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Ausstellung: Wenn die Malerei laut wird: Christian Awe in der Galerie Noah

Ausstellung

Wenn die Malerei laut wird: Christian Awe in der Galerie Noah

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    Christian Awe, 1978 in Berlin geboren, stellt in der Galerie Noah aus.
    Christian Awe, 1978 in Berlin geboren, stellt in der Galerie Noah aus. Foto: Mercan Fröhlich

    Es gibt stille Bilder. Es gibt leise Bilder. Es gibt sprechende, etwas sagende Bilder. Andererseits gibt es Bilder, die reden, parlieren, etwas behaupten, sich im Wortschwall ergießen, laut werden, überrumpeln wollen. Christian Awes neue Arbeiten auf Leinwand und Papier, die zur Zeit in der Galerie Noah des Glaspalasts zu sehen und zu prüfen sind, neigen mehrheitlich der zweiten Abteilung zu.

    Es gibt Bilder in Schwarzweiß. Es gibt getönte Bilder. Es gibt farbige und farbprächtige Bilder. Andererseits gibt es farbstrotzende, bunte, kunterbunte Bilder. Christian Awes neue Werke, die gerne einen gefühlvollen, positiven Titel tragen („underwater love“, „deep soul“, „eau de mandarin“, „dreamin’“, „viva la vida“, „charmant“, „hope“), tendieren mehrheitlich zum Bunten und Kunterbunten.

    Christian Awes Malerei ist dekorativ wie eine Graffiti-Wand

    Es gibt Bilder, die konzentriertes Lesen erfordern, Vertiefung, Entschlüsselung, das Erlernen einer fremden Sprache. Andererseits gibt es Bilder, die einen Auftritt darstellen, die dramatisch wirken möchten – bis hin zum Effektvollen, ja Effektheischenden. Christian Awes neue Malereien, denen dekorativer Charakter nicht abzusprechen ist, suchen die Bühnen-Illusion und den Aplomb. Vergleichbar einer Graffiti-Wand. Reines Fingerspitzengefühl triumphiert hier jedenfalls nicht.

    Wobei – dies verlangt die Fairness – zu unterscheiden ist zwischen den sogenannten puren „Wasserbildern“ des 1978 in Berlin geborenen Christian Awe und seinen abstrakten Farbdetonationen in Klein- und Großformat. Erstere besitzen eine gewisse realistisch-illusionistische Raffinesse, indem sie (ab)perlende Regentropfen auf wasserabweisender metallisch-farbschillernder Oberfläche imaginieren und dabei Spiegelungen und reliefhafte Verschattungen vortäuschen. Das ist auf den ersten und zweiten Blick attraktiv; doch die Frage, wie lange dieses „Motiv“ dem Auge etwas entgegenzusetzen hat, sich beim Betrachten nicht abnutzt, muss – dies verlangt die Fairness ebenfalls – auch gestellt werden dürfen. 

    Galerie Noah im Glaspalst: Farben wie unter Trommelwirbel

    Awes Farbdetonationen indessen, mitunter über die „Wasserbilder“-Strukturen platziert, trompeten unter Trommelwirbel ein „Ich! Hier! Jetzt!“ heraus. Unerheblich bleibt, ob diese geschütteten, verspritzten, verfließenden Acrylfarben schnell oder langsam aufgetragen wurden, heftig oder kalkuliert, im Nachhinein mit dem Pinsel marmorierend bearbeitet sind oder auch schichtweise wieder abgetragen: Sie künden überdeutlich von der Neigung und der Treue zum Effekt. 

    Unerheblich auch, inwieweit hier der abstrakte Expressionismus eines Jackson Pollock, dessen „drip-painting“ und „all over“ Pate stand oder Informel/Tachismus oder die Klecksographie in ihrem Ursprung: Christian Awe überreizt mit den (Farb-)Mitteln seiner Wahl. Dies dürfte er nicht von seinen die Malerei überhöhenden Lehrern Georg Baselitz und Daniel Richter mitgenommen haben. Das wirkt alles zu direkt, zu dröhnend, zu farbknallig. Feuerrot, Giftgrün, Zitronengelb und Tiefseeblau prallen – jedes signalhaft – schwer aufeinander. Die Kunst der Vermittlung und die Kunst der Kolorierung geraten unter Beschuss. 

    Für eine Fassade in Berlin setzte sich Christian Awe mit dem deutschen Flüchtlingsdrama 2015 auseinander

    Und wenn dann noch im Rahmen der Ausstellung und der dort ausliegenden Publikationen darauf verwiesen wird, dass sich Christian Awe anhand seiner schwindelerregenden abstrakten Farbaktionen an der Fassade der Berliner Vertretung des Landes Niedersachsens mit dem deutschen Flüchtlingsdrama 2015/2016 auseinandergesetzt habe – und zwar „in Sichtweite des Holocaust-Denkmals“ –, dann wird eine künstlerische Bedeutung, eine historische Relevanz evoziert, die das Auge allein und für sich genommen im Grunde nicht erkennen kann. 

    Das ist bitter. Zumal Christian Awe vorbildlich und dankenswerterweise humanitäre Zwecke finanziell unterstützt. 

    Info Galerie Noah im Glaspalast: „love language“ mit Werken von Christian Awe auf Leinwand und Papier. Ausstellungsdauer bis 21. Mai. Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag von 11 bis 15 Uhr, Samstag, Sonntag sowie feiertags von 12 bis 17 Uhr.

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