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Kinobesuch: Sebastian Schipper spricht über seinen neuen Film "Roads"

Kinobesuch

Sebastian Schipper spricht über seinen neuen Film "Roads"

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    Zwei 18-jährige Jungs machen sich in dem Kinofilm „Roads“ auf eine gemeinsame Reise. Gyllen (Fionn Whitehead, rechts) sucht seinen leiblichen Vater, William (Stéphane Bak, links) will erfahren, was aus seinem nach Europa ausgewanderten Bruder geworden ist
    Zwei 18-jährige Jungs machen sich in dem Kinofilm „Roads“ auf eine gemeinsame Reise. Gyllen (Fionn Whitehead, rechts) sucht seinen leiblichen Vater, William (Stéphane Bak, links) will erfahren, was aus seinem nach Europa ausgewanderten Bruder geworden ist Foto: Wolfgang Diekamp

    „Das Allergrößte ist es, wenn man jemanden trifft, der genau versteht, was einen glücklich macht.“ Der Filmemacher Sebastian Schipper umschreibt mit diesen Worten den Inhalt seines neuen Films „Roads“. Und er betont bei seinem Besuch zur Augsburg-Premiere im Liliom, „wie wichtig eine Freundschaft gerade im Moment größter Einsamkeit ist, denn jeder Mensch braucht einen Seelenverwandten“.

    Der preisgekrönte Filmemacher, dessen radikal dynamisches und aus einer einzigen Kameraeinstellung bestehendes Großstadtdrama „Victoria“ bei der Berlinale 2015 Furore gemacht hat, stößt auch mit seinem aktuellen Leinwand-Opus auf großes Interesse. Er freut sich im sehr gut besetzten Saal darüber, „dass ihr alle an diesem lauen Sommerabend hier in diesem schönen Programm-Kino seid“, und steht auch nach dem Film noch lange für das Gespräch mit dem Augsburger Publikum zur Verfügung.

    Gyllen büxt mit dem Wohnmobil des Stiefvaters aus

    Sebastian Schipper hat gerade einen neuen Film ins Kino gebracht. „Roads“ stellte er persönlich in Augsburg vor.
    Sebastian Schipper hat gerade einen neuen Film ins Kino gebracht. „Roads“ stellte er persönlich in Augsburg vor. Foto: Wolfgang Diekamp

    In „Roads“ geht es um zwei 18-jährige Jungs, die sich auf eine an Turbulenzen reiche Reise begeben, die in Marokko beginnt, durch Spanien und Frankreich führt und schließlich in Calais endet. Der Brite Gyllen (Fionn Whitehead) büxt mit dem Wohnmobil des Stiefvaters vom langweilenden Familienurlaub in

    „Mit 18 Jahren bin ich mal mit einem gleichaltrigen Kumpel und einem klapprigen Lada, den wir für 150 Mark gekauft haben, nach Südfrankreich gefahren, und dabei hatte ich selbst gar keinen Führerschein“, erinnert sich Sebastian Schipper, der mit Oliver Ziegenbalk auch das Drehbuch zum Film schrieb. „Ich verstehe und mag die Haltung dieser beiden rotzigen Jungs und habe es geliebt, diese zwei Figuren so zu schreiben.“

    Flüchtlingsthema trifft auf Road-Movie

    Ursprünglich sei der Film als abenteuerliches Roadmovie ohne die Migrationsthematik geplant gewesen. „Ich hatte dann aber mit der Roadmovie-Idee so meine Probleme“, stellt der 51-jährige Regisseur klar, „denn dieses für das Genre typische On-the-road- und Freiheitsgefühl der 1970er Jahre hatte für mich allmählich seine Grenzen erreicht.“

    Dass diese Skepsis gegenüber inzwischen überholten Lebensentwürfen in „Roads“ besonders in der Figur eines von Moritz Bleibtreu genüsslich karikierten, gefährlich verblödeten und egomanischen Hippies zum Ausdruck kommt, bestätigt auch Sebastian Schipper. „Das ist das, was aus Gyllen werden kann, wenn er weiterhin säuft und Drogen nimmt.“ Mit dem Flüchtlingsthema sei in dem Film ein neuer Aspekt hinzugekommen, der Gyllen und William auf ihrer schwierigen Reise mit der Dramatik aktuellen Geschehens konfrontiere, ohne dabei das individuelle Schicksal der jugendlichen Hauptfiguren zu vernachlässigen.

    "Wir brauchen mehr Neugier füreinander"

    „Wir sind nach Marokko gefahren und haben in Tanger mit Migranten gesprochen, die Englisch konnten“, antwortet der Regisseur auf eine Publikumsfrage bezüglich der Recherchen für seinen Film. „In Ceuta gab es große Lager und immer noch viele junge Männer in Rohbauhäusern. In Calais konnten wir mit Flüchtlingsorganisationen Gespräche führen. Das ist für mich vielleicht der wichtigste Aspekt des Films, dass wir alle zu wenig miteinander reden. Wir brauchen mehr Neugier füreinander.“

    Viel Applaus gab es im Liliom für Sebastian Schipper, dem mit „Roads“ ein sympathischer, wirkungsvoll besetzter und geradlinig erzählter Film mit stimmiger Fotografie (Matteo Cocco) und Musik (The Notwist) über Freundschaft und Sinnsuche gelungen ist. Zum Schluss erinnerte der Filmemacher, der an der Münchner Otto-Falckenberg-Schule Schauspiel studiert hat, an den großen deutschen Mimen Rolf Boysen. Der sei sogar als tragischer König Lear (an den Kammerspielen) „leicht, fröhlich und das blühende Leben voller Lachen gewesen, sobald er von der Bühne runter war“. Etwas von dieser positiven Grundhaltung – so Sebastian Schipper – habe er auch in „Roads“ vermitteln wollen.

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