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Städtebau: Gründervater der modernen Stadt

Städtebau

Gründervater der modernen Stadt

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    Als breiten Boulevard, wie man es aus den europäischen Großstädten Wien und Paris kannte, legte Ludwig Leybold die Bahnhofstraße an. Der Stadtbaurat gab Augsburg im 19. Jahrhundert ein neues Gesicht.
    Als breiten Boulevard, wie man es aus den europäischen Großstädten Wien und Paris kannte, legte Ludwig Leybold die Bahnhofstraße an. Der Stadtbaurat gab Augsburg im 19. Jahrhundert ein neues Gesicht.

    Das waren tatsächlich Gründerjahre, nicht nur für Unternehmer, sondern auch für Städtebauer, die damals den großen Wurf wagen konnten. Nach der Mitte des 19. Jahrhunderts, kurz vor der Reichsgründung, mitten drin in erfolgreicher Industrialisierung, mussten, durften, konnten die Städte vergrößert und umgestaltet werden. Auch Augsburg, der neben Nürnberg führende Industriestandort Bayerns. Das Architekturmuseum Schwaben beleuchtet jetzt zum Finale seiner Ausstellungstätigkeit unter der Leitung der Technischen Universität München eines der „Kernthemen“ der Stadtgeschichte, wie Prof. Andres Lepik es nennt – den Stadtumbau der Gründerzeit. Und die interessante Ausstellung erzählt unter dem Titel „Aufbruch in eine neue Ära“ damit auch von einem Gründervater des modernen Augsburg, dem Stadtbaurat Ludwig Leybold (1833 bis 1891), der der Stadt ihr neues Gesicht, und mehr noch: ihre neue Struktur gab.

    Zu klein war die Stadt schon lange geworden, seit Ende des 18. Jahrhunderts Textilmanufakturen und -fabriken aus dem Boden schossen. Sie entstanden nach dem „Startschuss“ der Schüleschen Kattunfabrik vor allem im Osten der Kernstadt – auf eigenes Risiko der Unternehmer, denn nach geltendem „Reversrecht“ mussten sie im Falle einer kriegerischen Belagerung wieder abgerissen werden, um die Lechebene als freies Schussfeld zu gewährleisten. Dazu kam es aber nicht (den Krieg dieser Zeit führten die Deutschen weitab von Augsburg im Westen gegen Frankreich), die Fabriken durften bestehen bleiben, und sie zogen viele Arbeitskräfte aus den ländlichen Regionen an. Für die gab es im alten ummauerten Augsburg kaum Wohnraum, und auch für unternehmerische Neugründungen sowie für die Verkehrsinfrastruktur fehlte der Platz.

    Da wurde es allgemein als Glücksfall gesehen, dass ab 1860 die mittelalterliche Stadtmauer in großen Teilen abgerissen werden durfte. So ergab sich zwischen dem ehemaligen Judenwall im Norden und dem Eserwall im Süden Raum für eine großzügige Stadterweiterung nach Westen hin (im Osten lagen ja schon die Textilfabriken), und dafür hatte schon Stadtbaurat Jakob Graff die Baulinien festgelegt. Er ließ etwa das Pferseer Gässchen zur Bahnhofstraße ausbauen und über die Annastraße mit der Altstadt verbinden, er projektierte auch Königsplatz und die Ringstraße des Eserwalls.

    Doch so richtig in die Vollen gehen mit der Stadterweiterung konnte erst Graffs Nachfolger Ludwig Leybold. Der gebürtige Münchner war in der Tradition Friedrich von Gärtners ausgebildet worden und hatte mit dem Gärtner-Schüler Gottfried von Neureuther den Würzburger Bahnhof errichtet. Er war in der königlichen Baubehörde in Kaufbeuren tätig gewesen, hatte mit einem Reisestipendium die neuen architektonischen Entwicklungen in Holland, Belgien, England und Frankreich studiert und sich danach als „Civilbauingenieur“ (d. h. Spezialist für Wohnungsbau) in Augsburg niedergelassen. Mit gerade 33 Jahren wurde Leybold 1866 zum Augsburger Stadtbaurat gewählt.

    Er begann sein Amt höchst ambitioniert, wollte Augsburg zu einer modernen Großstadt machen, die städtebaulich mit den europäischen Metropolen mithalten konnte. Wie der junge Stadtbaurat Maß nahm an den Städtebautheorien seiner Zeit, wie er sich die Stadterweiterungen von Paris und Wien zum Vorbild nahm, wie er auch die Vorgaben seines Vorgängers Graff weiterführte, das stellt die Kuratorin der Ausstellung, Alexandra Rauch, im Katalog kundig dar – sie konnte ihre eigene Masterarbeit über Leybold hier für ein breites Publikum verarbeiten und damit einen wichtigen Teil der Stadtgeschichte beleuchten.

    Mit Wohnungsbau konnte sich der zum Stadtbaurat gewordene Civilbauingenieur in seinem Amt nur noch wenig befassen. Er hatte Verkehrsplanung zu betreiben und ganze Wohn- und Geschäftsviertel zu planen. Wie ihm das gelang, das kann man auch heute noch sehen, wenn man etwa zwischen Klinkertor und Rotem Tor, zwischen Bahnhof und Königsplatz spaziert, die Augen offenhält und den Blick zuvor durch die zahlreichen Fotos und Beschreibungen in der Ausstellung geschärft hat. Man sieht dann: Leybold legte gerade, breite Straßen an, um den Verkehrsfluss für Waren und Menschen zu erleichtern, er schuf Grünflächen für die Erholung, und er platzierte Wohn- und Geschäftshäuser meist in einer halb offenen Pavillon-Bauweise, um Belüftung und Belichtungen der Wohnungen zu verbessern. Eine gesunde neue Stadt sollte da entstehen, freilich vorwiegend für das betuchte Bürgertum, während für die Arbeiter ab 1870 im Klaukeviertel, in den Vorstädten links und rechts der Wertach weiterhin sehr viel enger gebaut wurde. Kompakt gerieten auch die Kasernen – benannt nach Prinz Karl im Bismarckviertel und nach Hindenburg an der Gögginger Straße. Für Freizeit, Erholung, Gesundheit waren die Parks wie Siebentischanlage oder Wittelsbacherpark gedacht, letzterer mit prächtigen Gebäuden für die Schwäbische Kreisausstellung.

    Leybold wollte eine repräsentative Stadt schaffen – schließlich war Augsburg damals überaus wohlhabend, und das sollte man auch sehen. Der breite Boulevard der Fuggerstraße mit dem Blickfang des 1876/77 erbauten Theaters, mit dem gegenüberliegenden Justizpalast und mit den aufgelockerten drei- bis viergeschoßigen Wohnhäusern ist dafür wohl das deutlichste Indiz. Prächtig wie am Kärtner Ring in Wien oder an der Avenue de l’opera in Paris zeigte sich Augsburg hier, städtisches Selbstbewusstsein scheute auch Prunk und Protz nicht. Auch die Bahnhofstraße war als Boulevard angelegt, Türmchen, Spitz- und Rundbogen bekrönten die reich mit filigranem Stuck geschmückten Fassaden. Hier wie auch an Volkart-, Schießgraben-, Schaezler-, Stetten- oder Bismarckstraße bediente sich Leybold am Architektur-Vokabular der Renaissance (sein Kollege Gollwitzer nahm dann noch ein bisschen Gotik dazu) – nicht umsonst trägt die Architektur der Gründerzeit das Label „Historismus“. Eine symmetrische Platzierung der Baukörper sorgte für eine ruhige Wirkung, grüne Vorgärten sowie reichlich Büsche und Bäume machten speziell aus der Stettenstraße ein „Westend“ mit hoher Wohnqualität, wie es auch in anderen Städten für die Oberschicht entstand.

    Hier (die Straße hieß damals noch Hühnestraße) wohnte übrigens auch Leybold selbst mit seiner Frau Martha und den sieben Kindern in einer an italienischer Renaissance ausgerichteten Villa. 1891 starb er mit nur 58 Jahren, sozusagen aus dem Amt heraus. Sein immenses Werk prägt die Stadt bis heute.

    „Aufbruch in eine neue Ära – Augsburg unter Stadtbaurat Ludwig Leybold 1866 bis 1891“; bis 8. Dezember im Architekturmuseum Schwaben, Thelottstraße 11, geöffnet Donnerstag bis Sonntag 14 bis 18 Uhr.

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