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Nürnberg: Abschiebung aus dem Klassenzimmer ängstigt Schüler

Nürnberg

Abschiebung aus dem Klassenzimmer ängstigt Schüler

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    300 Schüler und Abschiebungsgegner sind vor der Berufsschule 11 in Nürnberg mit der Polizei aneinandergeraten.
    300 Schüler und Abschiebungsgegner sind vor der Berufsschule 11 in Nürnberg mit der Polizei aneinandergeraten. Foto: Michael Matejka, dpa

    Wenn die Polizei einen ausreisepflichtigen Asylbewerber abholt, hat sie eigentlich die Vorgabe, möglichst geräuschlos zu handeln. In Nürnberg gelang das nicht. Polizisten nahmen einen 20-jährigen Afghanen direkt aus seiner Berufsschule mit – vor den Augen der Mitschüler und hunderter Demonstranten, die die Abfahrt des Streifenwagens verhindern wollten. Die Situation eskalierte.

    Nach Abschiebe-Vorfall in Nürnberg: Entsetzen bei Helfern und in den Schulen

    Innenminister Joachim Herrmann (CSU) macht linksextremistisch-autonome Demonstranten für die Ausschreitungen verantwortlich. Sie hätten gezielt die Polizei angegriffen. Gegen einen polizeibekannten Linksextremisten wurde nach Angaben des Ministeriums Haftbefehl erlassen.

    Unabhängig davon sorgt die Tatsache, dass die Polizei in der Schule zugriff, bei Helfern, Oppositionspolitikern und an den Schulen weiter für Entsetzen. Der Polizeieinsatz hat nach Einschätzung von Michael Adamczewski, Leiter der Nürnberger Berufsschule, „viel Integrationsarbeit“ zerstört. Er beschreibt Asef N. als „zuverlässigen Schüler“. Aus dem Innenministerium hieß es am Freitagabend, dass die Beamten gegen sechs Uhr morgens bei der Wohnadresse des Schülers geklingelt hatten. Dort sei er nicht anzutreffen gewesen. Die zentrale Ausländerbehörde teilte der Polizei dann mit, dass sich N. „gegebenenfalls an der Nürnberger Berufsschule aufhalte und man ihn dort in Gewahrsam nehmen könne“.

    Lehrer: Abschiebung direkt aus der Schule ist Belastung für andere Schüler

    Auch in Schwaben leben Tausende junge Asylbewerber, die in speziellen Schulklassen lernen. Die Bezirksregierung zählte im April etwas über 1000 schulpflichtige Flüchtlingskinder zwischen sechs und 15 Jahren. Sie besuchen meist Grund- und Mittelschulen. Außerdem warteten knapp 4500 Jugendliche zwischen 16 und 21 Jahren auf ihren Asylbescheid. Viele lernen in sogenannten Integrationsklassen an Berufsschulen Deutsch und werden auf eine Ausbildung vorbereitet.

    Jürgen Wunderlich, Vorsitzender des Verbands der bayerischen Berufsschullehrer, weiß von keinem Fall in Schwaben, in dem die Polizei direkt in eine Schule kam. Das solle auch nicht passieren. Natürlich müsse der Rechtsstaat durchgreifen, wenn ein abgelehnter Asylbewerber sich weigert, auszureisen. Doch ein Einsatz wie in Nürnberg verunsichere die ganze Klasse.

    Lehrerin Sabrina Weiss kennt das. Sie unterrichtet seit fünf Jahren junge Flüchtlinge an der Sankt-Georg-Mittelschule in der Augsburger Innenstadt. Und sie weiß, dass es auch für die Mitschüler eine enorme psychische Belastung ist, wenn ein Schüler von einem Tag auf den anderen fehlt. Sie teilen oft dieselben traumatischen Erfahrungen – wissen, dass womöglich auch ihnen selbst die Abschiebung droht. Dass in Nürnberg die Polizei sogar auf dem Schulflur stand, sieht die Mittelschullehrerin kritisch. Die Schule sei schließlich „ein Schutzraum für die Kinder und Jugendlichen“.

    Polizei: Normalerweise werden Abgeschobene von Zuhause geholt

    Thomas Rieger, Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben/Nord, bestätigt: „Im Idealfall werden Betroffene zu Hause abgeholt“ – so wie es auch die Nürnberger Polizei versucht hat. Aus rechtlichen Gründen dürften Betroffene aber nur möglichst kurz vor ihrer Abschiebung abgeholt werden. Es sei nicht zulässig, sie Tage vorher in Gewahrsam zu nehmen. Deshalb bleibe der Polizei manchmal nichts anderes übrig, als an ungünstigen Orten zuzugreifen. Auch im Fall von Asef N. wäre der Flug zurück nach Afghanistan noch am selben Abend gegangen. Nach der Aktion vom Mittwoch bleibt der 20-Jährige vorübergehend in Nürnberg auf freiem Fuß. Nach dem Terroranschlag auf die deutsche Botschaft in Kabul hat die Bundesregierung für Afghanistan einen Abschiebestopp verhängt.

    Bei dem Einsatz soll Asef N. mit Rache gedroht haben. „Ich bin in einem Monat wieder da. Und dann bringe ich Deutsche um“, rief er nach Polizeiangaben. Sein Schulleiter nimmt ihn in Schutz: „So eine Aussage, wenn sie gefallen ist, muss man im Kontext der Situation sehen.“ Er habe drei Stunden in einem aufgeheizten Streifenwagen verbracht, um ihn herum Tumulte. Das Nürnberger Amtsgericht hatte am Donnerstag trotz der Drohung keinen Anlass gesehen, Asef N. in Abschiebehaft zu nehmen. mit dpa

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