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Foto: Silvio Wyszengrad (Symbolbild)
Foto: Silvio Wyszengrad (Symbolbild)

Kleingärten sind begehrten denn je, doch nicht immer herrscht in den Anlagen Harmonie.

Augsburg
21.06.2022

Ist der Riesenzoff in einer Oberhauser Kleingartenanlage nun beigelegt?

Von Andrea Baumann

Plus Seit Jahren geht es in der Anlage Hirblinger Straße mehr um Anzeigen als ums Garteln. Zwei Pächter stehen mit dem Vorstand auf Kriegsfuß. Jetzt fanden Neuwahlen statt.

Kleingartenanlagen gelten als Oasen der Erholung. Manchmal kriegen sich die Gartlerinnen und Gartler aber in die Wolle, wenn der Grillduft aus Nachbars Garten zu intensiv und Ruhezeiten ein Fremdwort sind. Und manchmal muss die Vorstandschaft ein Machtwort sprechen, wenn Parzellen nicht gepflegt oder Hecken falsch beschnitten werden. Doch das, was sich in der Anlage Hirblinger Straße im Stadtteil Oberhausen seit ein paar Jahren sommers wie winters abspielt, hat nichts mit Unkraut oder unerlaubt aufgestellten Trampolinen zu tun.

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Handfester Krach mit Anzeigen und Beschuldigungen

Es geht vielmehr um einen handfesten Krach zwischen zwei Lagern mit zahlreichen Anzeigen, gegenseitigen Beschuldigungen und mehrfach anberaumten Terminen vor dem Augsburger Amtsgericht - Abteilung Bürgerliche Angelegenheiten. Doch wer glaubte, dass der Streit, der letztlich in außergerichtlichen Schlichtungsterminen "beigelegt" wurde, tatsächlich begraben ist, sah sich bei der Jahreshauptversammlung der Kleingartenanlage eines Besseren belehrt.

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Foto: Andrea Baumann
Foto: Andrea Baumann

Der langjährige Ohmann Dieter Bartl und seine Nachfolgerin Claudia Rosenwirth.

Eigentlich sollte die Zusammenkunft zum Ehrentag für Obmann Dieter Bartl, 78, werden, der die Anlage - mit einer kurzen Pause - seit den 1980er-Jahren geleitet hat und nun altersbedingt den Posten freimachen will für eine Nachfolgerin. Neben zahlreichen Mitgliedern sind zu diesem Abschied auch Oberbürgermeisterin Eva Weber und Norbert Wolff als Chef des Stadtverbandes der Kleingärtner samt Stellvertreterin und Rechtsanwalt in die Hirblinger Straße gekommen. Ebenso das "andere Lager" um die Gartenpächter Ludmila Koller und Hermann Stickroth.

Ex-Obmann Bartl: "Diese Leute haben hier nichts zu suchen"

Auf die beiden kommt der langjährige Obmann rasch in seiner Abschiedsrede zu sprechen. Es sei sein größter Fehler gewesen, Ludmila Koller einst zur Kassiererin gemacht zu haben. Und auch Hermann Stickroth sei in seiner Funktion als Bezirksobmann - eine Art Bindeglied zwischen mehreren Anlagen und dem Stadtverband - "vom ersten Tag an ein Ausfall" gewesen. "Das Einzige, was er konnte, waren Vorwürfe gegen die Vorstandschaft und Anzeigen gegen mich und Claudia Rosenwirth" (die Nachfolgerin von Koller als Kassenwartin und designierte Nachfolgerin von Bartl, Anm. d. Red.). Bartl macht kein Hehl daraus, dass ihm die beiden Gartler ein Dorn im Auge sind. Er habe schon zweimal beim Stadtverband den Antrag gestellt, ihnen zu kündigen. "Diese Leute haben hier nichts zu suchen."

Doch die beiden bewirtschaften nach wie vor eine Parzelle in der Kolonie. Der Stadtverband hat sie bislang lediglich abgemahnt, auch weil eine Kündigung offenbar gar nicht so einfach zu bewerkstelligen ist aufgrund zweier unterschiedlicher Gesetzmäßigkeiten - einerseits der Mitgliedschaft im Verein und andererseits des Pachtverhältnisses. Und so ergreifen die Abgemahnten in der Versammlung das Wort. Während Koller sichtlich erregt den Rücktritt der kompletten Vorstandschaft fordert und von einem "grenzwertigen Umgang" des Stadtverbands mit dem seit Kurzem von seinem Amt als Bezirksobmann beurlaubten Stickroth spricht, wirkt dieser nach außen hin ruhig und beherrscht. Und er wirft seinen Hut als Nachfolger von Bartl in den Ring. "Heute entscheiden wir darüber, ob wir demokratisch und respektvoll miteinander umgehen. Das habe ich hier in den letzten Jahren vermisst."

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Durch Anträge und Anfragen zu den Berichten bringen die beiden Gartenpächter auch die Themen zur Sprache, die in den vergangenen Jahren im Mittelpunkt des Zwistes standen. Allen voran eine Rechtsanwaltsrechnung des damaligen Interimsobmanns in Höhe von knapp 500 Euro aus dem Jahr 2018, die aus der Vereinskasse beglichen worden war. Der Vorsitzende war vom Pächter der Anlagenwirtschaft wegen unerlaubten Betretens des Lokals angezeigt worden. Der Beschluss, die Anwaltsgebühren für den angezeigten Obmann zu übernehmen, sei damals einstimmig gefallen, heißt es. Auch Ludmila Koller - zu dem Zeitpunkt Kassiererin - habe dafür gestimmt.

Später erstattete sie jedoch Anzeige wegen Veruntreuung des Vereinsvermögens durch den damaligen Obmann sowie gegen Bartl und die dann amtierende Kassenwartin Rosenwirth wegen Untreue durch Unterlassung. Sämtliche Verfahren seien eingestellt worden, informiert Stadtverbandschef Wolff die Versammlung.

Bartls Wunschkandidatin ist die neue Obfrau der Kleingartenanlage

Das Gros der Mitglieder jedenfalls schenkt Claudia Rosenwirth an diesem heißen Nachmittag im Juni 2022 das Vertrauen und sie wird - bei einigen wenigen Gegenstimmen - zur Nachfolgerin von Dieter Bartl gewählt. Über Gegenkandidaten Stickroth wird wegen des eindeutigen Ergebnisses gar nicht mehr abgestimmt. Bartl ist die Erleichterung anzumerken, dass seine Wunschkandidatin in seine Fußstapfen treten kann. Er werde seinen Garten behalten, sich aber ansonsten zurückhalten, kündigt er an. Sein Rat an die neue Vorstandschaft und die Verantwortlichen im Stadtverband: "Quertreiber rausschmeißen, die haben hier nichts zu suchen."

Für Norbert Wolff ist die Versammlung jedoch kein Anlass, die beiden Pachtverhältnisse zu kündigen. Es sei zwar kontrovers diskutiert, aber alles erledigt worden. "Die sollen sich friedlich verhalten", sagt er in Richtung von Ludmila Koller und Hermann Stickroth. Dabei wäre es im Zweifelsfall ein Leichtes, neue Pächter für Parzellen zu finden. Denn Corona hat der ohnehin schon immensen Nachfrage nach einem Kleingarten einen weiteren Schub verpasst. 3700 Gärten in 52 Anlagen gibt es derzeit unter der Regie des Stadtverbands in Augsburg. Fast 1900 Bewerberinnen und Bewerberinnen stehen derzeit laut Wolff auf der Warteliste - vereint in dem Wunsch, eine Oase der Ruhe und der Erholung im Grünen zu ergattern.

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