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Jordanien: Allgäuer Bergkäse aus der jordanischen Wüste: Vorhaben ist gescheitert

Jordanien

Allgäuer Bergkäse aus der jordanischen Wüste: Vorhaben ist gescheitert

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    Mit Geld aus dem Erlös der Allgäu-Orient-Rallye wurde diese Käserei in Jordanien finanziert. Doch das ambitionierte Projekt ist gescheitert, die Wüsten-Käserei steht leer.
    Mit Geld aus dem Erlös der Allgäu-Orient-Rallye wurde diese Käserei in Jordanien finanziert. Doch das ambitionierte Projekt ist gescheitert, die Wüsten-Käserei steht leer. Foto: Wilfried Gehr (Archiv)

    Bergkäse aus der Wüste – das hört sich ausgefallen an, verwegen. Wilfried Gehr ist ein verwegener Mann. Immerhin hat der Oberstaufener 2006 die verrückte Idee einer Rallye vom Allgäu in den Orient umgesetzt. 300 Autonarren nahmen damals teil. Und seither setzen sich jedes Jahr zwischen 250 und 650 unerschrockene Frauen und Männer in klapprige Kisten, fahren 5000 Kilometer über den Balkan, die Türkei und Israel nach Jordanien, wo sie die Autos verkaufen. Den Teilnehmern geht es in erster Linie ums Abenteuer. Darüber hinaus erhält die Rallye einen sozialen Anstrich durch Projekte, die Initiator Gehr mit dem Erlös anstößt.

    Ein solches ist die Wüstenkäserei. Als sie 2010 im jordanischen Wüstendorf Al Rabiat, 60 Kilometer von der Hauptstadt Amman entfernt, in Betrieb ging, fand sie große Resonanz. Sogar das jordanische Königshaus war bei der Vorstellung des Projekts vertreten. Dass die Vision einer Beduinen-Käserei inzwischen gescheitert ist, wollte freilich niemand an die große Glocke hängen. Das wurde nun zufällig bekannt.

    Namhafte Partner waren im Boot

    Dabei hörte sich das Vorhaben nicht abwegig an. In Jordanien gibt es Kamele, Schafe und Kühe. Sie alle geben Milch. Wilfried Gehr war der Überzeugung, den Wüstenbewohnern sei geholfen, wenn man ihnen zeigt, wie sie Milch haltbar machen, indem sie Käse herstellen. Weil die Allgäuer darin Spezialisten sind, schien es naheliegend, den Jordaniern eine Käserei zu spendieren.

    Das passte gut ins Konzept der Rallye, die aus einer „Schnapsidee“ entstand, wie Gehr immer wieder gerne erzählt. Über die Voraussetzungen für die Verwirklichung ihrer neuen Idee verfügten die Rallye-Organisatoren: Sie investierten 100000 Euro aus dem Verkauf der Rallye-Fahrzeuge von zwei Jahren in Bau und Einrichtung der Käserei und kannten idealistische Fachleute, die sich bereit erklärten, vor Ort Starthilfe zu leisten. Einige nahmen Urlaub für das Projekt, ihre Reisekosten nach Nahost übernahm das Rallye-Team.

    Gehr, der es gewohnt ist, für seine Sache zu trommeln, holte namhafte Partner ins Boot: Aus dem jordanischen Königshaus ließ sich Prinzessin Basma bint Talal als Unterstützerin gewinnen, und das World Food Programme, das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen, schien die Sache eine Zeit lang zu begleiten – zumindest geht dies aus Einträgen auf der Rallye-Homepage sowie aus Zeitungsartikeln hervor, in denen Gehr vollmundig die Fortschritte des Projekts beschrieb. Im Nachhinein freilich scheint es nicht nur verwegen, sondern fast schon blauäugig zu glauben, Beduinen würden dauerhaft eine Käserei betreiben. Wie soll ein Volk, das sich traditionell durch Mobilität und Wanderschaft definiert, die konsequente Betreuung einer pflegeintensiven Anlage gewährleisten? Wer soll in der Wüste die hygienischen Mindeststandards garantieren, die zur Herstellung von Käse nun mal notwendig sind?

    Die beherzten Allgäuer ließen sich nicht von Zweifeln bremsen. Neben den nötigen Gerätschaften – vom Käsekessel über Kühlanlagen bis hin zur Solarstromanlage, die für heißes Wasser sorgt – exportierten sie ihr Können in den Orient. Handwerker wie Walter und Norbert Hartmann aus Stiefenhofen fuhren nach Al Rabiat und installierten technische Geräte. „Wir sahen, wie die Jordanier ihre Milch weggeschüttet haben und dachten: Da muss man was tun“, schildert Walter Hartmann die Anfangs-Euphorie. Heute ist er enttäuscht: „Das war das Letzte, was ich in Sachen Entwicklungshilfe gemacht habe.“

    Scheiterte das Projekt wegen der Sprachbarriere und der Mentalität?

    Woran das Projekt scheiterte? Vielleicht, vermutet der Installateur- und Spenglermeister, lag es an der Sprachbarriere. „Wir wissen nicht, was den Beduinen erzählt wurde.“ Auch die Mentalität der Jordanier führt Hartmann ins Feld: „Die Käserei hat von Anfang an nicht geklappt. Wenn die Deutschen nicht da waren, wurde kein Käse gemacht.“

    Dabei dürfte es nicht am Know-how gefehlt haben. Käsermeister Manuel Metzler aus dem Bregenzerwald kümmerte sich um die Ausbildung. Er half beim Aufbau der Käserei vor Ort und lud 2011 zwei Jordanier in seinen Familienbetrieb in Egg (Vorarlberg) ein, um ihnen das Käsen zu zeigen. Über seine Lehrlinge sagt er: „Sie haben halt so gut mitgearbeitet, wie es geht.“ Ein weiteres Mal fuhr Metzler ins Dorf Al Rabiat, um dort Fachleute auszubilden. Wieder stellte er fest: „Die taten sich von Anfang an schwer.“

    Unter Metzlers Anleitung ging die Käserei in Betrieb. „Mit 30, 40 Litern am Tag haben wir angefangen“, erzählt der Vorarlberger. Hergestellt wurde keineswegs Bergkäse, sondern ein einfacher Weichkäse – „alles andere macht von der Milchqualität her keinen Sinn“. Der Versuch, die Milch einer benachbarten Farm zu verarbeiten, etwa 300 Liter am Tag, wurde schnell eingestellt. Die Qualität war laut Metzler so schlecht, dass kein ordentlicher Käse herauskam. An Bergkäse war aus einem weiteren Grund nicht zu denken. „Bergkäse muss reifen. Und je länger ein Käse reift, desto konsequenter muss man ihn pflegen.“ An Konsequenz und Disziplin aber hat es den Leuten in Al Rabiat wohl gemangelt, erzählen Allgäuer, die dort waren.

    Zum Beispiel die junge milchwirtschaftliche Laborantin Birgit Frommknecht aus Hergatz. Auch sie wollte beim Anschieben helfen. Ein paar Tage lang hat sie gemeinsam mit Einheimischen die Käserei geputzt. „Aber deren Vorstellung von Sauberkeit liegt von unserer weit entfernt.“ Ihre Einschätzung im Rückblick: „Die Leute waren nett und hilfsbereit – aber alles andere als zuverlässig.“ So ließ sich auch das Vorhaben, Kamelmilch zu verkäsen, nicht umsetzen. „Beduinen liefern nicht regelmäßig. Die kommen und gehen, wie sie wollen“, sagt Frommknecht. Die Laborantin, der Installateur und der Käser sind sich heute einig in der Einschätzung, dass die Sennerei ohne externe Betreuung und regelmäßige Kontrolle nicht funktionieren konnte. „So etwas nur hinzustellen und es dann dem Dorf zu überlassen, ist zu wenig“, sagt Metzler.

    Mit dem "weißen Viagra" wurde es nichts

    Initiator Wilfried Gehr schien fest an den Erfolg seiner Idee zu glauben. Auf der Rallye-Homepage verkündete er 2011 gute Nachrichten aus Al Rabiat: Der Wüstenkäse sei „richtig gut“, die Anlage laufe – und nun sei es an den Beduinen, etwas draus zu machen. „Spätestens vor Weihnachten wollen sich die Jordanier an die Herstellung von Käse aus der extrem teuren Kamelmilch wagen. Dieser Käse wird als ,das weiße Viagra des Orients‘ bezeichnet“, schließt Gehrs Schilderung.

    Mit dem „weißen Viagra“ wurde es nichts. Stattdessen steht die Sennerei meistens still, manchmal verwenden sie die Leute in Al Rabiat zum Herstellen von Joghurt und zum Kühlen, erklärt Wilfried Gehr auf Anfrage unserer Zeitung und gibt unumwunden zu, mit der Wüstenkäserei vor allem Lehrgeld bezahlt zu haben. Er wisse jetzt, dass man den Menschen keinesfalls „alles geben und bezahlen darf, was benötigt wird“. Vielmehr müsse man Eigeninitiative einfordern. Es sei ein Fehler, „solchen Ländern unsere Standards aufzuzwingen“.

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