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Oper: "Angel's Bone": Europäische Erstaufführung am Staatstheater Augsburg

Oper

"Angel's Bone": Europäische Erstaufführung am Staatstheater Augsburg

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    Du Yun: "Angel's Bone", Inszenierung am Staatstheater Augsburg durch Antje Schupp
    Du Yun: "Angel's Bone", Inszenierung am Staatstheater Augsburg durch Antje Schupp Foto: Jan-pieter Fuhr

    Man wird sich nicht als hoffnungsloser Ignorant des zeitgenössischen Musiktheaters outen, würde man bekennen, dass man bei Erwähnung von Du Yun bisher lediglich mit den Schultern zuckte. Nie gehört, den Namen dieser chinesischstämmigen Komponistin, geschweige denn je ein Werk von ihr gesehen oder gehört. In den USA, wo Du Yun inzwischen lebt, ist das anders, dort ist die Komponistin seit Verleihung des Pulitzer-Preises 2017 für ihre Oper „Angel’s Bone“ zumindest den interessierten Kreisen ein Begriff. Nun wird „Angel’s Bone“ erstmals diesseits des Atlantiks zu hören und zu sehen sein, am Staatstheater Augsburg, wo die europäische Erstaufführung an diesem Samstag Premiere hat. 

    Auch Antje Schupp, verantwortlich für die Inszenierung auf der Bühne im Martinipark, erging es nicht anders, auch für sie war die Oper wie deren Komponistin zunächst kein Begriff. Das ist längst anders geworden. Ein Großteil der Zugriffszahlen bei Spotify für eine US-Aufnahme der Oper, glaubt die Regisseurin, dürfte von ihr stammen. Und das nicht allein aus berufsbedingter Notwendigkeit, nein, Schupp hält das preisgekrönte Werk gerade auch musikalisch für „hochinteressant“. Wegen der Zusammenführung ausgesprochen unterschiedlicher Musikstile, wie sie im Gespräch erzählt: Da treffen klassische Orchesterklänge auf Punk, elektronische Klänge und eingespielte Geräusche auf Renaissance-Polyfonie, Operngesang auf vokale Gepflogenheiten von Pop und Jazz. „Angel’s Bone“, sagt Antje Schupp, sei von der Komponistin auf Anregung des Staatstheaters Augsburg für die Europa-Premiere noch einmal überarbeitet und für einen größeren Orchesterapparat eingerichtet worden. An der so typischen Stil-Schmelze des Werks ändert das jedoch nichts. 

    Zwei Engel landen vor dem Haus eines Ehepaars

    Fesselnd auch, findet die Regisseurin, dass Du Yuns Musik nicht einfach nur einem beliebigen Eklektizismus frönt, sondern mit ihrer Vielgestalt dramaturgisch auf die Handlung reagiert. Das Geschehen hat es ja auch in sich: In einer nicht näher benannten amerikanischen Vorstadt leben Mr. X.E. und Mrs. X.E., ein Paar, das sich nicht mehr allzu viel zu sagen hat. Bis plötzlich zwei Engel, Boy Angel und Girl Angel, buchstäblich vom Himmel in den Garten des Ehepaars fallen und sich dabei die Flügel verletzen. Vor allem Mrs. X.E. wittert ihre Chance, lässt ihren Mann die Flüge der beiden mit der Schere stutzen, sodass die künftig ans Haus gebunden sind, und prahlt in ihrer Kirchengemeinde mit der Schönheit des Gefieders der jungen Engel – wer wolle, könne den beiden näher kommen, gegen Geld natürlich … 

    In Zeiten allenthalben ans Licht kommender Missbrauchsfälle braucht es nicht viel Fantasie, um den Faden weiterzuspinnen. Antje Schupp erzählt denn auch, dass die Komponistin Du Yun ihr in einem Gespräch mitgeteilt habe, eine der Anregungen zu „Angel’s Bone“ sei ein tatsächlicher Fall gewesen, bei dem eine gefangen gehaltene junge Frau als eine Art Leihmutter missbraucht wurde, das halbe Dorf habe davon gewusst. 

    Antje Schupp inszenierte schon einmal in Augsburg

    Überzeugend findet Antje Schupp, wie Du Yun und der Librettist Royce Vavrek den Parabelcharakter der Geschichte betonen. Missbrauch, Gewalt von Menschen gegenüber Schwächeren, kann in vielen Formen stattfinden, nicht nur im häuslichen oder im kirchlichen, auch nicht nur in einem sexuellen Kontext. Schupp, die vor drei Jahren mit Gian Carlo Menottis Oper „Der Konsul“ schon einmal eine Inszenierung in Augsburg erarbeitete, hat ihr Konzept für „Angel’s Bone“ denn auch nicht primär auf Zurschaustellung expliziter Gewalt angelegt. Bezüge werden vielmehr durch Andeutungen hergestellt, durch visuelle Hinweise wie etwa den, dass das Bühnenbild die Anmutung eines mittelalterlichen Tafel-Altars hat. Als gesellschaftlich und politisch aufmerksame Szenografin will Schupp in ihrer Inszenierung nicht zuletzt den Mechanismen der „Selbstlegitimation der Menschen“ nachgehen, den Trugbildern individueller Schuldlosigkeit, wo man sich am Gegenüber schuldig gemacht hat. 

    Antje Schupp jedenfalls ist überzeugt, dass „Angel’s Bone“ ein Stück von zeitgenössisch-packender Aussagekraft ist. Gut möglich also, dass schon bald auch hierzulande bei Erwähnung des Namens Du Yun ein informiertes Kopfnicken folgt.

    Die Produktion:

    • Die Premiere von „Angel’s Bone“ findet am Samstag, 4. Februar, um 19.30 Uhr im Martinipark statt.
    • Dirigent: Ivan Demidov.
    • Inszenierung: Antje Schupp.
    • Bühnenbild: Christoph Rufer.
    • Kostüme: Mona Hapke.
    • Video: Ayman Nahle.
    • Licht: Marco Vitale.
    • Darstellerinnen und Darsteller: Luise von Garnier (Mrs. X. E.), Wiard Witholt (Mr. X. E.), Claudio Zazzaro (Boy Angel), Alma Naidu (Girl Angel) u. a.
    • Augsburger Philharmoniker.
    • Opernchor des Staatstheaters Augsburg; Ensemble Vokalzirkel.
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