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Serie: Das gute Ende von Luca Opics  Traum

Serie

Das gute Ende von Luca Opics  Traum

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    Luca Opic.
    Luca Opic. Foto: Opic

    Ob ihr Traum gestorben ist? Luca Opic, inzwischen 18 Jahre alt, muss überlegen. „Gestorben …“, murmelt sie. Das Wort kommt ihr sehr hart vor. Aber Tatsache ist doch: Seit dem Treffen im vergangenen Jahr hat die junge Frau aus Neusäß nicht geschrieben. Nicht wie all die Jahre zuvor zumindest. Hier und da mal eine Idee im Notizbuch festgehalten, das schon. Aber eben nicht mehr den Rechner angeschaltet, nichts mehr in Detailfreude ausformuliert, der Fantasie nicht mehr freien Lauf gelassen, keine Geschichte sich mehr entfalten gespürt, wie sie es doch immer so geliebt hat. Auch ihr hunderte Seiten langes, fertiges Manuskript an Verlage geschickt hat sie dann doch nicht. Was hat sich verändert? Die Antwort dieser jungen Frau darauf ist wie eine praktische Aufklärungsstunde in Kunsttheorie.

    Die „Warrior Cats“ brachten sie zum Schreiben

    „Gestorben …“ Luca denkt zurück an den Ursprung ihres Traumes und seine Gestalt. Als Kind schon hatte sie sich gerne Geschichten ausgedacht und in einer Fantasieschrift festgehalten. Dass sie tatsächlich von einem gedruckten Buch mit ihrem Namen als Autorin drauf zu träumen begonnen hat, „das hat ja mit den ‚Warrior Cats‘ begonnen“, erinnert sie sich. Das, was diese Reihe an Fantasy-Romanen bei ihr ausgelöst hatte, dieses Gepacktsein, diesen Zauber, sich in eine andere Welt entführt zu fühlen und dadurch doch mehr vom Leben zu verstehen – so etwas wollte sie auch können. Und entwickelte in der Folge eigene Erzählungen wie „Wolf der Wildnis“ oder „1000 Jahre Vergangenheit“. Heute nun sagt sie: „Ich liebe es immer noch, dass es Bücher gibt, die das vermögen.“ Zurzeit etwa freut sie sich an den Ideen von Antje Wagner in ihrem Roman „Hyde“. „Aber ich habe nicht das Gefühl, als könnte ich selbst dazu noch etwas beitragen. So gesehen kann mal wohl sagen, dass der Traum gestorben ist, ja.“

    Klingt nach Verlust. Was also ist passiert? Luca geht inzwischen in die zwölfte Klasse der Fachoberschule in Neusäß, hat dieses Jahr also die Mittlere Reife absolviert, wird kommendes Jahr Fachabitur machen, dann womöglich auch noch allgemeines Abi. Denn eigentlich will sie ja studieren, Japanologie wohl. Die Kultur fasziniert sie, die Sprache lernt sie in ihrer Freizeit. Ihr derzeitiger Schwerpunkt aber ist Agrar, denn da ist ja auch noch der Plan mit dem selbstständigen Hof. Und zudem jobbt sie inzwischen in der Gastronomie. Ist das alles zu viel, als dass da noch Platz für ihre Geschichten wäre? Wäre es anders, wenn sie wie Marius und Lukas auf eine Schule gehen könnte, die stattdessen den Weg zum Traum, zur Schriftstellerin weiterführen würde?

    „Nein“, sagt sie entschieden. Einen Unterricht mit Übung, Kritik und Korrektur hätte sie in ihrem Schreiben nie angenommen. „Es war immer etwas, das ich ganz allein tun wollte und bei dem sich darum auch nie die Frage gestellt hat, ob ich noch die Zeit dafür habe. Es war für mich einfach ein Bedürfnis.“ Und das ist jetzt anders? „Ja“, antwortet sie, diesmal ohne langes Überlegen – und mit einem Lächeln. Denn: „Es geht mir vielleicht einfach zu gut.“ Für ihr Schreiben sei es nämlich, das merke sie jetzt im Rückblick, wichtig gewesen, dass sie relativ „abgeschottet“ geblieben sei. So habe sie ihre Gedanken und Gefühle, Sehnsüchte und Ängste verwandeln können in etwas, das vielleicht eben nicht mehr nur von ihr erzählt – sondern von einer Welt für sich. Inzwischen aber ist bei dieser 18-Jährigen das Leben mit seinen vielfältigen Erfahrungen, seiner Offenheit an diese Stelle getreten – die Welt an sich.

    Zur Arbeit soll das Schreiben nicht werden

    Aber ließe sich das nicht auch ähnlich in Szenen und Bilder, in Geschichten verwandeln? Da überlegt sie wieder. Und findet gleich zwei gute Antworten. Die eine womöglich bleibend, die andere vielleicht vorübergehend. Wenn sie jedenfalls selbst das Bedürfnis nicht habe zu schreiben, dann bedeute es nichts anderes für sie als Arbeit. Arbeit aber habe sie bereits genug, und zur Arbeit soll das Schreiben für sie nicht werden. Das ist das eine. Das andere ist: Für das Schreiben wiederum braucht es zur Welt eine Distanz, die nur entsteht, wenn darin etwas Wesentliches fehlt oder wenn das Erlebte einen unglücklich macht. „Sonst“, sagt Luca, „verarbeitet man ja einfach nur das, was schon da ist, und das will ich nicht – das reicht dann auch nicht.“

    Tatsächlich gäbe es so manches Buch weniger, wenn sich alle an diese rigorose Sicht auf das künstlerische Schaffen hielten. Aber um andere geht es hier ja nicht. Sondern um Luca Opic, die damit wohl zum letzten Mal in unserer jährlichen Serie auftaucht. Traum gestorben. Vorerst? Könnte schon sein. Denn das Unglück und die Distanz zur Welt werden wohl unweigerlich auf andere Art früher oder später zurückkehren. Aber zudem wird wohl nicht dauerhaft schaffen, wer sich zur Kunst nicht auch als Arbeit bekennt. Davon noch keinen Begriff zu haben, ist mit 18 Jahren allerdings ein gutes Zeichen. Für jetzt „gestorben“ also. Mehr zählt hier nicht. Alles Gute, Luca!

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