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Konzert: Der wuide Hund trägt jetzt Anzug

Konzert

Der wuide Hund trägt jetzt Anzug

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    Gereifter: Georg Ringsgwandl trägt jetzt Jackett und Hut.
    Gereifter: Georg Ringsgwandl trägt jetzt Jackett und Hut. Foto: Andreas Schmidt

    Der wuide Hund Ringsgwandl scheint gezähmt zu sein. Im Anzug mit Krawatte und Hut schleppt sich der einstige Gaudibursch auf die Bühne der Stadthalle Gersthofen. Von Rückenschmerzen geplagt zieht er sich am Mikrofonständer hoch. Möglich sei dies eh nur noch durch Physiotherapie, verrät der 70-jährige Musiker. So setzt sich der Liedermacher gleich wieder, um an der Zither mit „motherfucking Stubnmusi“ zu starten. Melancholisch legt er los mit „Nur ein paar alte Sachen“.

    Vergilbte Liebesbriefe, ein verwittertes Foto stammen aus Zeiten weit weg von heut. Auch ein paar Lieder sind im Laufe der Jahrzehnte daheim beim Georg Ringsgwandl in den Schubladen liegen geblieben. Für die neue CD „Andacht und Radau“ hat er sie dem Schattendasein entrissen, aus gutem Grund, wie an diesem Abend zu hören ist. Wobei keineswegs alles von gestern ist. Up to date ist das groovige „Digitale Proletariat“: „Du hast nicht kapiert, dein Handy spielt mit dir.“

    Der gereifte Ringsgwandl spielt zusammen mit hervorragenden jungen Musikern. Die verstehen es, ihr Temperament im überwiegend leiseren ersten Konzertteil zu zügeln. Für den Sänger sind heutzutage schon „Wuide unterwegs“, wenn sie sich mit Euro-4-Plakette an ihren Autos nach Stuttgart hineintrauen. Der Liedermacher erzählt von wilderen Zeiten. Damals hatte er vor einem Open Air mit seiner Band vor Aufregung maximal vorgeglüht, was durchaus zu Bewusstseinsaussetzern führte. Trotzdem erinnert sich Ringsgwandl, schon damals über Missbrauch gesungen zu haben wie jetzt wieder: „Gerechtigkeit ist Illusion, dafür gibt’s die Religion.“ Für ihn ein zeitloser Song. „Kaum sind 30 Jahre vergangen, schon wird’s aufgearbeitet.“

    Zwischendurch hat der Kabarettist einiges zu erzählen, beispielsweise über seinen halb tauben Zitherlehrer oder die Ex-Freundin aus der Firnhaberau. Letztere gönnte ihrem Pudel Hühnerfrikassee, während sie ihren bayerischen Freund mit Brühe abspeisen wollte. Diese Freundin wurde damals abgelegt, ebenso wie Anzug und Krawatte im zweiten Konzertteil. Nun ist mehr Radau als Andacht angesagt und Ringsgwandl quicklebendig. Da mimt er schon mal den Rapper, der sich in den Schritt greift. Und wenn es um architektonische Zumutungen geht, brüllt er: „Reiß die Hüttn weg!“

    Die Band darf zwischendurch richtig Gas geben. Der Abend endet aber so, wie er begonnen hat, ganz langsam mit Zither und Stubenmusi. Der 70-Jährige singt über einen mit krummem Gesicht, über den sich die Leute lustig machen. Dann verbeugt sich Georg Ringsgwandl ganz tief. Die Physiotherapie macht’s möglich.

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