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Theater Augsburg: Das Leben ist ein Gyros-Spieß

Theater Augsburg

Das Leben ist ein Gyros-Spieß

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    Szene aus  "Das große Wundenlecken" mit Jessica Higgins, , Sebastian Arranz und Marlene Hoffmann
    Szene aus "Das große Wundenlecken" mit Jessica Higgins, , Sebastian Arranz und Marlene Hoffmann Foto: Kai Wido Meyer

    Neu ist es nicht, aber wahr: Ein jeder hat sein Päckchen zu tragen. Das Theater Augsburg, das jetzt mit Beginn der neuen Spielzeit ohne das zu sanierende Große Haus große Bühnenkunst zaubern soll; die Kommunalpolitik, die in ihrem Sanierungswillen von vorgeblich „Kulturschaffenden“ womöglich Knüppel zwischen die Beine geworfen bekommt; die Zuschauer, die sich Mobilität zwischen allerlei Ersatzspielstätten angewöhnen müssen – und jetzt zum Saisonstart anhand des Theaterprojekts „Das große Wundenlecken“ gleich einmal gefordert sind, aus einem Textschwall voller Sketch-Charakter und Absurdität, historischer Anspielung und politischer Aktualität so etwas zu filtern wie Denkanstoß, unbekannte Perspektive, Erkenntnis. Etwas, dass einen „Heureka“ rufen lässt.

    Nicht, dass es Erkenntnis nicht gäbe in Gerasimos Bekas Einakter für fünf Schauspieler, doch indem sich dieses „Wundenlecken“ auch sehr, sehr zeitgenössisch gibt im Hopping, im Slam, im Zappen zwischen diversen Themen, zwischen Intellekt, Pseudo-Intellekt und Quatsch, zwischen europäischer und lokaler Politik (Theatersanierung!), muss das Publikum zur Mitte des Stücks schon einigermaßen belastbar sein im Einordnen.

    Der parodistische Ausgangspunkt ist immerhin klar (– und auch der bitterböse Schluss, der diesem Eineinhalbstünder enorm guttut und hier nicht verraten werden soll). Yoga-Yiannis ist so etwas wie ein Allround-Trainer für die ganzheitliche Befindlichkeit urbaner Bürger, die ein Päckchen zu tragen haben: ein Coach in Sachen Psyche, Physis, Mentalität, Erfolg, Seelenleben. Eine vorgebliche Autorität, deren Anweisungen Artemis, Henrike und Walter auch in esoterischer Gläubigkeit folgen. Und so hat Yoga-Yiannis alle Hände voll zu tun beim Richten und Austarieren und Manipulieren der work-life-balance seiner Kundschaft, die Lebensrat in vielen Dingen benötigt: Griechenland-Krise, Flüchtlingskrise, Augsburgs Rolle in der antiken und jüngeren Geschichte (Widerstandsnest im NS-Regime! Willkommenskulturstadt! Vorsicht Ironie!) und manches mehr.

    Dieser Abend zwischen antiken und scheinantiken Gipsskulpturen, diese Uraufführung in der Regie von Sapir Heller ist flott, bunt bis kunterbunt und pointengesättigt („Das Leben ist ein Gyrosspieß“). Artemis, Henrike und Walter gehen aus ihm heraus, wie mancher die Deutschen begreift: extrem (obrigkeits-)hörig, extrem brutal. Marlene Hoffmann, Jessica Higgins, Anton Koelbl spielen naiv bis verschlagen – und Sebastian Arranz als Guru Yoga-Yiannis weiß, wann er dirigierend Schmusekurs zu fahren hat und wann er die Zügel anziehen muss.

    auf der Brechtbühne: 2., 7., 12., 14., 22. und 26. Oktober

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