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Django Reinhardt Festival: Ein vielversprechender Neubeginn

Django Reinhardt Festival

Ein vielversprechender Neubeginn

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    Sie hören perfekt aufeinander: Joel Locher (Bass), Robin Nolan (links) und Wawau Adler (rechts) im Parktheater.
    Sie hören perfekt aufeinander: Joel Locher (Bass), Robin Nolan (links) und Wawau Adler (rechts) im Parktheater. Foto: Michael Hochgemuth

    Schon vor dem Konzert geht es los. Im Foyer des Parktheaters haben sich der 17-jährige Mindelheimer Elias Prinz und der 19-jährige David Riter aus Köln zwei Gitarren aus der Ausstellung der Gitarrenbauer geschnappt und spielen kunstvoll miteinander im Stil Django Reinhardts. Eine der vielen kleinen spontanen Jam-Sessions der virtuosen Nachwuchstalente, die die Zuhörer in den Freitagabend mit dem „Gypsy-Highlight“-Konzert des Django-Reinhardt-Festivals geleitet. Kurze Zeit später erlebt das alte Kurhaus eine dreieinhalbstündige Musikexplosion, die grandios die swingende Tradition Stéphane Grappellis mit jazzigen Bebop-Eskapaden verschmelzen lässt. Sandro Roy (Violine), der als Gastgeber auftrat, Marcel Loeffler (Akkordeon), Jermaine Landsberger (Piano), Joel Locher (Bass), Guido May (Schlagzeug) und als Stargast Roby Lakatos (Violine) eröffneten das „Internationale Django Reinhardt Festival“, der Nachfolger des „Django Reinhardt Memorials“, nachdem sich nach 25 erfolgreichen Jahren der Verein „Hot Club News“ im letzten Jahr aufgelöst hatte.

    Europaweites Renomee

    Drei Tage lang drehte sich für die internationalen Fans, Musiker und Gitarrenbauer alles um den Gypsy Swing und sein Idol Django Reinhardt sowie seine musikalischen Nachfahren. Neben Workshops für verschiedene Instrumente spielten namhafte internationale Jazz- und Swing-Größen in Konzerten und kleinen Sessions auf. Damit ist klar: Das europaweit renommierte „Memorial“ hat einen würdigen Nachfolger gefunden, bei dem das hohe Niveau des Musikertreffens gehalten werden konnte.

    Das Festival hat große Bedeutung in der europäischen Sinti-Musiker-Szene. Hier kommen Musiker zusammen, um miteinander zu improvisieren; man merkt ihnen die Freude daran an, nicht nur auf der Bühne, sondern auch nachmittags auf dem großen Gelände des Kurhauses, wo mal entspannt, mal einander anstachelnd musiziert wird.

    Improvisationen auf höchstem Niveau

    Musikalisches Temperament zeichnet das Festival aus. Zwei Spitzengeiger wie der 24-jährige Sandro Roy und der Ungar Roby Lakatos mit seiner speziellen pizzicato-Technik werfen sich die Bälle zu, das Motiv des einen wird beim anderen raffiniert ergänzt, harmonisch variiert und spielerisch wieder dem Kollegen überlassen. Dabei ist schnell klar, wer die Rolle des gelassenen Weltstars übernimmt und wer als junger Wilder auftritt. Technisch bieten die Improvisationen höchstes Niveau. Natürlich auch, wenn der stets aufmerksame und sprungbereite Jermaine Landsberger am Klavier übernimmt. Bei ihm bleibt dem Publikum der Atem weg, seine Finger perlen temperamentvoll über die Tastatur, alles wirkt lässig, auch wenn ihm bald der Schweiß auf der Stirn steht. Diese fiebernde Energie überträgt sich auf die anderen Musiker, die sich trotz Vorlagen vom Idol Django auch in Richtung Jazz-Rock, mit Ausflügen zu den Musette-Walzern bewegen.

    „Die Festivals funktionieren als Familientreffen“, erklärt Fotograf Hinrich Wulff, der seit Jahren die Manouche- und Sinti-Szene dokumentiert. Die Musik verbindet alle – fast jeder scheint ein ausgezeichneter Musiker zu sein. Deswegen fährt Wulff aus dem Taunus jedes Jahr zu Festivals nach Frankreich und Belgien, seit 10 Jahren auch nach Augsburg. Er hält das international gefeierte Festival – das größte Gypsy-Swing-Treffen in Deutschland – für einen Schatz, den die Stadt nicht genug zu schätzen scheint.

    Zur Übernahme des in der Szene eingeführten Festivals sieht sich Parktheater-Chef Stefan Weippert mit Blick auf die Verfolgung der Sinti und Roma auch „historisch verpflichtet“. Dazu erkennt er die große „Lebendigkeit“ dieser Musik-Szene, die auch in der Erweiterung der reinen Gitarrenkonzerte um Geige, Akkordeon und Gesang zu finden ist. „Gypsy-Jazz soll nicht zur musealen Angelegenheit werden“, meint er. Das zeigt sich in der Auswahl der beiden Preisträger des neu ausgelobten, undotierten „Django-Reinhardt-Festivals-Preises“: Robin Nolan und Philip Catherine, zwei Künstler, die in den letzten Jahren oft hier auftraten und die die Tradition des großen Jazz-Gitarristen sowohl bewahren als auch sehr eigen interpretieren. Nolan wird auch ausgezeichnet wegen seiner nicht-kommerziellen Video-Clips, in denen er Spieltechnik und Tipps zum Gypsy Jazz vermittelt. „Ich möchte den Leuten helfen, Spaß am Musizieren zu haben“, erklärt er. Zumal in der Gypsy-Szene viele Musiker Autodidakten sind und nicht Noten lesen können. „Ich weiß nicht einmal, was ein Arpeggio ist“, sagt augenzwinkernd Gitarrist Wawau Adler. „Ich kann das zwar spielen, aber nicht erklären.“

    "Deshalb ist Jazz Freiheit"

    Bei der Preisübergabe erinnert Weippert dankbar an die Arbeit des Hot Club News Vereins. Beraten wurde er bei der Auswahl der Künstler vom Augsburger Sandro Roy, der in seiner Person eine kreative Mischung der Musikstile vereinigt. Von seiner Sinti-Familie von klein auf mit Gypsy-Swing infiziert studiert er bei Linus Roth am LMZ klassische Violine und bewegt sich mit genialer Musikalität zwischen den Stilen. „Bei der Klassischen Musik ist jeder Bogenstrich vorgegeben und damit perfekt, beim Jazz ist man selbst Komponist“, fasst er den Unterschied zusammen. „Deshalb ist Jazz Freiheit.“

    Ob als Trio oder im größeren Ensemble, auch bei den international gefeierten Gitarristen (darunter Wawau Adler, Paulo Morello und Giovanni Weiss), die am Samstag auftreten, merkt man, wie genau sie aufeinander hören und sich beim Improvisieren aufeinander beziehen. Diese unbändige Spielfreude findet man selbst im Jazz selten. Dazu Improvisationen, die das übliche Schema verlassen und im schnellen Wechsel zwischen zwei Musikern entwickelt werden. Die sich auch anerkennend im nächsten Solo aufeinander beziehen. Dass das ursprüngliche Thema von Django Reinhardt stammt, vergisst man mitunter. Der große Django bildet aber weiterhin das Gerüst, das diese Musiker zusammenfinden lässt. Doch diese Musik will leben, frei sein und sich weiter entwickeln, auch Richtung modernem Jazz. Auf allerhöchstem Niveau, versteht sich.

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