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Hoftheater: Aus dem Leben der Person Ypsilon

Hoftheater

Aus dem Leben der Person Ypsilon

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    Vor den Balkonen einer Wohnanlage im Hochfeld traten die Künstler auf. Hier zeigt sich Christian Beppo Peters als verrückter Zauberer.
    Vor den Balkonen einer Wohnanlage im Hochfeld traten die Künstler auf. Hier zeigt sich Christian Beppo Peters als verrückter Zauberer. Foto: Michael Hochgemuth

    Natürlich erinnerte das Bild der Menschen, die am Sonntagnachmittag von den Balkonen ihrer Wohnungen in der Dr. Lagai-Straße im Hochfeld aus kräftig Beifall in Richtung der großen Gemeinschaftswiese spendeten, an die Szenen, die uns zum Pandemiestart zugespielt wurden. Diesmal galt der Applaus allerdings den zehn Darstellerinnen und Darstellern, die dort mit nur einem Tisch, einem immensen Kartonberg samt allerlei Requisiten sowie einer kleinen Lautsprecheranlage in einer knappen Stunde ebenso poetisch wie humor- und fantasievoll in drei miteinander verwobenen Sequenzen prägende „Rituale im Leben der Person Ypsilon“ entfaltet hatten.

    Womöglich etabliert sich der Balkon-Beifall zukünftig ohnehin als weiteres (Corona)-Ritual? Genau um dieses Phänomen kreist in diesem Jahr das kulturelle Rahmenprogramm zum Augsburger Hohen Friedensfest. Das mobile Freiluft-Kooperationsprojekt, für das sich das FaksTheater mit bluespots productions & performic sowie Christian „Beppo“ Peters zusammenfanden, firmiert unter der Schlagzeile „Zeitfenster-Szenencollage vor deinem Fenster“. Es ist für Interessenten, die über entsprechend geeignetes Hof-und Gartenterrain verfügen, auch weiterhin buchbar (unter www.kultur-vor-dem-fenster.de).

    Das lohnt sich! Denn wer wollte nicht das liebevoll und individuell gestaltete Geburtstagsritual miterleben, mit dem sich in Anlehnung an ein Ernst-Jandl-Gedicht Karla Andrä zunächst „bezwetschiget“, um dann Geburt und Taufe ihres „Ypsilons“ zu feiern. Begleitet wurden dann rituell und flott folgend der neunte Kindergeburtstag und der leicht melancholische Abschied aus dem Elternhaus mit Vollendung des 18. Lebensjahres. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Gitarristen Josef Holzhauser wiegten sie ihren Ypsilon im Bettlaken und wünschten ihm singend und ermutigend „Talent, gute Ideen, nette Eltern, viel Geld und ganz viel Glück.“

    Letzteres empfand dann Daniela Nering, die Person Ypsilon in ihrer mittleren Lebensphase verkörperte, sobald der Paketbote an der Tür klingelte, um den konsumorientierten Lebensalltag zu bereichern. Doch bald überwältigt diese Karton-Reizüberflutung, sodass sich beschleunigt durch die Tänzerin Ema Kawaguchi und musikalisch verstärkt durch Lilijan Waworka alles wirr im Kreise dreht. Auch der „crisis manager XVC“ samt schwindelerregender Bedienungsanleitung bietet keinen Ausweg aus der von Gianna Formicone mit Gespür für emotionale Grenzsituationen in Gang gesetzten Szene. Der findet sich erst in der Einsicht, dass auch Ypsilon die Freiheit besitzt, den Lebenssinn selber zu bestimmen.

    Wie sich ein erfüllter Lebensabend für den Menschen „Ypsilon“ anfühlen kann, der das Kind in sich und wertvolle Erinnerungen an das Früher bewahren konnte, demonstrierte Christian Beppo Peters als leicht verrückter und euphorischer „Zauberer“ am Ende dieser inspirierenden kleinen Open-Air-Theatercollage. Dank ihres sinnlich-bildhaften Konzepts sprach sie auch das jüngere Publikum an, das gemeinsam mit den Eltern auch die Wiesenplätze eingenommen hatte und sich lustvoll dem kollektiven Balkonbeifall anschloss.

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