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Kempten: Arzt zahlt Schmerzensgeld nach Drama um missglückte Darmspiegelung

Kempten

Arzt zahlt Schmerzensgeld nach Drama um missglückte Darmspiegelung

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    Nach der missglückten Darmspiegelung hatte die Patientin starke Schmerzen im Unterleib.
    Nach der missglückten Darmspiegelung hatte die Patientin starke Schmerzen im Unterleib. Foto: Patrick Pleul, dpa (Symbolbild)

    Diese Geschichte klingt unglaublich und jeder, der sie hört, schüttelte ungläubig den Kopf. Nach einer missglückten Darmspiegelung bei einer heute 29-jährigen Patientin haben sich der behandelnde Internist und die Frau vor dem Kemptener Landgericht auf einen Vergleich geeinigt. Demnach zahlt der Mediziner der Ostallgäuerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 6000 Euro. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen den Arzt wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen Zahlung von 2500 Euro an die Johanniter-Unfall-Hilfe eingestellt.

    Der Leidensweg der Frau begann am Vormittag des 12. Februars 2016, als sich die Patientin in die Praxis des Internisten im Ostallgäu begab. Was genau während der eineinviertelstündigen Behandlung geschah, weiß die Patientin bis heute nicht. Denn die Darmspiegelung wurde in Narkose durchgeführt.

    Mediziner führte Endoskop in Vagina ein

    Tatsache ist – und das bestreitet der Mediziner auch nicht: Irrtümlich hatte er das Endoskop zunächst in die Vagina statt in den Darm eingeführt. Er habe dann „behandlungsfehlerhaft“ eine Gewebeprobe am Gebärmutterhals entnommen, so die Staatsanwaltschaft Kempten. Der Mediziner hielt die Gebärmutter für einen Tumor.

    Nach der Behandlung erläuterte der Arzt der Patientin, er sei mit dem Schlauch – also dem Endoskop – „abgerutscht“ und in die Vagina geraten. Wegen massiver Unterleibsschmerzen und Blutungen wandte sich die junge Frau in den folgenden Tagen an ihren Haus- und an ihren Frauenarzt. Und die reagierten genauso wie alle anderen, denen sie den Fall schilderte. „Tage später im Kemptener Klinikum war der dortige Arzt ebenfalls total schockiert“, berichtet die Ostallgäuerin. Schließlich habe ihr Hausarzt sie krankgeschrieben. Insgesamt zweieinhalb Wochen konnte sie nicht arbeiten. Erst danach klangen die körperlichen Beschwerden im Unterleib allmählich ab.

    Die Patientin brauch psychotherapeutische Hilfe

    Doch die psychische Belastung durch den Vorfall war schließlich so groß, dass die junge Frau psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nahm. Die Therapeutin diagnostizierte einen „krisenhaft zugespitzten Zustand“.

    Wem auch immer sie die Geschichte erzählt habe: „Entweder man hat ungläubig geschaut oder mich sogar ausgelacht“, berichtet die Frau. Der Arzt habe sie sogar davor gewarnt, mit der Sache an die Öffentlichkeit zu gehen, schildert ein Füssener, der die Frau ehrenamtlich betreut. Zugleich wandte sich die heute 29-Jährige an die Opferschutzorganisation Weißer Ring.

    Und sie erstattete schließlich Anzeige bei der Polizei. Die strafrechtlichen Ermittlungen liefen an. Die Geschädigte habe durch die fehlerhafte Behandlung „starke Unterleibsschmerzen sowie vaginale Blutungen“ erlitten, ist im Bericht der Staatsanwaltschaft zu lesen. Dennoch sah die Anklagebehörde von einer öffentlichen Klage ab, wenn der Mediziner 2500 Euro an die Johanniter überweist. Der Arzt zahlte umgehend.

    Es folgte ein Zivilprozess vor dem Kemptener Landgericht. Dort einigten sich beide Parteien schließlich auf einen Vergleich. Demnach muss der Arzt 6000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Zudem kommt er für 90 Prozent der Verfahrenskosten auf.

    "Ich kann mir kaum noch vorstellen, zu einem Arzt zu gehen"

    Die körperlichen Folgen der Falschbehandlung sind vorbei, sagt die junge Frau. Doch der seelische Schmerz sei noch nicht verheilt. Und dann berichtet sie von einer schlimmen Vermutung: Der Gedanke, es könne sich bei dem unglaublichen Fehler um einen sexuellen Missbrauch handeln, komme ihr immer wieder. Sie wisse auch nicht, ob während der über einstündigen Behandlung ständig eine Arzthelferin anwesend war. Der von der Frau vermutete sexuelle Hintergrund konnte im Strafverfahren allerdings nicht nachgewiesen werden.

    „Ich kann mir kaum noch vorstellen, zu einem Arzt zu gehen – schon gar nicht zu einem männlichen“, sagt die Frau heute. Für sie bleibe die Frage immer offen: „Was ist da wirklich passiert?“ An die Öffentlichkeit hat sich die 29-Jährige getraut, weil sie andere Frauen warnen will. „Sie sollten bei einer solchen Behandlung eine Vertrauensperson mitnehmen“, findet sie.

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