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Serie: Für eine Freundin hat er jetzt keine Zeit

Serie

Für eine Freundin hat er jetzt keine Zeit

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    Für eine Freundin hat er jetzt keine Zeit
    Für eine Freundin hat er jetzt keine Zeit

    Ein bisschen mehr Freizeit nimmt sich Marius Herb jetzt auch. Wenn der 18-Jährige das sagt, meint er ein paar Stunden am Sonntag. Ansonsten dreht sich sein Leben ganz und gar um die Musik. Er ist im fünften Semester seines Kirchenmusik-Studiums in Regensburg angekommen. Mittlerweile ist noch ein zweites Hauptfach hinzugekommen: Konzertorgel. Noch mehr Stunden unter der Woche, noch mehr Üben. Und Marius ahnt, dass er den Bogen nicht vollkommen überspannen darf – deshalb hat er sich ein „bisschen mehr Freizeit“ zugestanden.

    Aber dann sieht er in Regensburg eben auch die Studenten, die Freizeit viel größer schreiben und ihr Studium nur halbherzig angehen. Das möchte er nicht. Marius weiß, dass er jetzt die Grundlage für das Leben als Kirchenmusiker schaffen muss, dass er im Studium die Basis für alles Spätere legt. Mehr Zeit zum Üben, Spielen, Verbessern, Verstehen wird er später nicht haben. Deshalb lässt Marius sich nicht ablenken. Eine Freundin? „Dafür habe ich jetzt keine Zeit“, sagt er.

    Am Fleiß soll es nicht scheitern

    Bevor der Unterricht und die Seminare beginnen, sitzt Marius jeden Morgen an einer der Übungsorgeln. Im Idealfall zwei, zweieinhalb Stunden, damit er abends nach den Einzelstunden und den Seminaren nicht mehr so viel machen muss. „Von meinen Professoren bekomme ich Impulse“, sagt er. Wie er damit umgeht, was er aus diesen Impulsen macht, das hängt entscheidend von seinem Fleiß ab, und an dem soll es nicht scheitern.

    Vor drei Jahren, als Marius noch in die Realschule ging und davon träumte, die Aufnahmeprüfung an der Kirchenmusikhochschule in Regensburg zu bestehen, war der Blick auf die Musik und das Kommende noch ein anderer. Die bestandene Aufnahmeprüfung ist nicht das Ziel allen Strebens, sondern der Anfang; damals hatte er es nicht geschafft, damals fing etwas an, nämlich das Orgelspiel mit nicht geahnter Intensität zu erlernen und zu studieren. Nun, nach fünf Semestern, ist bei Marius zu spüren, dass er erkennt, dass das Lernen nie aufhören wird, wenn er seinen Weg mit dieser Ernsthaftigkeit weitergeht, dass all das Üben an der Hochschule nur ein Anfang sein kann, weil es so viel zu spielen gibt, weil die Musik so viel zu bieten hat, sie so reich, vielfältig und unterschiedlich ist, dass ein Studium dafür nicht genügt.

    Von französischer Sinfonik begeistert

    Lernen heißt für Marius, nicht nur neue Werke zu entdecken, manchmal sind es auch Instrumente. Anfang dieses Jahres waren Regensburger Studenten in Paris, um dort in den großen Kirchen die Orgeln zu hören und auch zu spielen: Sie waren unter anderem in Notre-Dame, Saint-Sulpice, St.-Trinité auf den Spuren von großen Komponisten und gleichzeitig im Gespräch und begleitet von großen Organisten, etwa Olivier Latry und Daniel Roth. „Einer der besten Organisten der Welt“, sagt Marius. Und dieser zeigte ihnen „seine“ Orgel in Saint-Sulpice – „ein tolles Instrument“, findet Marius. Und er hatte keine Scheu, sich als junger Student an dieser Orgel auszuprobieren. Etwas von Luis Vierne, das dieser in seiner Zeit als stellvertretender Organist in St.-Sulpice komponiert hatte. „Seine Musik wirkt an diesem Ort noch authentischer.“ Überhaupt ist Marius von der französischen Orgelsinfonik begeistert. Es beeindruckte ihn schwer, dass er die Orgeln spielen konnte, an denen Widor, Vierne, Messiaen als Organisten und Komponisten tätig waren.

    So toll diese Erfahrung in Paris auch war, so sehr schwärmt Marius immer noch von der Orgel der Ulrichsbasilika in Augsburg. Dort spielte er das erste Mal auf einem großen Instrument. Wenn Marius jetzt an den Wochenenden bei seinen Eltern zu Hause in Hirblingen ist, kann es gut sein, dass er Peter Bader, den Kirchenmusiker von St. Ulrich und Afra, bittet, ihn dort üben zu lassen. „Im großen Kirchenraum zu spielen, ist immer etwas ganz anderes“, sagt Marius. Und sein Professor Franz Josef Stoiber bemerkt das in der nächsten Einzelstunde sofort: „Sie haben in einem großen Raum geübt?“

    Sein Amt als Studentensprecher hat Marius nach zwei Semestern wieder abgegeben. Jetzt sind andere gefordert, die Kommilitonen zur Mitarbeit und zum Mitorganisieren zu bewegen. Er trommelt lieber Freunde an der Hochschule für private Exkursionen zusammen, um anderswo neue Orgeln zu hören und auszuprobieren.

    Noch hat Marius einige Semester an der Musikhochschule in Regensburg vor sich. Aber wenn er den Blick nach vorn richtet und wenn er sich etwas wünschen dürfte nach seinem Bachelorstudium, dann würde er sehr gerne in Paris seinen Master machen, am liebsten bei Daniel Roth. Ob er dort in ein paar Jahren tatsächlich sein wird? Auf jeden Fall geht Marius seinen Weg als Musiker entschieden an – mit aller Kraft und allem Einsatz. Gute Voraussetzungen also.

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    In dieser Langzeitreportage begleiten wir drei vielversprechende Jugendliche aus der Region auf ihrem Weg in die Künste. Sie haben im Sommer 2015 gesagt, Organist, Schriftstellerin und Musical-Darsteller werden zu wollen. Damals haben wir das erste Mal von Marius Herb, Luca Opic und Lukas Mayer berichtet, sie waren 15, 14 und 16 Jahre alt. Heute sowie am 28. und 29. Dezember erzählen wir Ihnen wieder von den dreien.

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