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Foto: Siegfried Kerpf
Foto: Siegfried Kerpf

The Lords mit Urgestein Klaus-Peter "Leo" Lietz (links) im Augsburger Spectrum.

Konzert
02.05.2022

Ü60-Party mit The Lords im Spectrum

Von Wolfgang Langner

Mit den Lords gastierte im Augsburger Spectrum eine der berühmtesten Bands aus den 1960er Jahren. Die Resonanz war aber gering, doch die Lords machten das Beste daraus.

Das tut einem selber weh. Aber der Band auf der Bühne noch viel mehr. Die einstigen Giganten der deutschen Unterhaltungsindustrie, die in den 60er Jahren ohne große Probleme die Hallen füllten, wurden im Spectrum gerade mal von einem Häufchen aufrechter Fans empfangen. Ungefähr 100 Leute sind es, die sich auf diesen nostalgischen Abend freuen. Das einzige Gründungsmitglied von The Lords, Klaus-Peter "Leo" Lietz, nimmt es mit Galgenhumor: "Dass so viele gekommen sind, ist ja der Hammer."

Der mittlerweile 77-jährige Gitarrist hat die wilden Zeiten hautnah miterlebt, als die Lords noch mit als "die deutsche Antwort auf die Beatles" beworben wurden. In Zeiten als die Beatwelle von England nach Deutschland überschwappte, waren die Lords neben den Rattles, den Rainbows und den German Bonds das Beste, was Deutschland auf diesem Sektor bieten konnte. Die Rattles sollten am Sonntag übrigens auch im Spectrum auftreten, haben jedoch aus unbekannten Gründen kurzfristig abgesagt.

The Lords fuhren lange auf der deutschen Überholspur

Das mit den "deutschen Beatles" war für damalige Zeiten keine große Übertreibung. Die Berliner um ihren ehemaligen Frontmann Ulli Günther fuhren lange auf der deutschen Überholspur. Schließlich gelten die Lords, die früher mit den Kinks oder mit The Who auf Tour gingen, immer noch als dienstälteste Rockband der Welt. Seit 63 Jahren existieren die Lords. Mittlerweile sind einige frühere Mitglieder der Band verstorben. Wie Oberlord Ulli Günther, der im Jahr 1999 bei einem Konzert in Potsdam auf der Bühne zusammen gebrochen ist und wenige Tage später an Herzproblemen starb. Günthers Fetenschlager "Und wir haben ein Idol - Harald Juhnke", war sein letzter großer Ruhm.

Zuvor in der Zeit zwischen 1965 und 1969 konnten die Lords zwölf Titel in der deutschen Hitparade vorweisen. Schon allein wegen ihrer einheitlichen Kleidung (Rüschenhemden und Melonen), sowie ihren Prinz Eisenherz-Frisuren, waren die Auftritte der Band eine Attraktion. Aber der Ruhm von einst ist längst verwelkt und die Rüschenhemden und Melonen sind schon lange in der Altkleidersammlung.

The Lords vermitteln etwas von dem Früher-war-alles-besser-Gefühl

Dennoch verbreiteten die Lords eine unglaublich nostalgische Atmosphäre an diesem Abend und vermittelten noch etwas von dem Früher-war-alles-besser-Gefühl. Auf alle Fälle war es eine Ü-60-Party in einem kleinen Rahmen. Diejenigen, die dabei waren, kannten die Lords definitiv schon aus alten Zeiten. Einige waren darunter, die durchaus Altersgenossen des 77-jährigen Lietz sein konnten. Der Schock, dass so wenige Fans im Saal waren, war schnell verdaut.

Lietz und seine Mannen, der Gitarrist Jupp Bauer, Schlagzeuger Philipp Seminara und Bassist und Sänger Roger Schüller, ließen sich den Spaß nicht nehmen. Die Formation spielte zwar einige Titel aus dem Album "Now More Than Ever", dass im Jahr 2015 erschienen ist, dennoch wusste Lietz, was das Publikum lieber hören möchte: "Ihr seid natürlich wegen der alten Schinken gekommen." Und die hatten die Lords zur Genüge im Gepäck. Wie zum Beispiel den alten Doris-Day-Song "Que Sera", den die Lords wie so oft in ihrer eigenen Art interpretierten. Oder die alten Gassenhauer "Have A Drink On Me", "Gloryland", "Greensleeves", "Shakin All Over." Mit dem Klassiker "Gloryland" hatten die Lords in Deutschland mit Platz fünf auch den besten Charterfolg und waren dadurch bei Deutschlands Jugendzeitschrift Nummer 1, der "Bravo" als Top-Stars des Jahres gelistet.

Nach eineinhalb Stunden gab es ein rauschendes Zugabenprogramm

Zu dieser Zeit haben sie als erste Westband im Ostblock gespielt. 25.000 Zuschauer kamen 1967 ins Warschauer Legia-Stadion. Aber für die meisten Fans der Lords waren ihre Stücke "And At Night und vor allem "Poor Boy" das Non-Plus Ultra. "Poor Boy" wurde schließlich dann in einer Extra-Large-Version mit Einbindung des Publikums regelrecht zelebriert. Lietz hat diesen Song, der zu einem Markenzeichen der Lords wurde, damals auch selbst geschrieben.

Nach eineinhalb Stunden gab es schließlich noch ein rauschendes Zugabenprogramm. Darunter Rock-Songs wie "Lucille", "Johnny B. Goode" oder "Route 66." Abgekämpft, aber dennoch glücklich verabschiedeten sich die vier Berliner: "Hat es euch Spaß gemacht?" - Jaaaaaa! - "Sollen wir wiederkommen?" - Jaaaaaaaaa! Dann wäre es schön, wenn die Lords ein größeres Publikum hätten. Zumindest an diesem Abend hätten sie mehr verdient gehabt.

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