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„Lage der Metall- und Elektrobetriebe in Augsburg ist in Teilen katastrophal“

Interview

„Lage der Metall- und Elektrobetriebe in Augsburg ist in Teilen katastrophal“

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    Gernot Egretzberger ist Vorstandsvorsitzender des Verbands der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie für Augsburg. Die Lage der Branche ist angespannt.
    Gernot Egretzberger ist Vorstandsvorsitzender des Verbands der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie für Augsburg. Die Lage der Branche ist angespannt. Foto: Stefan Fink

    Sie sind Vorstandsvorsitzender des Verbands der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie für Augsburg und Geschäftsführer der J. N. Eberle & Cie GmbH. Wie würden Sie die Lage der Augsburger Betriebe in dieser Branche derzeit beschreiben?
    GERNOT EGRETZBERGER: Differenziert, in Teilen aber katastrophal.

    Das ist deutlich. Wie begründen Sie diese Einschätzung?
    EGRETZBERGER: Die Ertragskraft der Branche war schon in den letzten Jahren nicht besonders gut. Die Herausforderungen sind noch dazu weiter gewachsen. Die Energiekosten sind gestiegen und beispielsweise viermal so hoch wie in den USA. Die Lohnkosten sind nach oben gegangen und der Druck ausländischer Mitbewerber, speziell aus China, steigt. Die Zeiten, in denen Kunden bereit sind, Mehrkosten für das Label „Qualität Made in Germany“ in Kauf zu nehmen, sind vorbei. Das spüren auch die Unternehmen in Augsburg.

    Welche Rolle spielt für die Unternehmen der Region zusätzlich die Krise in der Automobilindustrie?
    EGRETZBERGER: Wenn man sich klarmacht, dass in Deutschland rund zwei Millionen Arbeitsplätze von der Autoindustrie abhängen, dann wird deutlich, dass deren Krise auch Krise für andere Betriebe, eben auch in der Metall- und Elektroindustrie, bedeutet. Wenn VW oder Thyssen husten, trifft das auch die rund 700 Betriebe in Augsburg und Schwaben.

    Zuletzt wurde seitens der Unternehmen immer wieder auf steigende Energiepreise, höhere Lohnkosten und die Bürokratie als Treiber der Krise verwiesen. Machen die Unternehmen selbst alles richtig?
    EGRETZBERGER: Natürlich gibt es auch Fehlentscheidungen in einzelnen Unternehmen. Aber generell, davon bin ich überzeugt, ist es stets das Ziel aller Verantwortlichen, den bestmöglichen Job zu machen. Die Unternehmensleitungen nehmen ihre Verantwortung ernst, wie es auch ihre Aufgabe ist. Es kann aber dennoch nicht sein, dass es nicht mehr reicht, seine Hausaufgaben zu machen, weil diese durch äußere und für Unternehmen nicht steuerbare Rahmenbedingungen torpediert werden.

    Welche Rahmenbedingungen meinen Sie da?
    EGRETZBERGER: Natürlich sind das die hohen Energie- oder Lohnkosten. Aber nehmen wir mal die Bürokratie. Sie bindet immer mehr Arbeitskräfte, und nicht jedes Unternehmen ist in der Lage, hierfür eigenes Personal einzustellen. Das bedeutet, die Aufgabe wird von bestehendem Personal übernommen und zieht sie von anderen wichtigen Aufgaben ab. Ich kann das am Beispiel von Eberle deutlich machen, wo ich auch Geschäftsführer bin. Wir haben im letzten Jahr 70 Ideen aus der Belegschaft bekommen, wie wir uns effizienter aufstellen und uns der Krise stellen können. Da ist prima und der richtige Weg. Aber einige dieser Vorschläge muss man sich genauer anschauen und sich intensiv damit auseinandersetzen. Aber wenn ich erst einmal fristgerecht verschiedene gesetzlich vorgegebene Reports fertigstellen muss, dann rutscht das in der Zeitachse erst mal nach hinten.

    Und vermutlich kosten einige der Ideen auch Geld. Geld, das immer weniger Augsburger Unternehmen investieren.
    EGRETZBERGER: Richtig. Weil kaum mehr Spielraum für Investitionen da ist. Das Geld ist vorher über hohe Steuern oder Energiekosten, Ausgaben für Bürokratieaufwendungen und andere Auflagen, auch seitens der EU, aus den Unternehmen geflossen. Das ist fatal. Denn in einigen Fällen kann ich meine Effizienz und damit die Erträge, wie sie sagen, nur steigern, wenn ich vorher investiere. Beispielsweise in neue Maschinen oder Prozesse. Wenn ich das nicht mehr wirtschaftlich darstellen kann, bleibt für viele Unternehmen nur die Abwanderung ins Ausland.

    So wie es jetzt bei Erberle ist...
    EGRETZBERGER: Die Abwanderung nach Osteuropa mit einem Teil der Produktion war für uns der letzte Schritt. Oberstes Ziel des Unternehmens war und ist es, Wertschöpfung und unsere guten und engagierten Mitarbeiter am Standort zu halten. Aber im Bereich Bandsägen aus Bimetall können wir das nicht mehr, wenn wir das Unternehmen im Ganzen weiter am Leben erhalten wollen. Mein Appell an die neue Bundesregierung lautet deshalb: Es muss sich wieder lohnen, in Deutschland statt im Ausland zu investieren. Und wir brauchen mehr Planbarkeit. Investitionen sind eine langfristige Angelegenheit. Wenn ich heute nicht weiß, was mich morgen erwartet, dann macht das die Lage schwierig.

    Welche weiteren Forderungen hat die Branche an die neue Bundesregierung?
    EGRETZBERGER: Wenn ich Kunden in anderen Ländern besuche, spüre ich, die wollen. Die sind engagiert und haben das Ziel, genauso gut zu werden, wie die Unternehmen in der EU und damit auch in Augsburg. Diese Unternehmen haben aufgrund der Rahmenbedingungen aber weit größere Möglichkeiten, sich zu entfalten, während wir uns fesseln. Vielleicht wäre es sinnvoll, einmal rauszugehen, in anderen Ländern zu schauen, wie dort gearbeitet wird und man schaut sich das Beste ab. Umweltschutz ist gut, ebenso wie die Vertretung der Arbeitnehmerrechte im Bereich Lohnsteigerungen. Aber alles mit Maß und Ziel. Ich halte es nicht für besonders nachhaltig, wenn Unternehmen ins Ausland abwandern, wo weitaus weniger Umweltschutzauflagen herrschen und sie dann noch dazu ihre Waren über die Weltmeere schippern.

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