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100 Jahre Freistaat: Als die Sudetendeutschen kamen

100 Jahre Freistaat

Als die Sudetendeutschen kamen

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    Sudetendeutsche treffen in einem Durchgangslager ein. 	<b>Archivfoto: dpa</b>
    Sudetendeutsche treffen in einem Durchgangslager ein. <b>Archivfoto: dpa</b>

    Augsburg Der Kaufbeurer Stadtteil Neugablonz, Unternehmen wie der Leipheimer Einkaufswagenhersteller Wanzl oder die zahlreichen Gedenktafeln auf Friedhöfen in der Region. Sie alle sind Spuren von fast zwei Millionen Menschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus ihrer Heimat in Böhmen, Mähren und Schlesien vertrieben wurden und in Bayern eine neues Zuhause gefunden haben.

    In Schwaben wurden bis 1950 besonders viele dieser Sudetendeutschen aufgenommen. „Die Zahlen schwanken zwischen 20 und 25 Prozent der Gesamtbevölkerung“, sagt Migrationsforscherin Marita Krauss von der Universität Augsburg. In den Dörfern war die Quote teilweise deutlich höher. „Da kamen in ein Dorf mit 150 Einwohnern 180 Vertriebene“, erzählt Krauss.

    Wohnraum für die vielen Menschen zu finden, stellte eine große Herausforderung dar. Das Land war vom Zweiten Weltkrieg gebeutelt, viele Gebäude zerstört. Flüchtlingskommissare regelten die Verteilung: Wohnraum wurde beschlagnahmt, Vertriebene den Häusern der Bevölkerung zugeteilt. Einheimische und Sudetendeutsche lebten in Zwangsgemeinschaften unter einem Dach.

    „Die sind nicht fröhlich aufgenommen worden“, sagt Krauss. Die Angst vor Überfremdung war groß. „Aber die Vertriebenen mussten und durften arbeiten. Sie konnten sich sozialisieren. Das hat die Vorurteile genommen“, sagt Krauss. Bekanntes Beispiel ist die Glas- und Schmuckindustrie, die Vertriebene im Kaufbeurer Ortsteil Neugablonz aufbauten. Benannt ist der Ort nach der tschechischen Heimat der Handwerker. Auch Unternehmen wie Wanzl in Leipheim (Landkreis Günzburg) und Kunert in Immenstadt im Allgäu wurden von Vertriebenen gegründet.

    Nach und nach linderten Bauprojekte die Wohnungsnot. Die Siedlungen, die damals entstanden sind, sind nach ihren Bewohnern benannt. Sudetenstraßen gibt es in zahlreichen Orten. Die Sudetendeutschen blieben in Schwaben, heirateten und bekamen Kinder. „Heute gibt es kaum eine Familie, die nicht irgendwie mit Sudeten verbunden ist“, sagt Krauss.

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