
Die Roseninsel: Wo sich Sisi und König Ludwig trafen

Plus Vor 175 Jahren kam König Ludwig II. zur Welt. Auf die Roseninsel im Starnberger See zog er sich gern zurück. Fährmann Stefan Seerieder weiß, was der König hier erlebte.

Die Insel ist wie unsichtbar. Blickt man vom Wittelsbacherschloss Berg am Ostufer des Starnberger Sees übers Wasser, kann man das Eiland nur unscharf erkennen. Viereinhalb Kilometer liegen zwischen der Sommerresidenz des Märchenkönigs Ludwig II. und der Roseninsel, auf die er sich gerne zurückzog. Keiner weiß, wie oft der Monarch ins Wasser stieg und hinüberschwamm. Ein König? Geschwommen?! Ja, genauso erzählt man es sich hier am Starnberger See – selbst wenn der Kini natürlich auch einen Raddampfer namens Tristan für die kurze Überfahrt besaß. Ludwig II. war ein König, der gerne allein war mit seiner Melancholie und den Künsten. Und welcher Rückzugsort wäre besser als einer, der unsichtbar macht?
König Ludwigs Herz ist in Altötting bestattet
König Ludwig II. würde an diesem Dienstag seinen 175. Geburtstag feiern. Daran wird in ganz Bayern erinnert. In den Ammergauer Alpen sollten schon am Vorabend des Festtags Feuer entzündet werden – zum „flammenden Gedenken“, wie es aus dem Hause Wittelsbach heißt. Vertreter der Königstreuen – so nennen sich die glühenden Verehrer der bayerischen Monarchie – wollen zu Ludwigs Gruft in der Münchner Michaelskirche hinuntersteigen, wieder andere die Altöttinger Gnadenkapelle besuchen. Dort ist Ludwigs Herz bestattet. In der Münchner Residenz ehrt man den Märchenkönig mit einer Lichtshow, im Schwangauer Ortsteil Waltenhofen, ein paar Kilometer von den Königsschlössern entfernt, findet eine Gedenkmesse statt. Und dann wird – was für ein Geschenk – diese Woche nach jahrelangen Restaurierungsarbeiten der pompöse Sängersaal auf Schloss Neuschwanstein wieder eröffnet.

Wie hätte Ludwig II. seinen Geburtstag gefeiert? Vielleicht auf der Roseninsel, die er gerade in jungen Jahren so liebte.
Wer die einzige Insel im Starnberger See heute besuchen will, steigt ins Holzboot von Stefan Seerieder. Der Steg am Westufer nahe des Strandbads Feldafing – etwa eine halbe Stunde Autofahrt von Schloss Berg entfernt – markiert den einzigen Weg auf die Insel, wenn man denn nicht schwimmen will. Seerieder, 53, ist einer der beiden Fährleute, die viele Male am Tag die 170 Meter zwischen Ufer und Insel überwinden. „Ich hab’ schon die Toten Hosen rübergefahren“, sagt er. Peter Maffay, Besitzer eines Hauses am See, komme ab und zu mit dem Hund vorbei. Seerieder startet den Elektromotor seiner Zille mit rot bespannten Sitzen und Rosendeko unterm offenen Dach. Die würde Ludwig wohl gefallen.
Zu König Ludwigs 40. Geburtstag war der See beleuchtet
Ganz frisch aufgetaucht ist ein Bericht über des Königs 40. Geburtstag im Jahr 1885. Das Kaiserin-Elisabeth-Museum im Nachbarort Possenhofen besitzt einen vergilbten Zeitungsartikel, der von einem „Abendkorso“ auf dem Wasser berichtet: „Nachdem vorher alle überhaupt tragfähigen Fahrzeuge mit Blumengewinden und bunten Lampions geschmückt worden, flammen bei Einbruch des Abenddunkels als Zeichen zum Beginn des Festes auf den Höhen die Freudenfeuer empor, und gleichzeitig stoßen überall die bekränzten und illuminierten, dicht mit fröhlichen Menschen besetzten und oft von schönen Händen geruderten Kähne vom Ufer ab. Tausende von Lichtern spiegeln sich in dem klaren Wasser und beleuchten, wetteifernd mit dem klaren Mondlichte, das belebte, anziehende Bild.“
Heute, 135 Jahre später, ist der See noch ruhig bis auf eine Stand-up-Paddlerin. Die für den Tag angekündigte Hitze hat es noch nicht bis aufs Wasser geschafft. Die Insel kommt näher. Noch immer sieht man vor allem Bäume, keine Rosen. „Hier war Ludwig vor allen Blicken geschützt“, sagt der Fährmann.
Man kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Seerieder und der Märchenkönig etwas gemeinsam haben. Sonnengebräunte Haut trifft auf vornehme Blässe. Hier Lederhose, da Hermelinmantel. Tiefstes Bairisch, elaboriertes Französisch. Ludwig nutzte gelegentlich die Sprache seines großen Vorbilds, des Sonnenkönigs Ludwig XIV.
Und doch, eins eint König und Kahnfahrer. Auch er sei in jüngeren Jahren oft zur Insel geschwommen, sagt Seerieder – allerdings mit ganz anderen Absichten als der König. Ludwig genoss Anblick und Duft hunderter Rosen, Seerieder zertrat das Gestrüpp am Ufer. Immer dann, wenn er mit seinen Kumpels im Spaß versuchte, den damaligen Inselverwalter zu foppen. „Unsere Wadeln und Schienbeine waren richtig verkratzt, die Insel total verwildert.“ Tatsächlich wurde die Roseninsel nach Ludwigs mysteriösem Tod 1886 fast ein Jahrhundert lang dem Willen der Natur überlassen. „Dornröschenschlaf“ nennt es Seerieder. Erst 1970 kaufte der Freistaat sie den Wittelsbachern ab. In den Folgejahren nahm sie nach und nach wieder die Gestalt an, die auch Ludwig kannte.
Historische Rosen wie zu Ludwigs Zeiten

Schon nach ein paar Metern auf den akkuraten Kiespfaden – Wege bloß nicht verlassen, sonst gibt’s Ärger mit der Schlösserverwaltung – ist alles weiß, rosa und lila getupft. Historische Rosen wie im 19. Jahrhundert. Gelbe und tiefrote gab es damals noch nicht. Gerade blühen die Rosen zum zweiten Mal, auch im Juni war hier alles ein Farbenmeer. Inmitten des als Rondell angelegten Rosengartens steht das Casino. Ein kleines Schlösschen im Stil einer römischen Villa, in Auftrag gegeben Mitte des 19. Jahrhunderts von Maximilian II. von Bayern, Ludwigs Vater. Er hatte die Insel einst einer Fischersfamilie abgekauft.
Das Casino ist das sagenumwobene Herz der Insel. Seinen Gartensaal nutzt heute das Feldafinger Standesamt für Trauungen. Blick aufs Rosenmeer, im Hintergrund der See und die Alpen: Wie romantisch kann ein Ort sein?
Hier trafen sie sich, die beiden größten Stars, größten Sehnsuchtsgestalten, die beiden tragischsten Figuren in der Geschichte des Königreichs Bayern: Ludwig und Sisi, sie acht Jahre älter als er. Von der Insel aus braucht es nur einen Blick über die Spitzen der vielen Segelboote im kleinen Feldafinger Hafen zum Schloss Possenhofen, wo Sisi aufgewachsen ist und auch als Kaiserin von Österreich noch zu Gast war. Bis auf eine Kahnfahrt um das Jahr 1880 weiß man nicht viel über die gemeinsamen Treffen. Aber Briefe haben sie sich geschrieben, Gedichte. Briefkasten war ein Sekretär im Casino, für den es nur zwei Schlüssel gab. Ein paar der Botschaften kennt man. „Möve“ und „Adler“ nannten sie sich. Und die Gerüchte ranken sich wild. Eine Affäre? Fährmann Seerieder wird das Gerücht später mit einer vehement wegwerfenden Handbewegung aus der Welt schaffen, der Blick fast etwas verächtlich ob so wenig Menschen- und Geschichtskenntnis. „Schmarrn.“ Die Liebe sei rein platonisch gewesen.
Ludwigs 175. Geburtstag: Erinnerung an denkwürdige Treffen
Für den Schiffer ist die Sache klar: „Aus’kotzt ham sie sich. Er ein König, der nix zu sagen hatte, sie Kaiserin am Hof in Wien, mit dem strengsten Zeremoniell.“ So oder so: Die Seelenverwandtschaft Sisis und Ludwigs wurde legendär. Und der Sekretär?
„Den gibt es nicht mehr“, sagt Tobias Schlenker. Er ist der Kastellan, also der Inselverwalter, lebt den Sommer über neben dem Casino im ehemaligen Gärtnerhaus und weiß wohl so viel über König Ludwig und die Roseninsel wie kein anderer. „Der romantische Ruf der Insel geht mit Sicherheit auf Ludwig zurück“, sagt er und wirkt mit seinem gescheitelten schwarzen Haar, dem Hemd und schwarzen Jeans wie ein Fotonegativ inmitten all der leuchtenden Farben. Ludwig habe mehr Rosen anpflanzen und den Veranda-Gang des Casinos verglasen lassen, um sich ein Schlafzimmer einzurichten. „Die Insel war absolut privat.“
Nur in Ausnahmefällen lud der König Gäste ein. Schlenker erzählt von Ludwigs zeitweiliger Verlobter Sophie Charlotte, Herzogin von Bayern, die vom süßen, schweren Geruch Kopfweh bekommen haben soll. Von der Kapriole im Juni 1866, als Ludwig II. auf der Insel mit Gleichgesinnten den Jahrestag der Uraufführung von Wagners „Tristan und Isolde“ feierte, während nach dem Einmarsch preußischer Truppen in Holstein der sogenannte deutsche Krieg drohte.
Legendäres Fest auf der Roseninsel im Jahr 1868
Und er erzählt von dem legendären Seefest für die russische Zarin und Ludwigs Vertraute Maria Alexandrowna im Jahr 1868, für die er ein riesiges Feuerwerk abbrannte und die Insel elektrisch beleuchten ließ. Da habe sich der technische Geist Ludwigs gezeigt, sagt Schlenker – sein visionäres Denken, das sich in der Raffinesse seiner Schlösserbauten heute am deutlichsten präsentiert. Diese waren auch schuld daran, dass Ludwigs Interesse an der Insel nachließ. Erst 1885 eilte er noch einmal dorthin. Sisi hatte ihm einen letzten Brief in den Sekretär gelegt. Er soll mit einem Gedicht geantwortet haben: „Seit Jahren erfolgte meinerseits kein Besuch der Roseninsel, erst vor ein paar Tagen erfuhr ich, welche Freude mir dort harrt. Auf diese Nachricht hin flog ich eilends nach dem idyllischen Eiland und fand dort den theuren Gruß der See-Möve! Tiefsten, innigsten Dank!“ Es ist das Jahr vor Ludwigs mysteriösem Tod. Am 13. Juni 1886 stirbt er im Starnberger See.
Ein Kreuz zeigt König Ludwigs Todesstelle
Das Kreuz, das seine Todesstelle zeigt, lässt sich von der Roseninsel aus nur erahnen. Mit dem Boot könnte man hinüberfahren. Doch Fährmann Stefan Seerieder hat keine Zeit. Gerade legt er wieder am Ufer der Insel an, Besucher strömen vom Boot Richtung Rosengarten. Und die nächsten warten schon. Allein deshalb wird Seerieder an diesem Dienstag rund um die Uhr an Ludwig II. denken. „Wir werden jedem Gast von seinem Geburtstag erzählen.“ Das ist seine Art, den König zu feiern.
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