
Das Eichamt: Ein Glasnegativ zeugt heute von Elias Holls "Fass-Eiche"

Plus Das Gebäude Am Schwall wurde im Jahr 1613 erbaut und 1929 abgebrochen. Das Eichamt Augsburg hat eine 750 Jahre alte Tradition. Wo es sich heute befindet.
Am 28. Februar wurde der 450. Geburtstag von Elias Holl in seinem bekanntesten Bauwerk, dem Augsburger Rathaus, gefeiert. Eine Holl-Ausstellung wird ab 16. Juni im Maximilianmuseum zu sehen sein. Es werden auch Bauten des Stadtbaumeisters in Erinnerung gebracht, die längst verschwunden sind. Das reichsstädtische Siegelhaus wurde 1809 abgebrochen. Es würde auf der Maximilianstraße zwischen Herkulesbrunnen und den St.-Ulrich-Kirchen stehen. Das Bäckenhaus mit prachtvoller Fassade brannte 1944 im Bombenkrieg aus. Es stand am Perlachberg gegenüber dem Perlachturm. Nicht so einfach zu verorten ist das 1929 abgebrochene Eichgebäude Am Schwall.
In dem Gebäude von Elias Holl wurden Weinfässer geeicht
Es war ein städtischer Zweckbau wie die Wassertürme und die Gießhalle am Katzenstadel, die es noch gibt. Elias Holl hatte im Alter von 40 Jahren das stattliche Gebäude 1613 vor allem zum Eichen von Weinfässern errichtet. Daher wurde es "Fass-Eiche", in der Kurzform "Eicht", genannt. Das Wasser des Schwalllechs wurde zum Eichen benötigt. Die Fass-Eiche war mit Fuhrwerken auf kurzem Weg über den Predigerberg von der Maximilianstraße aus erreichbar. Dort stand das Siegelhaus (Steueramt). Daran schlossen sich städtische Weinlager an. Sie waren der Handelsplatz für Wein.

Die Holl‘sche "Eicht" war langlebig: Sie diente 315 Jahre als Eichamt. Das Gebäude ist auf Fotos und auf Postkarten überliefert. Das Stadtarchiv verwahrt die stimmungsvollste Originalaufnahme: ein großformatiges Glasnegativ. Aufgrund chemischer Veränderungen der fotografischen Schicht ergibt das Schwarz-Weiß-Negativ im Scanner ein nostalgisch erscheinendes digitales Farbbild.
Mit dieser Aufnahme ist der Standort des Eichgebäudes allerdings kaum mehr zu bestimmen. Allzu viel ist in diesem Bereich abgebrochen oder durch Bomben zerstört. Bilder aus anderen Blickwinkeln, wie eine Bildpostkarte von 1905 mit der Aufschrift "Am Schwall", helfen, das Eichgebäude mit Uhrtürmchen zu verorten: Es stand bis 1929 südlich des Klosters St. Ursula.

Gegenüber der "Eicht" befand sich die Freibank (1944 zerbombt). Dazwischen verblieb eine schmale Durchfahrt für den Fahrzeugverkehr zwischen dem Predigerberg und der Forsterstraße. Wegen dieser Engstelle war der Abbruch des Eichgebäudes bereits 1910 ins Auge gefasst worden. 1929 war er unumgänglich geworden. Mit dem Holl-Bau verschwand ein Gebäude, mit dem sich die Geschichte des Eichwesens in Augsburg verband.
Drastische Strafen für Augsburgs Eich-Betrüger
Bereits im Stadtrechtsbuch von 1276 ist die Überwachung von Maß und Gewicht zum Schutz der Bürgerschaft festgelegt. Die Strafen für Betrüger waren drastisch. "Findet man ein zweites Mal unrichtiges Gewicht in eines Mannes Gewalt, so ist ihm die Hand abzuschlagen“, heißt es 1276. Benutzte ein Wirt beim Ausschank falsche Maßgefäße, war beim zweiten Ertapptwerden eine hohe Geldstrafe fällig, beim drittem Mal die rechte Hand.

Für die Kontrolle von Maß und Gewicht war bis ins 15. Jahrhundert der reichsstädtische Münzmeister zuständig. Ob Goldschmied oder Metzger: Sie durften nur vom Münzmeister geprüfte und gestempelte Gewichte benutzen. Es bestand Eichzwang. Für die Eichung von Großwaagen, Fässern, Getreide- und Längenmaßen waren spezielle Eichmeister zuständig. Aus dem Jahre 1424 ist die älteste Augsburger Eichordnung erhalten. Darin ist festgelegt, dass das Stadtwappen, der sogenannte Stadtpyr, das Prüfzeichen auf Maßen und Gewichten sei. Reichsstädtische Eichmeister mussten einen Amtseid ablegen. Der Wortlaut ist im Eidbuch von 1583 aufgezeichnet. Es wird im Stadtarchiv verwahrt.
Augsburger Eichamt zog mehrmals um
Ein "Eichhaus" erscheint erstmals 1447 in Steuerbüchern. 1558 wird von einem Neubau unterhalb des Perlachbergs berichtet. Im Jahr 1613 erhielt Elias Holl den Auftrag zum Bau einer "Fass-Eicht" am Schwalllech. Der geräumige Bau war bis zum Abbruch 1929 Dienstsitz des Eichamtes. Es siedelte in die Stadtmetzg um. Von 1930 bis 1941 war es im Stadtmarkt untergebracht, danach im Schlachthausgäßchen 6 neben der Stadtmetzg. 1960 wurde ein Gebäude des einstigen Artilleriedepots an der Gögginger Straße zum Eichamt umgebaut.

Die vielfältigen Aufgaben von Eichämtern wuchsen mit der Technisierung immens. Erst als Ende der 1980er-Jahre auf dem Areal an der Gögginger Straße ein Strafjustizzentrum geplant wurde, kam auch die Planung für einen zeitgemäßen Neubau für das Eichamt an der Weddigenstraße 30 in Haunstetten in Gang. Am 11. Mai 1994 wurde es eingeweiht. Das Eichamt Augsburg ist eines der über Bayern verteilten zwölf regionalen Eichämter des Bayerischen Landesamtes für Maß und Gewicht. Es setzt die 750-jährige Tradition des Eichwesens in Augsburg fort.
Weitere stadthistorische Exkursionen von Franz Häußler finden Sie hier.
Sie haben nicht die Berechtigung zu kommentieren. Bitte beachten Sie, dass Sie als Einzelperson angemeldet sein müssen, um kommentieren zu können. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an moderator@augsburger-allgemeine.de.
Um kommentieren zu können, gehen Sie bitte auf "Mein Konto" und ergänzen Sie in Ihren persönlichen Daten Vor- und Nachname.
Bitte melden Sie sich an, um mit zu diskutieren.