Angesichts der Haushaltskrise im Bund lässt Baden-Württemberg auch seine eigene Finanzpolitik juristisch überprüfen. Das berichtet die "Badische Zeitung" (Dienstag) unter Berufung auf Finanzminister Danyal Bayaz. "Wir wollen eine externe, auch kritische juristische Begleitung sicherstellen, damit wir in Zukunft Rechtssicherheit haben", sagte der Grünen-Politiker dem Blatt. Anlass ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bundeshaushalt.
Das Land habe zwar im Unterschied zur Bundesregierung keine Notkredite aus der Corona-Pandemie zweckentfremdet, sagte Bayaz dem Blatt. Die Karlsruher Richter hätten aber auch festgestellt, dass solche Kredite nur in dem Haushaltsjahr genutzt werden dürften, für das die Notlage erklärt wurde. Baden-Württemberg hatte Kreditermächtigungen gegen Corona auch noch 2022 genutzt - zum Kampf gegen die Folgen der Pandemie. Dem Finanzministerium zufolge mussten beispielsweise Test- und Impfmaßnahmen überjährig durchgeführt und finanziert werden.
Das Gutachten soll Bayaz zufolge nun klären, ob für eine solche Verwendung jedes Mal die Notsituation neu erklärt werden muss und ob die Feststellung auch für andere Kreditermächtigungen gilt. Der Finanz- und Steuerrechtler Hanno Kube von der Universität Heidelberg soll für das Gutachten beauftragt werden. Es soll voraussichtlich im ersten Quartal 2024 fertig sein.
"Wir müssen nichts rückabwickeln", versicherte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart. "Wir haben alles nach bestem Wissen und Gewissen gemacht." Man fühle sich auch nicht ertappt. Es stehe auch nicht in Raum, dass Gelder zurückgezahlt werden müssten.
Man lasse aber - freiwillig - die Haushaltspraxis überprüfen, falls man sie gegebenenfalls für die Zukunft modifizieren müsse, sagte der Regierungschef. Die sogenannte Einjährigkeit stehe nicht in der Landesverfassung. Man werde prüfen, ob das Sinn mache - und gegebenenfalls die Verfassung ändern. "Grundsätzlich ist es ja klar, dass sich Krisen nicht an Kalenderjahre halten."
Kube sei ein renommierter Verfassungsrechtler in solchen Fragen und habe gemeinsam mit der CDU gegen den Nachtragshaushalt des Bundes vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt, sagte Kretschmann.
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Umschichtung von Corona-Krediten in einen Fonds für Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft für nichtig erklärt. Zugleich entschieden die Richter, der Staat dürfe sich Notlagenkredite nicht für spätere Jahre zurücklegen. Das reißt eine Milliardenlücke in die Planung für das kommende Jahr - und in die Finanzierung langfristiger Vorhaben der nächsten Jahre.
Welche Auswirkungen das BVG-Urteil und die Haushaltskrise im Bund auf das Land haben, sei bislang nicht klar, sagte Kretschmann. Klar sei aber, dass das Land bei Mischfinanzierungen fehlende Mittel vom Bund nicht aus dem Landeshaushalt ersetzen könne.
Die FDP-Fraktion kritisierte das Vorgehen von Finanzminister Bayaz. Die Landesregierung habe 2020 7,2 Milliarden Euro Schulden nach der Notlageregelung aufgenommen, aber bis zum Jahresende nur knapp mehr als 4 Milliarden ausgegeben, den Rest in den Folgejahren. Aber man habe keine Notlage mehr erklärt und gegen das Prinzip der Jährigkeit verstoßen. "Sich noch bestätigen zu lassen, was man längst weiß, ist ein teures Spiel auf Zeit. Wann erklärt der Ministerpräsident, wie man damit umgehen will?"
"Rechtliche Klarstellungen sind nötig, damit die öffentliche Hand Planungssicherheit hat", sagte hingegen Kai Burmeister, der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds im Land. "Klimaneutralität, der dafür notwendige Umbau der Industrie und der soziale Zusammenhalt sind eine Jahrhundertaufgabe." Dazu seien enorme zusätzliche Investitionen notwendig. Burmeister sprach sich für Sondervermögen in dem Kontext aus.
(dpa)