Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Flüchtlingspolitik: Welche Folgen hat der UN-Migrationspakt?

Flüchtlingspolitik

Welche Folgen hat der UN-Migrationspakt?

    • |
    Masse und Einzelschicksale – das Weltthema Migration lässt keinen kalt. Da ist es wenig verwunderlich, dass ein internationaler Pakt zum Thema die Emotionen hochkochen lässt. 
    Masse und Einzelschicksale – das Weltthema Migration lässt keinen kalt. Da ist es wenig verwunderlich, dass ein internationaler Pakt zum Thema die Emotionen hochkochen lässt.  Foto: Alfredo Estrella, afp (Archiv)

    Der UN-Migrationspakt soll das Chaos bei der weltweiten Migration beenden. Gegner sehen in dem Papier eine Aufforderung zur massenhaften Flucht. Die USA, Österreich und andere europäische Länder verweigern sich. Auch die Zustimmung in der Schweiz wackelt. Dennoch: Mehr als 180 Regierungen wollen im Dezember in Marokko den „Globalen Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration“ annehmen – darunter Deutschland. „Er entspricht in vielen Punkten unserem Interesse. Er schadet uns in keinem einzigen Punkt“, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch.

    Welchen rechtlichen Status hat der UN-Pakt?

    „Der Pakt ist kein völkerrechtlicher Vertrag und nicht rechtsverbindlich“, heißt es aus dem Auswärtigen Amt. Die Ziffer 15 ist klar formuliert: „Es ist das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmen.“ Die Staaten verpflichten sich weder offen noch verdeckt zur Aufnahme von Migranten. Festgehalten wird das „souveräne Recht“ der Staaten, ihre „eigene Migrationspolitik zu bestimmen“. Nationale Hoheitsrechte werden weder eingeschränkt noch übertragen. Der Pakt entfaltet in der nationalen Rechtsordnung keine Rechtswirkung. Die Bundesregierung erhofft sich, dass andere Staaten ihre Mindeststandards verbessern. Dahinter steht die Hoffnung, dass in Zukunft auch andere Länder attraktiver für Migration werden und Deutschland so entlastet wird. Immerhin verpflichten sich die Unterzeichner – zumindest politisch – auch, eigene Staatsbürger, die in anderen Ländern kein Bleiberecht haben, zurückzunehmen. Auch das ist für Deutschland angesichts der erheblichen Probleme bei Abschiebungen von Interesse.

    Warum wird der Pakt überhaupt abgeschlossen?

    Bislang existiert kein internationales Abkommen über die Migration. Doch die Probleme sind offensichtlich: Mindestens 60.000 Migranten starben seit 2000 auf den Routen in ihre Wunschländer, viele von ihnen ertranken im Mittelmeer oder verdursteten in der Sahara. Hunderttausende Kinder, Frauen und Männer fallen jedes Jahr in die Hände krimineller Schleuser und Menschenhändler. Die Elendskarawanen, die in diesen Tagen durch Mittelamerika ziehen, symbolisieren das Chaos. In den Zielländern arbeiten und leben mehr als 250 Millionen Migranten, oft unter erbärmlichen Bedingungen. Der Pakt soll nun dafür sorgen, dass Migranten nicht ausgebeutet und besser integriert werden.

    Was sind die konkreten Ziele?

    Es werden 23 Vorgaben gemacht. So sollen verlässliche Daten über die Migration gesammelt werden, Migranten sollen Ausweispapiere erhalten, Migranten sollen nur als letztes Mittel festgesetzt werden dürfen, und die Staaten sollen ihre Grenzsicherung koordinieren. Laut dem Pakt sollen Migranten Zugang zu Grundleistungen erhalten, darunter fällt Schulbildung für Kinder. Diese Leistungen gehen aber nicht über die Angebote hinaus, zu denen sich Länder wie Deutschland, die Schweiz, Österreich oder Luxemburg ohnehin selbst verpflichten. So erkennen die Vertragsstaaten der UN-Kinderrechtskonvention das Recht auf Bildung an. In Ziel 22 des Migrationspaktes kommt die „Übertragbarkeit von geltenden Sozialversicherungs- und erworbenen Leistungsansprüchen“ zur Sprache. Die Staaten sollen diese Ansprüche von Migranten durch Gegenseitigkeitsabkommen regeln.

    Können Unterzeichnerstaaten unter politischen Druck geraten, wenn sie den Pakt nicht umsetzen?

    Wer sich entschließt, den Pakt zu unterzeichnen, geht keine rechtliche Verpflichtung ein, er gibt aber ein politisches Versprechen ab. „Allerdings haben die Staaten enorme Möglichkeiten, die Umsetzung auf die lange Bank zu schieben“, betont Stephane Jaquemet, Politikchef der Internationalen Katholischen Kommission für Migration in Genf. Regierungen könnten die Komplexität der Materie und fehlende Ressourcen als Vorwand für ihre Passivität bemühen. Zudem enthält der Pakt keine Fristen.

    Wird die Umsetzung überprüft?

    Ein „Überprüfungsforum Internationale Migration“, das sich aus Vertretern der Regierunen zusammensetzt, soll beobachten, ob sich die Unterzeichnerstaaten an den Pakt halten. Es soll ab 2022 alle vier Jahre zusammenkommen. Das Forum soll in erster Linie die Implementierung „erörtern“ und Fortschritte würdigen. Sanktionen kann es nicht verhängen.

    Haben die UN und die Regierungen Fehler gemacht?

    Führende Vertreter der Weltorganisation priesen während der UN-Verhandlungen über den Pakt immer wieder das „immense Potenzial“ der Migration. „Migranten sind eine bemerkenswerte Wachstumsmaschine“, warb UN-Generalsekretär Guterres. Von Ängsten und Risiken, die viele Menschen mit der Zuwanderung verbinden, war allerdings kaum die Rede. Die deutsche Bundesregierung und andere Regierungen haben den Pakt ihrer Bevölkerungen gar nicht oder kaum erläutert. Dadurch sei das „Verhetzungspotenzial, das hinter dem Thema steht, lange verkannt worden“, wie der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Stephan Harbarth, im Deutschlandfunk selbstkritisch einräumte.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden