
Wessels-Schuhe für das Volk
Oberhausen Der 1870 in Oldenburg geborene August Wessels erlernte das Schuhmacher-Handwerk und machte sich 1895 als Unternehmer in Augsburg selbstständig: Er begann mit der Fabrikation von flexibel gearbeiteten Sandalen. Das billige "Volks-Straßenschuhwerk" für die warme Jahreszeit schlug ein, und in der kleinen Produktionsstätte wurde es zu eng. Die im Jahre 1898 errichtete Fabrik in Oberhausen wurde 1903 bis 1908 laufend vergrößert und erhielt 1911 nach der Umwandlung des Privatbetriebs in eine Aktiengesellschaft ihre heutige Gestalt.
1910 waren in dem großindustriellen, modern eingerichteten Werk 829 Arbeiter und 120 Angestellte beschäftigt. Die Produktion stieg 1914 auf 1,8 Millionen Paar Schuhe im Wert von über fünf Millionen Goldmark. Von der Wirtschaftskrise 1920/21 erfasst, fusionierte Wessels zu den "Vereinigten Schuhfabriken Berneis-Wessels AG". 1930 wird das Augsburger Werk als "größte Spezialfabrik Deutschlands für Sandalen, Sandaletten, Sport- und Stoffschuhe" bezeichnet.
Gründer übernimmt Geschäfte wieder
Als 1931 die Schuhproduktion in Augsburg stillgelegt werden sollte, übernahm der Gründer August Wessels seine alte Firma wieder und machte sie mit Hilfe der Stadt Augsburg finanziell flott. Während des Zweiten Weltkriegs als "kriegswichtig" eingestuft, lief die Fertigung weiter, jedoch überwiegend mit damals "bedarfsgerechter" Produktion. Das Werk überstand die Bombardements mit geringen Schäden. Danach stellte man sich unter dem ab 1. Juli 1945 als Mitgesellschafter und Geschäftsführer fungierenden Dietrich Bahner rasch auf "Friedenswirtschaft" mit entsprechend modegerechtem Qualitätsschuhwerk um.
Die Stellung auf dem deutschen Schuhmarkt bestätigt die Mitarbeiterzahl: 1951 fanden in der "Schuhfabrik August Wessels" 1250 Menschen Arbeit und Lohn. 1954 war die Firma mit 1600 Mitarbeitern/innen in die Gruppe der größten deutschen Schuhfabriken vorgestoßen. Dann wirkten sich Automatisierung und Spezialisierung aus: 1968 waren für eine Tagesproduktion von 5000 Paar modischer Schuhen nur mehr etwa 1000 Beschäftigte vonnöten. In diesem Jahr wechselte der Besitzer. "Wessels" gehörte nun zur Romika-Gruppe, die alsbald die Belegschaft weiter herunterfuhr (bis 1975 auf 522). Anfang 1982 kam das Ende: Die traditionsreiche Schuhfabrik wurde geschlossen und die zuletzt 425 Arbeitskräfte entlassen.
1985 kam das gesamte Areal an S. und I. Schmitt GbR in Gersthofen. Sie ließen von 1986 bis 1990 den gewaltigen Gebäudekomplex (umbauter Raum 60220 Kubikmeter, Nutzfläche 13200 Quadratmeter) durch das Architekturbüro Hans Schrammel in der heutigen Form umbauen. Dabei wurde durch eine als vorbildlich bezeichnete Restaurierung das alte äußere Erscheinungsbild wiederhergestellt. Im Inneren ist es funktions- und nutzungsgerecht. Der Umbau wird von Denkmalschützern als gelungenes Beispiel für die Erhaltung von Industriedenkmälern durch Umnutzung angesehen und als Beleg für die vielfältige Nutzbarkeit und Attraktivität qualitätvoller Industriearchitektur bezeichnet.
In der Denkmalliste wird die U-förmige viergeschossige Wessel'sche Schuhfabrik mit ihren Ecktürmen und dem monumental wirkenden Turm im Eingangsbereich als eines der bedeutendsten und zugleich mächtigsten Industriedenkmäler in Augsburg bezeichnet. Es bestimme städtebaulich wirksam die Silhouette. Der schönste Überblick bietet sich nach Besteigen des Gaskessels: Der gesamte Gebäudekomplex liegt zu Füßen!
Skelettbau aus Stahlbeton
Drei bedeutende Architekturbüros hatten das Aussehen geprägt: der heute vor allem durch den Bau von Hessings "Kurhaus" in Göggingen bekannte Jean Keller (1844-1921), Eduard Rottmann und der überregional renommierte Stuttgarter "Industrie-Architekt" Philipp Jakob Manz (1861-1936). Der Stahlbetonskelettbau mit großen feingliedrigen Fenstern und betonten senkrechten Streben kommt dem ebenfalls von P. J. Manz entworfenen "Glaspalast" der SWA sehr nahe. Jugendstilelemente im Eingangsbereich lockern die strenge Note auf. Der Verwaltungstrakt an der August-Wessels-Straße schließt das "U" zum Großteil an der vierten Seite.
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