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Staatstheater Augsburg: Das Staatstheater spielt am Kneipentresen

Staatstheater Augsburg

Das Staatstheater spielt am Kneipentresen

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    Paar der Rätsel: Thomas Prazak und Karoline Stegemann.
    Paar der Rätsel: Thomas Prazak und Karoline Stegemann. Foto: Diana Deniz-Zapf

    Mit einem Gute-Laune-Sommerhit der zu Beginn an die Klänge der Beach Boys erinnert, wird ein wahrer Lesemarathon eingeläutet. Heitere Musik von der Hip-Hop-Metal-Band „Hollywood Undead“ mit traurigem Text. Schräg. Richtig schräg. Sehr passend, wie sich herausstellen wird. Das Staatstheater Augsburg begibt sich mit seiner Reihe „Tresenlesen“ bereits zum fünften Mal in die Bar „Beim Weissen Lamm“. Gemütlich bei einem kühlen Getränk sitzend hört man ungezwungen zu. Eintritt frei.

    Die Spannung, was einen erwartet, wenn man sich erstmals dorthin begibt, ist groß. Eine Lesung. Eineinhalb Stunden zuhören. Hoffentlich gefällt der Text. Der Bremer Autor Marc Becker ist selbst nicht da. Schade. Ihm ist am Donnerstagabend etwas entgangen. Denn wie die beiden Schauspieler Karoline Stegemann und Thomas Prazak seine „Weltuntergänge“ vorgetragen haben, ist umwerfend. Und das, obwohl einem gleich auf den ersten Seiten richtig schlecht werden könnte. Ein Schauspiel-Lese-Mix, lebendig mit großartigen Emotionen durch Gestik und Mimik. Die Kunstgattung? Eine Satire. In bestem Sinne. Modern, hinterfragend, auf gesellschaftliche Ängste eingehend, scharfsinnig und mit einer fetten Portion Ironie und Humor.

    Dialoge voll Selbstgefälligkeit und Spießigkeit

    Zwei junge Paare: Andy und Nadja sowie Johann und Johanna. Das eine perfekt, das andere alles andere als das. Am Ende ist es die Sozialphobikerin mit vermeintlichen schizophrenen Ansätzen, die normaler ist als die Normalos. Wogegen das harmonische Traumpaar Johann und Johanna, dessen schmalzige Dialoge voller Spießigkeit und Selbstgefälligkeit schier ins Unerträgliche gehen, und welches mit beiden Beinen fest im Leben steht, am Ende die komplett Durchgeknallten sind. Stegemann gelingt es fantastisch, die angstvolle, fast paranoide und panische Nadja zu spielen. Mit ihrem schnellem Atem, dem starren Blick mit weit aufgerissenen Augen raubt sie dem Zuschauer den Atem und lässt ihn ihre Panik spüren. Prazak ist in seinen Rollen die ideale Ergänzung. Mittendrin vollbringt er eine Höchstleistung, als er eine Handvoll Erdnüsse verschlingt und danach weiterspricht, als wäre nichts gewesen.

    Die beiden Schauspieler ziehen sich für ihre Rollen als Johann und Johanna vor den Augen des Publikums um. Ohne Spiegel. Stegemann wischt sich den nicht mehr passenden Lippenstift ab, trägt neuen auf, nimmt die Perücke ab, kämmt sich die Haare. Prazak zieht sich nun auch Schuhe an, zuvor war er ja als schüchtern-verklemmter Andy bei Nadja in der Wohnung. Noch schnell ins Business-Outfit.

    Alles wirkt wie ein lustiger Filmvorspann und ist doch grandioses Theater für Einsteiger und Liebhaber zugleich. Der zweite Song, den Ana Wybkea Gutschke, die künstlerische Leiterin des Abends, ausgewählt hat, ist von der Rockband R.E.M. und lautet übersetzt: „Es ist das Ende der Welt, wie wir sie kennen.“ So war’s dann auch.

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