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Theater Augsburg: Wenn Tänzer die Choreografen sind

Theater Augsburg

Wenn Tänzer die Choreografen sind

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    So einfach die Frage „Wer bist Du?“ auch lautet, so schwierig sind die Antworten darauf. Die junge Choreografin Christine Ceconello hat die Antwort in einem packenden Stück mit Irupé Sarmiento und Alexander Karlsson gegeben.
    So einfach die Frage „Wer bist Du?“ auch lautet, so schwierig sind die Antworten darauf. Die junge Choreografin Christine Ceconello hat die Antwort in einem packenden Stück mit Irupé Sarmiento und Alexander Karlsson gegeben. Foto: Jan-Pieter Fuhr

    Für die Tänzer des Augsburger Ballett-Ensembles ist die letzte Produktion der Spielzeit eine Herausforderung der anderen Art. Zum einen, weil die Tänzer selbst als Choreografen den Abend gestalten, zum anderen aber – und das ist noch ungewohnter für sie – sind sie auch für alles andere verantwortlich – vom Bühnenbild über die Kostüme bis hin zum Licht. Den Abend „New Comer“, der am Wochenende Premiere hatte, durften sie völlig frei gestalten.

    Acht Choreografien sind entstanden – die kürzeste dauert vier Minuten, die längste fast eine Viertelstunde. Einer der Tänzer, die choreografiert haben, ist Nikolas Doede. „Obwohl wir sprechen“ hat er sein Stück genannt. Es ist, wie man dem Programmheft entnehmen kann, seine zehnte Choreografie. Er erzählt, dass das für das Ensemble ein wunderbares Arbeiten gewesen sei. Auf der einen Seite könne er als Choreograf das zur Sprache bringen, was ihn umtreibe, auf der anderen Seite sei es in allen acht Stücken zu einer intensiven Zusammenarbeit der Tänzer gekommen. Alle Stücke sind neu, sind extra für den Abend entstanden. Die Tänzer mussten sich nicht in vorgefertigten Partien zurechtfinden, sondern konnten aktiv mitarbeiten.

    Eigene Ideen einbringen

    Etwa Irupé Sarmiento, die keine eigene Choreografie an dem Abend beigesteuert hat, dafür aber getanzt hat. Es habe die Möglichkeit gegeben, eigene Ideen einzubringen, Bewegungen anzubieten, die Choreografien mitzudenken und mitzugestalten, sagt sie.

    Auffällig ist an dem zweistündigen Abend, wie düster und wie schwer die Themen sind, die sich das Ensemble vorgenommen hat: Es geht zum Beispiel über den pausenlos vor sich hin redenden, den permanent kommunizierenden Menschen, dem es nicht mehr gelingt, tatsächlich jemanden festzuhalten, sich mit anderen zu unterhalten (Nikolas Doede: „Obwohl wir sprechen“).

    Historisch wird es in „For you, a flower“ von Jiwon Kim Doede. Die Choreografin rückt die koreanischen Zwangsprostituierten während der japanischen Okkupation im Zweiten Weltkrieg in den Mittelpunkt – ein packender, aufwühlender Zwei-Personen-Tanz – in dem die Frau, die nicht fliehen kann, die immer wieder eingefangen wird, sich in ihrer Verzweiflung am liebsten selbst zerreißen würde.

    Das Glück währt nur kurz

    Von Jose Saramagos Roman „Die Stadt der Blinden“ hat sich Christine Ceconello inspirieren lassen. Auf der Bühne ist eine Frau, die mit eckigen und ungelenken Bewegungen immer wieder zu Boden fällt. Rund wird das alles nur in den wenigen Momenten, in denen sie gemeinsam mit einem Gegenüber tanzen kann. Aber: Dieses Glück währt nur kurz. Was die Verzweiflung ins Grenzenlose schießen lässt. Irupé Sarmiento verausgabt sich nicht nur physisch, sondern auch emotional vollkommen: Ergreifend!

    Einen starken Eindruck hinterlässt auch Shori Yamamotos „Unknown“. In rund zehn Minuten emanzipiert sich darin eine von drei Männern drangsalierte Frau, die ihnen am Schluss tatsächlich die Lichter ausknipst.

    Positiv in allen acht Choreografien fiel außerdem auf, dass Musik und Tanz sowie Musik und inhaltliches Thema sehr gut aufeinander abgestimmt waren und zueinander gepasst haben. Da haben die Choreografen, zu denen auch Alexander Karlsson, Alessio Monforte, Eunji Yang und Macos Novais gehören, allesamt das richtige Händchen bewiesen.

    Wenn die „New Comer“ nächstes Jahr wieder im Theater Augsburg zeigen können, welche Themen sie umtreiben, vielleicht springt dann auch noch ein weiterer Aufführungstermin heraus. Die Premiere war zwar nicht ausverkauft, die zweite Vorstellung schon. Für den dritten und letzten Termin gibt es nur noch wenige Karten. Auch dann werden sich die jungen Choreografen, die an diesem Abend alle auch in anderen Stücken tanzten, wahrscheinlich über einen langen, begeisterten Applaus freuen können.

    Weiterer Termin am Sonntag, 24. Juni, um 18 Uhr auf der Brechtbühne. Karten: Tel. 0821/324-4900.

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