert mich gerade nicht.“
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