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Brechtfestival: Kirche für die Kunst: Ein Bürgerstück gegen den "Spirituellen Leerstand"

Brechtfestival

Kirche für die Kunst: Ein Bürgerstück gegen den "Spirituellen Leerstand"

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    Beim Brechtfestival nehmen die Bluespots Productions die evangelische Kirche Sankt Johannes in Oberhausen ein.
    Beim Brechtfestival nehmen die Bluespots Productions die evangelische Kirche Sankt Johannes in Oberhausen ein. Foto: Michael Hochgemuth

    Unruhe in St. Johannes, so viel Wirbel war lange nicht: Eine Frau in blauer Party-Perücke tanzt um den Altar. Auf dem Steinboden, gleich bei ihr, kauert eine Obdachlose. Und auf der Empore wedelt eine Yoga-Lehrerin mit Räucherstäbchen. Was zum ...? Ein Plakat an einer Brüstung erklärt, was hier passiert: "Weil Leere uns das Herz zerfetzt: Diese Kirche ist besetzt."

    Bluespot Productions tragen ein Stück bei zum Brechtfestival

    Wer hat diesen Protest angezettelt? Bluespots Productions. Das Kollektiv ist bekannt dafür, theaterfremde Orte für die Kunst zu kapern – und diesmal, zum Brechtfestival 2024, bringt die Gruppe zwei Notlagen auf einen Nenner: Christliche Kirchen werden immer leerer, sie verlieren Vertrauen, Strahlkraft, Mitglieder. Und zugleich herrscht ein Mangel an freiem Raum für Bürger in der Stadt, obwohl so viele Immobilien leer stehen. An dieser Gesellschaft nagt ein "Spirituellen Leerstand" – so heißt das Stück, das mit einem Aufruf an alle begann: Hier durfte jeder Bürger und jede Bürgerin mitwirken, mitschreiben, mitspielen. Binnen 24 Stunden haben sie dieses Werk entwickelt.

    Der Plot: Die Kirche ist leer, die Schäflein fehlen. Also lieber verkaufen, das alte Schiff? Der Immobilienmakler stolziert auf hohen Stelzen und die Interessenten jagen ihm nach: Eine Dirigentin will die Kirche zum Konzertsaal umtaufen. Die Yoga-Influencerin würde das Dach abreißen, für bessere Schwingungen. Und die Reiche hätte den Raum gern als Eigenheim mit Kirchenbänken ("Ah, Eiche!"). Nur die Obdachlose, die in Decken gehüllt bei ihrer Flasche Tequila lag, wahrt Ruhe. Sie rückt am Ende Riesenbuchstaben vor den Altar: "Ich bin da".

    Streit um eine Anlaufstelle für Suchtkranke in Augsburg-Oberhausen

    Dieses Stück ist schräg, aktuell und herzenswarm, lehnt sich an Christoph Schlingensiefs Aktionen an. Und sowieso an Brecht und dessen soziale Haltung. Im zweiten Akt, nun in St. Joseph, wühlt sich die Performance noch tiefer ins Chaos dieser Welt – wobei am Ende der echte Pfarrer der Gemeinde spricht, die dem Projekt den Raum leiht: Ihm bereiten diese seelischen "Leerstände" Sorge. 

    Und da muss man nur eine Ecke weiter denken: In Oberhausen wird gerade laut darüber gestritten, ob eine Anlaufstelle für Suchtkranke im Viertel eingerichtet werden soll.

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