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Schleuser: Anwalt über Schleuser: Sie handeln aus Armut

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Anwalt über Schleuser: Sie handeln aus Armut

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    Immer wieder werden in Deutschland Schleuser festgenommen.
    Immer wieder werden in Deutschland Schleuser festgenommen. Foto: Bundespolizeidirektion Berlin (dpa)

    Sie vertreten Schleuser, die Flüchtlinge über die Balkan-Route nach Deutschland gebracht haben. Was sind das für Leute?

    Markus Ihle: Die meisten rutschen da hinein, sind nicht vorbestraft und brauchen das Geld.

    Wie funktionieren Schleuser-Netzwerke? Also: Wie werden die Fahrer akquiriert und wie die Flüchtlinge?

    Ihle: Ich vertrete ja Schleuser, die von Budapest nach Passau fahren. In der Hochphase war es so, dass die Hintermänner der Schleuser-Netzwerke am Ostbahnhof in Budapest einfach durch die Menschenmenge gegangen sind, nach Fahrern gesucht und Flüchtlinge angesprochen haben. Die Fahrer wissen oft gar nicht, wo sie genau hinfahren sollen. Sie kriegen die Fahrzeuge gestellt, dazu Navis und Handys mit Kontakten. Dann werden sie losgeschickt.

    Wie läuft eine Schleusungsfahrt ab?

    Ihle: Früher sind die Fahrer hin und zurück gefahren. Inzwischen wird auch auf den Rückwegen kontrolliert. Deswegen lassen sie die Fahrzeuge in Deutschland oder Österreich einfach am Straßenrand stehen, lassen die Flüchtlinge raus und verschwinden zu Fuß. Oft fahren Komplizen voraus und prüfen, ob Kontrollen stattfinden. Dann verständigen sie sich über Handy mit dem Schleuser.

    Was kostet eine Schleusung?

    Ihle: Eine Flucht kostet vom Herkunftsland aus etwa 10 000 Euro, davon der Abschnitt von Budapest nach Passau etwa 2000 Euro je Person. Der Schleuser bekam früher 100 Euro je geschleuster Person, inzwischen gibt es 400 Euro pro Wagenladung. Bezahlt wird der Schleuser nach seiner Rückkehr.

    Anwalt über Schleuser: "Sie sind bitterarm und brauchen Geld"

    Hinterfragen die Schleuser nicht, was sie tun?

    Ihle: Keiner von ihnen kann mir erzählen, dass er nicht wisse, was da los ist. Sie sind bitterarm und brauchen Geld. Die meisten sagen mir dann: "Ich habe nicht gewusst, wie viele Leute da drin sind." Der schlimmste Fall, den ich zu vertreten hatte, war der einer Schleusungsfahrt mit 44 Flüchtlingen in einem Kleinlaster. Das entsprach pro Person ungefähr der Fläche eines DIN-A4-Papiers.

    Was passiert mit den Schleusern, die gefasst wurden?

    Ihle: Sie werden zur Bundespolizei gebracht und vernommen. Dann kommen sie in U-Haft, ihnen wird der Haftbefehl eröffnet und ein Pflichtverteidiger beigestellt. In der Regel dauert es zwei bis drei Wochen, bis die Akte kommt. Die Schleuser werden auf Gefängnisse in ganz Bayern verteilt. Nürnberg, Weiden, Aschaffenburg, Hof...

    Das heißt, Sie sind ständig quer durch Bayern unterwegs.

    Ihle: Ich versuche, immer Zwei-Tages-Touren zusammenzustellen. In der Hochphase hatte ich einen Studenten beschäftigt, der nichts anderes gemacht hat, als die Akten nach JVA und Sprache zu sortieren, die Touren zu planen und entsprechende Dolmetscher zu organisieren. In Nürnberg ist das okay, in Kronach einen Dolmetscher für albanisch zu finden, ist schwierig.

    Im September wurden wieder Grenzkontrollen eingeführt. Hat das Schleuser tatsächlich abgeschreckt?

    Ihle: Es war schlagartig Ruhe. Seitdem werden alte Fälle abgearbeitet, neue kommen nicht hinzu.

    Schleuser sagen Angehörigen oft nichts

    Mit welcher Strafe muss ein Schleuser rechnen?

    Ihle: Das ist völlig unterschiedlich. Das hängt auch davon ab, wie viele Personen jemand geschleust hat. Macht er das gewerbsmäßig? Hatte er eine Fahrerlaubnis? Sind die Fahrer vorbestraft? Diese Fragen werden berücksichtigt. Meist werden mehrmonatige Haftstrafen verteilt. Bei lebensgefährdender Behandlung - also wenn Flüchtlinge nicht angeschnallt waren, vielleicht im Kofferraum saßen - fallen die Strafen inzwischen fast immer ohne Bewährung aus.

    Was denken die Schleuser über das, was sie tun? Und wissen die Angehörigen Bescheid?

    Ihle: In der Regel wissen die Angehörigen nichts. Die Familie lebt vielleicht in einem abgelegenen Bergdorf in Rumänien. Der Vater sagt, er geht zur Arbeit und kehrt nicht zurück. Irgendwann kriegt die Familie einen Brief vom Gericht in Passau. Von Schleusern, mit denen ich in Gefängnissen spreche, höre ich immer wieder, dass sie gar nicht so schnell raus wollen. Einer sagte mir: "Hier ist es warm, ich baue Mausefallen und kriege im Monat 170 Euro dafür. In Rumänien habe ich nichts."

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