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Authentisch: Wolfgang Ambros beim Rasenkonzert in Gersthofen

Open Air

Wolfgang Ambros: Die Wunden, die das Leben schlägt

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    Auf der Bühne ist er in seinem Element: Wolfgang Ambros.
    Auf der Bühne ist er in seinem Element: Wolfgang Ambros. Foto: Marcus Merk

    Musik kann so viel sein - und ein gutes Konzert kann von vielerlei Aspekten genährt werden. Das spiegelt dieses Wochenende der künstlerischen Gegensätze wider: dort Hochleistungsgesang vor 74.000 begeisterten Fans in der Riemer Adele-World, hier Geschichten aus dem Leben des Wolfgang Ambros im beschaulichen Gersthofen. Letzterem lauschen immerhin 840 Menschen und feiern den Liedermacher am Ende als ihren Helden, bis er seine Hymne für den alpinen Wintersport zuletzt noch auf die Bühne bringt: „Schifoan“. Und alle, vom Teenager bis zum Greis, singen voller Freude und textsicher mit.

    Die Veranstaltung ist eine Art schwäbisches Mini-Woodstock für Best Ager und Silverliner. In Gruppen sind sie gemütlich zum außerhalb der Kleinstadt gelegenen Grundstück der örtlichen Naturfreunde gepilgert. Hier ist im Grünen keine Kommerz- und Vergnügungsarena aufgebaut, stattdessen versorgen örtliche Vereine das Publikum mit Speis und Trank. Um ehrlich zu sein: Einen Merchandising-Stand gibt es auch.

    Humor und Schmäh hat Wolfgang Ambros nicht verloren

    Schon seit Jahren tragen die Beine Wolfgang Ambros nach diversen Krankheiten nicht mehr so richtig. Auf Skistöcke gestützt kommt er auf die Bühne. Und sein bewegtes Leben ist ihm nicht nur anzusehen, sondern auch anzuhören. Die Stimme ist brüchig und trägt die Töne oft nicht mehr in die notwendigen Höhen, manchmal zerbröselt sie zu einem Krächzen. Aber Ambros bietet etwas, was vielleicht wichtiger ist in einer getunten Höher-weiter-größer-Welt: Er ist authentisch, singt ungeschminkt von den Wunden, die das Leben ihm und anderen zugefügt hat. Und auch, dass die Gedanken zu seinen wunderbaren Geschichten, die er zwischen die Lieder spannt, eher schleppend sprudeln, hat er zu einer eigenen Stilform erhoben. Die Fans danken es ihm: Denn eines hat der gebürtige Wiener nicht verloren: seinen Humor und den Schmäh.

    Begleitet wird der inzwischen 72-Jährige von seinem langjährigen Freund, dem Pianisten Günter Dzikowski, und dem ebenfalls bereichernden Gitarristen Roland Vogl. Man spürt schnell, dass dieses Trio nicht allein des Mammons wegen noch immer auf der Bühne steht. Es sind drei Freunde, die beiden jüngeren wirken sehr vital, sie stützen den anderen, der spindeldürr und gebrechlich geworden ist. Eine verschworene Einheit, und Ambros erliegt glücklicherweise nicht der Versuchung, das Konzert zu einem Best-of-Abend zu machen.

    Damals, als die „Nummer 1 vom Wienerwald“ loslegte

    Stattdessen ist es ein vielschichtiger und abwechslungsreicher Streifzug durch ein halbes Jahrhundert. Vor allem die aussagekräftigen Texte und klaren Harmoniestrukturen sind es, die Ambros‘ Werk kennzeichnen. „Verwahrlost aber frei“, „Du bist wia de Wintersunn“, „Bettina“ oder natürlich auch „da Hofer“. Es ist das geniale Lied, mit dem der Musiker Anfang der 1970er-Jahre seine Karriere als „Nummer 1 vom Wienerwald“ startete und das als wesentlicher Impuls für den Austropop gilt.

    Daneben präsentiert der Liedermacher Mitsing-Stücke wie das Beziehungsdrama „Du verstehst mi ned“, mit einem wunderbaren Mundharmonika-Solo, oder das heiter-zynische „Zwickt’s mi“ sowie den Pflanzen- und Substanzensong „Du schwarzer Afghane“. Immer wieder lustig ist sein persönlicher Vergleich mit dem Messias: „Mir geht es wie dem Jesus“ (…mir tut das Kreuz so weh.“) Ambros scheint das Konzert sichtlich zu genießen, im Bewusstsein der Gnade, so etwas noch auf der Bühne erleben zu dürfen. Und auch, wenn ihm sein Rücken arg zusetzt, sein politisches Rückgrat hat der Mann, der zu rechtspopulistischen Umtrieben immer klar Stellung bezog, nie verloren. Davon kündet der Song „Er is vom Land“.

    Am Ende kam dann, was kommen musste: „Der Zentralfriedhof“. Es ist das vielleicht lebendigste und friedlichste Stück, das jemals über einen Totenacker geschrieben worden ist, auf dem in Wien „Pfarrer mit Huren und Juden mit Arabern“ tanzen. Dass das Publikum zum endgültigen Abschluss auch im Hochsommer auf das ebenfalls unverwüstliche „Schifoan“ drängte, ist bei Ambros obligatorisch: Dieser Ösi-Hit hat seit Jahrzehnten Kultcharakter, ohne den geht’s einfach nicht.

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