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Sieger von morgen: Durch das Tennis ins Traumland USA

Sieger von morgen

Durch das Tennis ins Traumland USA

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    „Ich habe einen Satz 6:3 gewonnen. Als ich Kevin dann bei den French Open sah, hab ich mir gedacht: Ich bin doch nicht so weit entfernt vom Profi-Tennis.“Lukas Engelhardt studiert ab August in den USA an der University von Mississippi und spielt dort auch im Tennis-Team. Dadurch finanziert er das teure Studium.
    „Ich habe einen Satz 6:3 gewonnen. Als ich Kevin dann bei den French Open sah, hab ich mir gedacht: Ich bin doch nicht so weit entfernt vom Profi-Tennis.“Lukas Engelhardt studiert ab August in den USA an der University von Mississippi und spielt dort auch im Tennis-Team. Dadurch finanziert er das teure Studium. Foto: Ulrich Wagner

    Als die Symptome zum ersten Mal 2017 auftauchten, gab Lukas Engelhardt nicht viel darauf. Muskelkrämpfe – was soll das. Der Tennisspieler war Leistungssportler, spielte mit seinen 17 Jahren schon in der Bayernliga-Mannschaft des TC Augsburg an Nummer zwei, war beim Bayerischen Tennisverband (BTV) und auch beim Deutschen Tennisbund (DTB) durchaus bekannt, versuchte auf internationalen Turnieren Punkte zu sammeln. Doch seine Beschwerden wurden immer schlimmer. „Am Ende hatte ich schon bei der kleinsten Belastung Ganzkörperkrämpfe“, sagt Lukas Engelhardt knapp zwei Jahre später.

    Der 18-jährige Hüne, der genauso groß wie Alexander Zverev ist, 1,98 Meter, und ein wenig an den jungen Dirk Nowitzki erinnert, sitzt im Klubrestaurant des TC Augsburg. Eigentlich wäre ein gutes Gesprächsthema der Saisonstart der Männer-Regionalliga, in die der TCA auch unter der Mithilfe von Engelhardt aufgestiegen ist. Seine Einzel-Bilanz an Nummer fünf: 6:1.

    Für den TCA beginnt das Abenteuer Regionalliga am 6. Juli beim TC Rot-Blau Regensburg. Engelhardt wird nicht dabei sein. Denn Mitte August beginnt das größte Abenteuer in seinem bisherigen Leben. Er wird vier Jahre in den USA an der University of Mississippi in Oxford, die eigentlich nur Ole Miss genannt wird, studieren und Tennis für das Uni-Team spielen.

    Die Geschichte von Lukas Engelhardt steht stellvertretend für viele junge deutsche Sportler, die nach dem Abitur in den USA studieren wollen. Dafür aber ein Sportstipendium brauchen, um die hohen Studiengebühren (zwischen 20000 und über 50000 Dollar pro Jahr) bezahlen zu können. Nicht nur im Tennis versuchen viele Talente Sport und Studium so zu kombinieren und nicht nur auf eine vage Aussicht auf eine Profikarriere zu setzen.

    Bei Lukas Engelhardt hat diese Entscheidung viel mit dem Sommer 2017 und was dann folgte zu tun. Denn für Engelhardt begann eine wahre Odyssee bis feststand, was zu seinen Muskelkrämpfen führte. „Der eine Arzt hat gesagt, ich trainiere zu viel, der andere ich trainiere zu wenig, der andere ich trainiere falsch“, erzählt Engelhardt. Insgesamt 39-mal wurde ihm während weniger Monate eine Hohlnadel in die Vene gedrückt, um Blut abzunehmen. Aber erst die letzte Blutprobe brachte einen Arzt auf die richtige Spur. Dr. Andreas Weniger aus Diedorf, früher selbst erfolgreicher Läufer, entdeckte, dass ein Wert nicht stimmte. „Der CK-Wert, der Wert der Creatinkinase, war 500-mal höher als normal. Vereinfacht erklärt: Meine Muskelzellen regenerierten nicht mehr“, sagt Engelhardt. Es gab nur einen radikalen Ausweg: Der junge Tennisspieler durfte monatelang keinen Sport treiben. Seine Mikromuskulatur musste sich erholen.

    „Lukas hat dann wieder ganz von vorne begonnen: 100 Meter joggen, 100 Meter gehen, dann 200 Meter joggen, 200 Meter gehen“, veranschaulicht Vater Erich Engelhardt die Dimension. Es dauerte rund zehn Monate, bis Lukas im März 2018 wieder richtig Tennisspielen konnte. In der langen Pause wurde der Familie Engelhardt eines klar: Voll auf die Karte Profi-Tennis wollten Lukas, Vater Erich, ein pensionierter Polizeibeamter, und Mutter Romy nicht setzen. „Du musst von Turnier zu Turnier reisen, die Trainerstunden selbst bezahlen“, rechnet Lukas Engelhardt vor. „Da musst du unter den ersten 200 oder 150 der Welt sein, um ein Plus zu machen. Es schaffen nur wenige, davon leben zu können.“ Dieses finanzielle Risiko wollte die Familie nicht eingehen. Hatte sie bis dato doch schon viel in Lukas’ Tenniskarriere investiert und dann gesehen, wie plötzlich alles vorbei sein kann.

    Eigentlich hätte Lukas Eishockeyspieler werden sollen. Das war der Wunsch von Vater Erich, der unter anderem über 20 Jahre als Einsatzleiter für die Sicherheit bei den Spielen des AEV im Curt-Frenzel-Stadion zuständig war. Doch Lukas hatte dazu keine Lust, genauso wenig wie zum Fußballspielen. „Er war vollkommen unsportlich“, sagt Vater Engelhardt. Bis er mit sechs Jahren zum ersten Mal einen Tennisschläger in die Hand nahm, als sein Vater beim TSV/TC Haunstetten spielte. Die Initialzündung. „Mit Ball und Schläger war er eins.“ Die Erfolge kamen von selbst.

    Trainer Steffen Hauffe holte ihn zum TCA. Engelhardt spielte im deutschen U12-Team in Russland. Zusammen mit Rudolf Molleker, der bei den French Open in Runde eins stand und für das ATP-Turnier beim TCA im August zugesagt hat.

    Später trainierte Lukas mit Gerhard Schruff. Engelhardt blieb immer dem TCA treu, ging nicht wie viele andere Talente zu einer Tennisbase des Verbandes. Lukas sollte sein Abitur an einem normalen Gymnasium machen. Das Interesse der Verbände nahm ab. Die Familie zahlte einen Großteil der Tennis-Entwicklung aus der eigenen Tasche. Eine lohnende Investition? Vielleicht. Wenn man gesund bleibt.

    Und so entschied die Familie 2018, dass sich Lukas wenige Wochen vor dem Abitur voll auf die Schule konzentrieren sollte. „Mein Ziel war eine Eins vor dem Komma“, lacht Lukas. Er erreichte das Ziel. Mit 1,9 verließ er im Frühsommer 2018 das Maria-Ward-Gymnasium. Und auch im Tennis ging es danach wieder aufwärts. Die Beschwerden waren nach der langen Regenerationsphase und dem dosierten Wiederaufbau wie weggeblasen. Lukas spielte und trainierte viel, aber ohne Druck, kehrte in die Leistungsklasse 1 zurück und feierte mit dem TCA den Aufstieg in die Regionalliga. Im Winter gewann er mit Tim Zeitvogel die deutsche Jugendmeisterschaft im Doppel in Essen. Wenige Wochen später kam er bei den Männern in Biberach bei den deutschen Meisterschaften unter die letzten 16. Der große Blonde aus Augsburg spielte sich Ende des Jahres wieder in den Blickpunkt.

    Besonders von einigen amerikanischen Universitäten. Die schicken in dieser Jahreszeit ihre Chefcoaches nach Europa, um Tennistalente für ihre Uni-Mannschaften zu scouten. Sport spielt eine wichtige Rolle. Er ist neben den akademischen Einrichtungen das Aushängeschild der Universitäten. Engelhardt rückte in den Fokus der University of Michigan und der University of Mississippi, beide gelten als Top-Adressen im Tennis. Doch der Trainer aus Michigan, der ehemalige deutsche Profi Benjamin Becker, hatte kein Geld für ein Stipendium zur Verfügung.

    Dafür war Ole-Miss-Chef-Trainer Toby Hansson so begeistert von Engelhardt, dass er ihm über die vierjährige Studienzeit bis zu seinem Abschluss im „Financial Accounting“ (Finanzbuchhaltung) ein Voll-Stipendium anbot. „Es ist eine super Kombination, die für mich kaum besser geht“, freut sich Engelhardt. Seine Zukunft ist abgesichert, egal, was in den nächsten Jahren passiert. Und er hat auch sportlich viel vor. „Ich hoffe, dass ich im Tennis das nächste Level erreichen kann.“

    Einzige Bedingung war, dass Engelhardt ab 1. Januar keine Turniere spielen und in keiner Mannschaft antreten darf, um seinen benötigten Amateurstatus nicht zu gefährden. Engelhardt trainiert seitdem alleine in Augsburg und München. Einer seiner Spielpartner war im April Kevin Krawietz, der spätere Grand-Slam-Doppelsieger von Paris. Engelhardt stolz: „Ich habe einen Satz 6:3 gewonnen. Als ich Kevin bei den French Open im Fernsehen sah, hab ich mir gedacht: Ich bin doch nicht so weit entfernt vom Profi-Tennis.“

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